04.11.2009
Finanzgericht Köln: Vorlegungsbeschluss vom 24.08.2005 – 14 K 6187/04
1) § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V. mit § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 erfassen - ohne Übergangsregelung - auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltenden Spekulationsfrist von 2 Jahren bereits abgelaufen war.
2) Hierin liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung, weshalb die Vorschriften gegen Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen.
3) Das StEntlG 1999/2000/2002 ist nicht wegen formeller Verfassungswidrigkeit nichtig.
Tatbestand
Mit notariellen Vertrag vom 24.06.1991 erwarben der Kläger und zwei weitere Gesellschafter als Gesellschafter bürgerlichen Rechts (GbR A) die Anwartschaft auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück in A. Die Verkäuferin hatte das Eigentum an dem im Gebiet der ehemaligen DDR belegenen Grundstück zugunsten staatlicher Einrichtungen verloren und bereits nach Maßgabe des Vermögensgesetzes die Rückgabe des Grundstücks geltend gemacht. Ihren Anspruch auf Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz trat sie in dem notariellen Vertrag vom 24.6.1991 an die Erwerber ab. Nachdem die Rückgabe des Grundstücks nach Maßgabe des Vermögensgesetzes erfolgte, erwarben die vorgenannten Gesellschafter das Eigentum an dem Grundstück. Die Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch erfolgte am 17.08.1994. Ziel des Grundstückserwerbs durch die vorgenannten Gesellschafter war die langfristige Vermietung des Objekts. Als sich dieses Ziel nicht verwirklichen ließ, kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Gesellschaftern über die weitere Verwendung des Grundstücks, derer wegen eine Teilungsversteigerung stattfand. In der Teilungsversteigerung wurde das Grundstück am 18.02.1999 dem Kläger, einem weiteren Gesellschafter der GbR A – ohne Änderung der Miteigentumsanteile – und der E GmbH als Gesellschafter bürgerlichen Rechts zugeschlagen. Die neue GbR war mit Gesellschaftsvertrag vom 18.12.1998 errichtet worden und firmierte unter der Bezeichnung E GbR – im folgenden E GbR –. Mit notariellem Vertrag vom 16.03.1999 veräußerte die E GbR das Grundstück an einen Dritten.
Der Beklagte sah in der Veräußerung des Grundstücks durch die E GbR ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes – StEntlG – 1999/2000/2002 und erfasste den Veräußerungsgewinn in dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Veranlagungszeitraum 1999 vom 11.04.2001 der E GbR. Dabei legte er der Berechnung des Veräußerungsüberschusses die Anschaffungskosten der GbR A und den Veräußerungspreis zugrunde, der von der E GbR erzielt worden war.
Hiergegen hatten die Gesellschafter der E GbR am 23.04.2001 Einspruch eingelegt, der mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2001 zurückgewiesen wurde. Gegen diese Einspruchsentscheidung haben der Kläger und die beiden anderen Gesellschafter der E GbR am 13.08.2001 Klage erhoben und beantragt, die festgestellten Einkünfte aus dem privaten Veräußerungsgeschäft auf 0,– DM festzusetzen, hilfsweise das Verfahren gemäß Art. 100 Abs.1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht – BVerfG – zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Satz 1 i.V. mit § 52 Abs.39 Satz 1 EStG vorzulegen. Durch Urteil des erkennenden Senats vom 26.01.2004 (Az. 14 K 4904/01) wurde die Feststellung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften unter Änderung des Feststellungsbescheid und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung aufgehoben, weil der Besteuerungstatbestand der §§ 22 Nr. 2 und 23 Satz 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1999 nicht auf der Ebene der E GbR, sondern durch die Tätigkeit zweier verschiedener GbR verwirklicht worden ist, nämlich durch Anschaffung des Grundstücks durch die GbR A und durch Veräußerung des Grundstücks durch die E GbR. Besteuerungsgrundlagen einer steuerbegründenden Norm, die teilweise auf der Ebene einer vermögensverwaltenden Gesellschaft, teilweise auf der Ebene des Gesellschafters und einer weiteren vermögensverwaltenden Gesellschaft verwirklicht werden, sind in einer Gesamtwürdigung bei der Besteuerung des Gesellschafters im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung zusammenzufassen und begründen dessen Einkommensteuerpflicht. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.
Der Beklagte erließ am 23.09.2004 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1999, in dem die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in der Höhe angesetzt worden sind, die bisher dem Kläger aufgrund des aufgehobenen Feststellungsbescheids zugerechnet worden waren.
Hiergegen hat der Kläger am 18.10.2004 Einspruch eingelegt. Der Einspruch wurde durch die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18.11.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid für 1999 wurde am 08.12.2004 aus anderen Gründen erneut geändert. Am 15.12.2004 hat der Kläger erneut Klage erhoben. Er wendet sich mit dieser Klage gegen die Erfassung der Veräußerung vom 16.03.1999 als privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Rahmen seiner Einkommensteuer 1999.
Zur Begründung trägt er vor, die Neuregelung des Einkommensteuergesetzes durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 mit der Einbeziehung aller Veräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998 in den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG durch § 52 Abs. 39 S. 1 EStG sei formell und materiell verfassungswidrig, da sie nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren durchgeführt worden sei und der Gesetzgeber gegen den aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG – abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen habe. Das Gesetz sei am 24.03.1999 in Kraft getreten, durch § 52 Abs. 39 S. 1 EStG sei eine Rückwirkung ab dem 01.01.1999 angeordnet.
Das StEntlG 1999/2000/2002 sei nicht in einem verfassungsgemäßen Verfahren zustande gekommen und damit formell verfassungswidrig. Das StEntlG sei als zustimmungsbedürftiges Gesetz gemäß Art. 105 Abs. 3, 106 Abs. 3 GG dem Verfahren nach § 78 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – GO BT – unterworfen. Diese Vorschriften seien eine Ausformung der Verfassungsgrundsätze, etwa des Demokratieprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG. Das Gesetzgebungsverfahren zum StEntlG 1999/2000/2002 sei unter einem enormen Zeitdruck durchgeführt worden. Dieser Zeitdruck habe sich durch den Ausgang der Anfang 1999 durchgeführten Landtagswahl in Hessen ergeben, als deren Folge sich der Verlust der Mehrheit der Regierungsparteien im Bundesrat abzeichnete. Die Regierungskoalition aus SPD und Bündnis 90/Grüne habe unter allen Umständen bis spätestens 02.03.1999 ihre parlamentarischen Beratungen abschließen müssen, weil anderenfalls der deutsche Bundestag am 04.03.1999 das Gesetz nicht abschließend habe verabschieden können. Bei einem späteren Zeitpunkt wäre die Mehrheit der Regierungskoalition im Bundesrat verloren gewesen und das Gesetz gescheitert. Im Finanzausschuss habe keine ordnungsgemäße Gesetzesberatung stattgefunden. Die fortwährenden Änderungen des Gesetzesentwurfs seien so umfangreich gewesen, dass es schlechthin keinem Abgeordneten möglich gewesen sei, sie nur auch zu lesen, geschweige denn, sie im Zusammenhang des gesamten Gesetzgebungsvorhabens zu würdigen. Das gesamte Volumen der Umdrucke, die von den Abgeordneten zur Würdigung des Entwurfs hätten gelesen werden müssen, habe über 300 Seiten betragen. Diese seien noch in den letzten Stunden der Ausschussberatungen durch eine Vielzahl neuer Tischvorlagen mit Änderungen und Ergänzungen versehen worden. Der Kläger verweist hierzu auf den stenographischen Bericht der 25. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 04.03.1999 (Seiten 1914 bis 1916, 1918, 1919 und 1926). Er trägt weiter vor, am 02.03.1999 habe die letzte Beratung des Finanzausschusses vor der endgültigen Verabschiedung im Bundestag am 04.03.1999 stattgefunden. Noch während dieser Ausschusssitzung seien den Mitgliedern des Ausschusses durch das Finanzministerium zahlreiche Änderungen vorgelegt worden. Nach der dem Kläger von Mitgliedern des Finanzausschusses gemachten Mitteilungen seien noch in den letzten 90 Minuten des 02.03.1999 erneut berichtigte und geänderte Texte des Gesetzentwurfs in Leitz-Ordner-Stärke vorgelegt worden, unter anderem auch deshalb, weil sich die Vertreter der SPD und die Vertreter von Bündnis 90/Grüne nicht in allen Punkten einig waren. Diese neuen Vorlagen habe in den letzten 90 Minuten vor Abschluss der Beratung im Finanzausschuss niemand mehr lesen, geschweige denn würdigen können. Der Antrag der Vertreter der Opposition, die Beratungen im Finanzausschuss zu vertagen, zumindest die Beratungen an den kommenden Tagen, nach Studium der Vorlagen, fortzusetzen, sei von den Vertretern der Regierungskoalition abgelehnt worden. Eine geordnete Beratung und eine sachgerechte Beurteilung des letztendlichen Entwurfs sei danach schon im Finanzausschuss nicht möglich gewesen. Eine ansonsten übliche Änderung des Terminplans wegen erhöhten Beratungsbedarfs sei jedoch nicht vorgenommen worden. Der Kläger verweist hierzu auf den stenographischen Bericht der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 04.03.1999, Seiten 1917, 1918 und 1919.
Aus den Vorschriften der GO BT, insbesondere aus den §§ 62 und 69 GO BT ergebe sich das Recht und die Pflicht aller Mitglieder eines Ausschusses zur Beratung von Vorlagen und damit auch Gesetzesvorlagen. Bei der Beratung und Abstimmung über ein Gesetz im Bundestag als gesetzgebendem Organ müsse gewährleistet sein, dass alle Abgeordneten zumindest die Möglichkeit hätten, sich von dem fraglichen Gesetzesentwurf ein Bild zu machen. Diesen Mindestanforderungen an den Gesetzgebungsprozess habe das Gesetzgebungsverfahren zum StEntlG 1999/2000/2002 nicht erfüllt, so dass in evidenter Weise gegen das Demokratieprinzip des Art. 20. Abs. 1 GG und die Geschäftsordnung des Bundestages verstoßen worden sei. Der Beschluss über ein Gesetz, bei dem noch nicht einmal alle Ausschussmitglieder die Möglichkeit gehabt hätten, seinen Inhalt zur Kenntnis zu nehmen, sei ganz offenkundig mit den Grundsätzen der parlamentarischen Entscheidungsfindung unvereinbar. Eine Heilung der Mängel durch die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag sei nicht eingetreten. Auch die parlamentarische Mehrheit des Bundestages könne auf ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht verzichten. Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes sei zwingend und könne nicht durch bloße Nichtbeachtung übergangen werden.
Des Weiteren stelle die Einbeziehung aller Veräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998 eine echte Rückwirkung dar, die grundsätzlich verfassungswidrig sei. Die echte Rückwirkung zeichne sich durch eine Rückwirkung von Rechtsfolgen aus, indem nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände angegriffen werde. Dies sei grundsätzlich unzulässig. Steuergesetze dürften grundsätzlich nur solche Tatbestände erfassen, die erst nach ihrer Verkündung eintreten oder sich vollenden. Das Vertrauensschutzprinzip verwehre dem Gesetzgeber eine belastende Änderung, die der Bürger bei seiner Handlung nicht berücksichtigen könne. Auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG a. F. sei im Streitfall die damals geltende zweijährige Spekulationsfrist bereits abgelaufen gewesen. Er, der Kläger, habe darauf vertrauen können, dass eine Steuerentstrickung hinsichtlich des Grundstücks eingetreten sei. Auch zur Zeit der Kaufverhandlungen und des anschließenden Verkaufs sei die Neuregelung mit der 10 Jahresfrist noch nicht in Kraft gewesen. Die gesetzlich angeordnete Rückwirkung greife im Streitfall in einen vollständig abgewickelten Sachverhalt ein. Hier werde noch deutlicher gegen das aus der Verfassung abgeleitete Vertrauensschutzprinzip verstoßen als in dem vom BFH entschiedenen Fall (BFH-Beschluss vom 05.03.2001, Der Betrieb 2001, 622, 623).
Im Regelfall entstehe die Einkommensteuer zwar am Ende des Kalenderjahres, sei vor Ablauf des Veranlagungszeitraums nur vorläufig und stehe unter Vorbehalt der Rechtsänderung mit Wirkung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum. Dies könne aber nicht für private Veräußerungsgewinne gelten. Hier könne der Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerlichen Sachverhalts exakt auf den Veräußerungszeitpunkt festgelegt werden, so dass § 23 Abs. 1 EStG eine im Sinne des § 36 Abs. 1 EStG im Gesetz bestimmte andere Regelung enthalte.
Auch wenn man von einer unechten Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung ausgehe, müsse die dann vorzunehmende Güterabwägung zwischen der Bedeutung der Regelung für das Gemeinwohl und dem Ausmaß des Vertrauensschadens beim Steuerpflichtigen zu Gunsten des Klägers ausfallen. Selbst wenn die Abwägung zu Gunsten der Bedeutung des Gemeinwohls ausfalle, müsse der Gesetzgeber das Ausmaß des Vertrauensschadens nach Möglichkeit in geeigneter Weise durch angemessene Übergangsregelungen abmindern oder ausgleichen. Dies folge aus den rechtstaatlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit. Die Rückwirkende Änderung des § 23 EStG enthalte im konkreten Fall aber keinerlei Übergangsregelung. Sie sei demnach unverhältnismäßig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 8.12.2004 und der Einspruchsentscheidung vom 18.11.2004 die Einkommensteuer 1999 dergestalt festzusetzen, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 0,00 DM angesetzt werden,
hilfsweise wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen,
hilfsweise das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung,
im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen,
hilfsweise das Ruhen des Verfahrens nach § 74 Finanzgerichtsordnung anzuordnen.
Der Beklagte hatte zunächst gegen eine Aussetzung des Klageverfahrens zur Durchführung der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG keine Einwände erhoben, davon in der mündlichen Verhandlung aber Abstand genommen. Zur Begründung seiner Anträge verweist er auf seine Einspruchsentscheidung vom 18.11.2004. Er hält an seiner Auffassung fest, das Vertrauen des Klägers sei nicht schutzwürdig, weil die Veräußerung des Grundstücks nach dem Gesetzesbeschluss vom 4.3.1999 erfolgt sei.
Gründe
Die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ist gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG im V. m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht – BVerfGG – geboten.
Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen (Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG).
A. Nach der Überzeugung des vorlegenden Senats ist § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 39 S. 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 mit dem Grundgesetz nicht vereinbart. Die Regelung bewirkt im Streitfall als unzulässige tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) ohne Abmilderung durch eine Übergangsregelung einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz des Klägers im Rahmen der von ihm ausgeübten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG). Das Klageverfahren ist bis zu Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die vorgelegte Frage auszusetzen.
I. Die vorgelegte Frage ist im Sinne des § 80 Abs. 2 BVerfG entscheidungserheblich.
Im anhängigen Klageverfahren ist eine Sachentscheidung darüber zu treffen, ob der vom Kläger erzielte Überschuss aus der Veräußerung seines Grundstücksanteils nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG der Besteuerung zu unterwerfen ist. Sind die Vorschriften verfassungsgemäß, ist die Klage abzuweisen. Wäre die Neufassung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG 1999 wegen einer unzulässigen Rückwirkung verfassungswidrig, würde die Steuerbelastung des Klägers im Streitjahr geringer ausfallen, wenn die Norm deswegen unanwendbar wäre.
1. Inhalt der steuergesetzlichen Regelung
a. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, der nach § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG auf alle Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998 anzuwenden ist, erfasst Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Der Überschuss aus dem Veräußerungsgeschäft – das Gesetz spricht insoweit (wie in § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) von „Gewinn” – ist der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG). Diese Einkünfte sind nach § 22 Nr. 2 EStG sonstige Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
b. Grundsätzlich gilt für die sog. Überschusseinkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG und § 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 8 ff. EStG, dass – anders als bei den Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1, §§ 4 ff. EStG) – durch Veräußerung realisierte Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern nicht steuerbar sind (sog. Einkünftedualismus vgl. BFH-Bechluss vom 16.12. 2003 IX R 46/02, BStBl II 2004, 284 ff.; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 2 Rdnr. C 6, C 46 ff.). Davon abweichend unterwirft § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertveränderungen der Einkommensteuer (BFH-Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O. unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 27.6.1995 IX R 130/90, BFHE 178, 151, BStBl II 1996, 215 unter 1. d; vom 29.3.1989 X R 4/84, BFHE 156, 465, BStBl II 1989, 652 unter a). Die Vorschrift stellt damit als Durchbrechung des Grundsatzes der Nichtsteuerbarkeit von Wertzuwächsen im Privatvermögen nach der Systematik der Überschusseinkünfte eine belastende Ausnahme dar (vgl. BFH-Bechluss vom 16.12.2003 a.a.O. unter Hinweis auf Crezelius, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rdnr. A 1; v. Bornhaupt, BB 2003, 125, 126).
c. Anschaffung und Veräußerung sind Tatbestandsmerkmale des § 23 Abs. 1 EStG Der maßgebliche Besteuerungstatbestand besteht also nicht nur in der Veräußerung des Grundstücks, sondern es handelt sich bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt und mit dessen Veräußerung endet, wobei die während der gesamten Besitzzeit eintretenden Wertsteigerungen erfasst werden (BFH-Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O.; Urteil des FG Köln vom 15.2.1995 11 K 2685/93, EFG 1995, 672). Die Anschaffung stellt den Beginn der Tatbestandsverwirklichung dar. Vom Zeitpunkt des rechtsgeschäftlichen Anschaffungsgeschäfts an ist die 10-Jahresfrist zu berechnen. Das angeschaffte Wirtschaftsgut muss mit dem später veräußerten identisch sein (sog. Nämlichkeit; vgl. BFH-Urteil vom 22.5.2003 IX R 9/00, BStBl II 2003, 712). Fehlt es an einer Anschaffung (oder einer Anschaffungsfiktion), so wird eine Veräußerung nicht von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst (BFH- Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O. unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 30.11.1976 VIII R 202/72, BStBl II 1977, 384; vom 23.7.1980 I R 43/77, BStBl II 1981, 19 unter f, m. w. N.).
Die Besteuerung wird durch die Veräußerung ausgelöst, mit der die seit der Anschaffung des Wirtschaftsguts entstandenen Wertsteigerungen realisiert werden (BFH a.a.O., m. w. Hinweisen).
2. Anwendung der Vorschriften auf den Streitfall
a. Im Streitfall wird der „gestreckte” Tatbestand des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Satz 1 EStG auf der Ebene des Gesellschafters durch den Erwerb eines Grundstücksbruchteils im Rahmen der GbR A und durch die Veräußerung des nämlichen Bruchteils des Klägers an dem Grundstück im Rahmen der E GbR verwirklicht. Diese beiden Geschäftsvorgänge sind für die Berechnung der Spekulations- oder Behaltensfrist nach § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Satz 1 EStG maßgeblich. Die Veräußerung des Grundstücks durch die GbR A und der Erwerb des Grundstücks durch die E GbR in der Teilungsversteigerung vom 16.2.1999 stellen weder einen Anschaffungsvorgang seitens der E GbR noch einen Veräußerungsvorgang bei der GbR A i.S. des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar.
b. Die Frage, ob der vom Kläger erzielte Überschuss aus der Grundstücksveräußerung der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 zu unterwerfen ist, muss im Einkommensteuerveranlagungsverfahren des Klägers entschieden werden, nicht im Feststellungsverfahren der E GbR. Die entsprechende, gegen dieselben Beteiligten ergangene Entscheidung des erkennenden Senats vom 12.12.2003 (AZ: 14 K 4904/01) ist rechtskräftig und bindet die Beteiligten dieses Verfahrens nach § 110 Abs.1 Nr.1 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Nach herrschender Meinung umfasst die Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils jedenfalls den der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt und die hierzu angestellten, die Entscheidung tragenden rechtlichen Erwägungen, wie sie sich aus den Urteilsgründen ergeben (Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, Kommentar zur FGO § 110 Rdnr. 55 m. w. N.; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 110 FGO Rdnr.100), wenn auch nur der Tenor in Rechtskraft erwächst.
c. Der Entscheidung des Senats im Verfahren 14 K 4901/01 lagen folgende tragenden rechtlichen Erwägungen zugrunde:
Nach § 180 Abs.1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 sind einkommensteuerpflichtige Einkünfte gesondert und einheitlich festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen zuzurechnen sind. Dies ist bei Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften der Fall, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den Besteuerungstatbestand verwirklichen. Ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 EStG setzt voraus, dass ein Grundstück angeschafft und vor Ablauf eines Zeitraums von 10 Jahren wieder veräußert wird. Diesen Besteuerungstatbestand hat weder die GbR A noch die E GbR verwirklicht. Der Vorgang der Teilungsversteigerung vom 18.2.1999 stellt weder bei der GbR A einen Veräußerungsvorgang noch bei der E GbR einen Anschaffungsvorgang i.S. des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Satz 1 EStG dar. Bei der Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken, die zum Gesamthandvermögen einer vermögensverwaltend tätigen GbR gehören, ist die Bestimmung des § 39 Abs.2 Nr.2 AO 1977 zu beachten. Danach sind Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig (nach Bruchteilen) zuzurechnen, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist (BFH-Urteil vom 9.5.2000 VIII R 41/99, BStBl II 2000, 686). Die Aufteilung der Gesamthand in eine für steuerliche Zwecke fingierte Bruchteilsgemeinschaft greift im Streitfall, weil das Einkommensteuergesetz von hier nicht einschlägigen gesetzlich geregelten Ausnahmen abgesehen die Gesamthänder als Steuerrechtssubjekte erfasst und nur eine Bruchteilsbetrachtung dem Sinn und Zweck des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Satz 1 EStG gerecht wird. Nach dem Sinn und Zweck des § 23 EStG soll die durch Umschlag u. a. von Grundstücken innerhalb der Behaltensfrist erzielte Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Besteuerung unterworfen werden. Ein rechtsgeschäftlicher Vorgang, bei dem, wie bei der Teilungsversteigerung vom 18.2.1999, der bisherige Bruchteilsinhaber unverändert Inhaber des Grundstücksanteils bleibt und durch den bei ihm auch keine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eintritt, weil das auf den Bruchteil des Klägers entfallende, im Rahmen der E GbR gezahlte Entgelt an ihn im Rahmen der GbR A wieder zurückfließt, ist für die Erfüllung des Besteuerungstatbestandes des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG unbeachtlich (vgl. BFH – Urteil vom 26.4.1977 VIII R 196/74, BStBl II 1977, 714). Der gesetzliche Tatbestand dieser Vorschrift wird auf der Ebene des Gesellschafters durch Anschaffung seines Bruchteils am Grundstück als Gesellschafter der GbR A und durch Veräußerung seines Bruchteils am nämlichen Grundstück als Gesellschafter der E GbR erfüllt, so dass auch diese beiden Rechtsgeschäfte für die Berechnung der Spekulationsfrist bzw. Behaltenszeit maßgeblich sind. Besteuerungsgrundlagen einer steuerbegründenden Norm, die teilweise auf der Ebene einer vermögensverwaltenden Gesellschaft (Anschaffungsgeschäft), teilweise auf der Ebene des Gesellschafters (Behaltenszeit) und teilweise einer weiteren vermögensverwaltenden Gesellschaft (Veräußerungsgeschäft) verwirklicht werden, sind in einer Gesamtwürdigung bei der Besteuerung des Gesellschafters im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung zusammenzufassen und begründen dessen Einkommensteuerpflicht (Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Senats vom 12.12.2003 verwiesen, das dem Vorlagebeschluss beigefügt ist. Die Bezugnahme ist zulässig vgl. BVerfG – Beschluss vom 8.3.1983 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312 ff).
An diese rechtliche Würdigung des Senats im Urteil vom 12.12.2003 sind die Beteiligten des Vorlageverfahrens gebunden. Nach der rechtskräftigen Aufhebung der Feststellung eines privaten Veräußerungsgewinns im Feststellungsbescheid 1999 der E GbR kommt nur noch eine Erfassung des privaten Veräußerungsgewinns in der Einkommensteuerveranlagung der Gesellschafter der E GbR in Betracht, hier der Einkommensteuerveranlagung des Klägers (BFH-Urteile vom 19.06.2001 X R 48/96, BFH/NV 2002, 153; vom 26.11.1998 IV R 66/97, BFH/NV 1999, 788; vom 09.05.1984 II R 3/88, BFH/NV 1990, 650 und vom 07.02.1990 I R 145/87, BStBl II 1990, 1032).
d. Auf der Ebene des Gesellschafters im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers wird der gesetzliche Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfüllt durch Erwerb des Miteigentums (Bruchteils) an dem Grundstück A in 1991 (Erwerb der Anwartschaft) oder in 1994 (Eintragung als Eigentümer im Grundbuch) und durch die Veräußerung des nämlichen Miteigentumsanteils durch die E GbR am 16.03.1999. Der Miteigentumsanteil an einem Grundstück ist ein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt. Da § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG alle Veräußerungen von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten nach dem 31.12.1998 erfasst, gilt er auch für die Veräußerung des Miteigentumsanteils des Klägers, der unstreitig anders als etwa der Geschäftsanteil an einer vermögensverwaltenden GbR ein „spekulationsfähiges” Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG darstellt. Bei Wiederveräußerung dieses Miteigentumsanteils am 16.03.1999 war die Frist von 10 Jahren des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG noch nicht abgelaufen, gleichgültig, ob man als Erwerbszeitpunkt den Vertrag vom 24.06.1991 über den Erwerb der Anwartschaft oder die Eintragung im Grundbuch am 17.04.1994 als Anschaffungszeitpunkt ansieht. Der gesetzliche Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erfasst i. V. m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG alle nach dem 31.12.1998 erfolgten Veräußerungen, bei denen die Anschaffung des Wirtschaftsgut nach dem 31.12.1988 erfolgt war. Soweit die vorgenannten Vorschriften verfassungsgemäß sind, wäre die Klage abzuweisen. Die Höhe des dem Kläger zuzurechnenden Veräußerungsgewinns ist nicht streitig.
Vor der Änderung des § 23 EStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 betrug die Spekulationsfrist von dem Anschaffungsgeschäft an gerechnet zwei Jahre, danach löste die Veräußerung des Grundstücks oder Miteigentumsanteils keine Steuerpflicht mehr aus. Nach der alten Regelung hätte der Kläger spätestens nach dem 17.08.1996 seinen Miteigentumsanteil steuerfrei veräußern können. Wäre die Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1999 wegen Verfassungswidrigkeit nicht anwendbar, würde die Veräußerung vom 16.03.1999 keine Steuer mehr auslösen, so dass der Klage stattzugeben wäre.
Soweit das BVerfG im Falle der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Regelungen nur die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz -GG – ausspricht, wäre das Verfahren bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auszusetzen. Auch eine solche Entscheidung hinge von der Gültigkeit des Gesetzes ab (BVerfG – Beschluss vom 26.6.1979 1 BvL 10/78, BVerfGE 51, 356 ff.).
3. Möglichkeiten anderer Entscheidung
a. Der vorlegende Senat hat nicht die Möglichkeit, die Einspruchsentscheidung des Beklagten isoliert aufzuheben, weil der Beklagte die gesetzliche Anordnung des § 363 Abs.2 Satz 2 AO 1977 nicht beachtet hat. Danach ruht das Einspruchsverfahren kraft Gesetzes, wenn wegen der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm ein Verfahren beim BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird. Zwar war im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung auf Grund des Vorlagebeschlusses des BFH vom 16.12.2003 (a.a.O.) bereits ein Verfahren beim BVerfG (AZ: 2 BvL 2/ 04) anhängig, was der Beklagte verkannt hat. Eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung kommt indes dann nicht in Betracht, wenn der Kläger über die Aufhebung der Einspruchsentscheidung hinaus eine materiell-rechtliche Entscheidung in der Sache beantragt. Dann muss das Gericht über diesen Antrag entscheiden (vgl. § 40 Abs.2, § 65 Abs.1 Sätze 2 und 3, 96 Abs.1 FGO und BFH – Urteil vom 14.7.2004 IX R 13/01, BStBl II 2005, 125 und vom 6.10.2004 II R 10/03, BFH/NV 2005, 238). Im Streitfall hat der Kläger die Nichtanwendung des § 363 Abs.2 Satz 2 AO 1977 nicht gerügt, sondern eine materiell-rechtliche Entscheidung dahingehend begehrt, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und § 52 Abs.39 Satz 1 EStG verfassungswidrig seien und eine Vorlage nach Art. 100 Abs.1 GG beantragt. In diesem Fall darf sich der Senat nicht auf eine Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränken (vgl. auch BFH a.a.O., BStBl II 2005, 125).
b. Eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO 1977 könnte, wenn überhaupt möglich, jedenfalls nicht im anhängigen Klageverfahren wegen Festsetzung der Einkommensteuer des Klägers getroffen werden. Das Billigkeitsverfahren stellt gegenüber dem Festsetzungsverfahren ein gesondertes Verfahren dar, für das auch ein gesondertes Vorverfahren durchgeführt werden muss (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O.), das hier fehlt.
c. Eine Aussetzung des Ausgangsverfahrens nach § 74 FGO kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des BFH kann zwar eine Aussetzung des Klageverfahrens nach dieser Verfahrensvorschrift geboten sein, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen und keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung hat (BFH -Urteil vom 6.10.2004,BFH/NV 2005, 238; BFH-Beschlüsse vom 7.2.1992 III B 24,25/91 BStBl II 1992, 408; vom 25.8.1993, X B 32/93, BStBl II 1993, 797). Der Vorlagebeschluss des BFH vom 16.12.2003 (a.a.O.) stellt zwar ein solches nicht aussichtslos erscheinendes Musterverfahren dar.
Für den Senat ist aber schon nicht ersichtlich, dass zahlreiche Parallelverfahren vorliegen. In den vom BFM bekannt gegebenen Mitteilungen über Massenverfahren, in denen die Veranlagung vorläufig durchzuführen ist, ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Satz 1 EStG seit Jahren nicht mehr enthalten (BMF vom 27.6.2005 IV A 7 S o338 – 54/05, DB 2005, 1421 und vom 12.6.2003 IV D 2 S 0338 – 38/03, DB 2003, 1414).
Dem Kläger steht auch ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die umstrittene Frage der Verfassungsmäßigkeit zur Seite.
Der Kläger beruft sich neben der Verfassungswidrigkeit einer verbotenen Rückwirkung der Regelungen des § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und § 52 Abs.39 Satz 1 EStG darauf, dass das StEntlG 1999/2000/2002 formell verfassungswidrig sei, weil wegen der fortwährenden umfangreichen Änderungen des Gesetzentwurfs es schlechthin keinem Mitglied des Finanzausschusses möglich gewesen sei, die Änderungen zu lesen, geschweige denn zu würdigen. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, diese Frage an das BVerfG heranzutragen. Denn sie stellt sich als eine verfassungsrechtliche Vorfrage zu der Vorlagefrage des erkennenden Senats und auch der Vorlagefrage des BFH dar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Frage der formellen Verfassungswidrigkeit in den beim BVerfG anhängigen Verfahren bisher thematisiert worden ist.
Würde das BVerfG über die bei ihm anhängigen Vorlagebeschlüsse entscheiden, ohne auf das Problem der formellen Verfassungswidrigkeit ausdrücklich einzugehen, dann wäre es dem Kläger nicht mehr möglich, diese Frage an das BVerfG heranzutragen. Soweit das BVerfG gemäß der Vorlagefrage die Verfassungswidrigkeit wegen verbotener Rückwirkung ausspräche, käme es für das Ausgangsverfahren auf die formelle Verfassungswidrigkeit des StEntlG nicht mehr an, der Senat hätte der Klage stattzugeben. Soweit das BVerfG die Normen der §§ 23, 52 Abs.39 EStG für mit dem GG vereinbar erklärt, wäre der erkennende Senat an diese Entscheidung gebunden und müsste die Klage abweisen. Es wäre davon auszugehen, dass das BVerfG die Prüfung der formellen Verfassungswidrigkeit in seine Entscheidung einbezogen hat, auch wenn dies in den Entscheidungsgründen nicht erwähnt wäre. Nachträgliche tatsächliche oder rechtliche Veränderungen, die eine erneute Vorlage an das BVerfG nur noch ermöglichen würden (vgl. BVerfG – Beschluss vom 17.11. 1998 1 BvL 10/98, BStBl II 1999, 509), scheiden hier aus.
Hat ein Gericht mit einer zulässigen Vorlage i.S. des Art. 100 Abs.1 GG wegen der Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit einzelnen grundgesetzlichen Vorschriften das BVerfG angerufen, so ist die Rechtsfrage, über die das BVerfG nach § 81 BVerfGG zu entscheiden hat, stets, ob die zu prüfende Vorschrift insgesamt mit dem Grundgesetz vereinbar oder nicht vereinbar ist. Die Entscheidung kann nicht auf einen bestimmten Ausschnitt, auf einen bestimmten Artikel des GG oder auf die Vorlagefrage beschränkt werden. Auch wenn das Gericht nur die Frage vorlegt, ob das entscheidungserhebliche Gesetz mit einem bestimmten Artikel des GG's vereinbar ist, prüft und entscheidet das BVerfG bei einer zulässigen Vorlage, ob andere Vorschriften des GG's der Gültigkeit der zu prüfenden Vorschrift entgegenstehen. Anders als bei der Verfassungsbeschwerde ist bei der konkreten Normenkontrolle der Prüfungsmaßstab nicht auf einen bestimmten Ausschnitt des GG beschränkt, er kann weder von den Parteien des Ausgangsverfahrens noch von dem vorlegenden Gericht beschränkt werden. Das BVerfG selbst kann seine Prüfung nur auf einen bestimmten Ausschnitt beschränken, wenn es das Gesetz für unvereinbar mit dem GG hält, in diesem Fall kann es dahinstehen lassen, ob das Gesetz noch mit anderen Normteilen des GG's kollidiert. Dagegen setzt der Ausspruch, dass das Gesetz mit dem GG vereinbar ist, stets die Prüfung voraus, ob es insgesamt mit dem GG vereinbar ist (Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein /Bethge, Kommentar zum BVerfGG, Bd.2 § 80 Rdnr. 114 und § 81 Rdnr.7 m. w. Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG's). Die Tenorierung, dass das Gesetz mit dem GG vereinbar ist, deckt gesetzeskräftig die Vereinbarkeit mit dem GG insgesamt ab und setzt voraus und schließt ein, dass das BVerfG die Vereinbarkeit in diesem vollem Umfange geprüft hat (Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, a.a.O. § 81 Rdnr. 7). Das gilt auch für verfassungsrechtliche Vorfragen, von denen die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage abhängt (Ziemer/ Haarmann/Lohse/ Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, 6.Teil C, Art. 100 GG Tz. 11230; BVerfG, Entscheidung vom 26.10.1977 1 BvL 9/72, BVerfGE 46,268/2284; vom 1.3.1978 1 BvL 24/76, BVerfGE 48, 29/38; vom 12.1.1983 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1, 27).
Zum StEntlG 1999/2000/2002 sind derzeit drei gerichtliche Normenkontrollverfahren beim BVerfG anhängig, bei denen sich die Vorfrage stellt, ob dieses Gesetz wegen Mängeln im Gesetzgebungsverfahren formell verfassungswidrig ist (Vorlagebeschluss des FG Köln vom 25.7.2002 a.a.O. und Vorlageschluss des BFH vom 16.12.2003 a.a.O. zu § 23 Abs.1 S.1 Nr.1 S.1 und § 52 Abs.39 S. 1 EStG: Vorlagebeschluss des BFH vom 6.11.2002 XI R 42/01, BStBl II 2003, 257 zu den §§ 34, 39 b Abs.3 Satz 9, 52 Abs.1 Satz 2 und Abs.47 EStG), soweit das BVerfG die Vorlagefragen der Gerichte abschlägig bescheiden will.
II. Verfassungswidrige Rückwirkung
1.a. Nach der Überzeugung des vorlegenden Senats entfalten die §§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i. V. m. 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i. d. F. StEntlG 1999/2000/2002 eine verfassungsrechtlich nicht zulässige Rückwirkung und verstoßen dadurch gegen Artikel 20 Abs. 3 GG und Artikel 2 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG, der der Senat folgt, bedarf es vor dem Rechtsstaatprinzip des Artikel 20 Abs. 3 GG einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit angehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht und in seiner Freiheit erheblich gefährdet, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 10.03.1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 285; vom 08.06.1977 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 167 f. vom 14.05.1986 2 BvL 2/83 BVerfGE 72, 200, 257 f., vom 03.12.1997 2 BvR 882/97 BVerfGE 97, 67, 78). Der Staatsbürger muss die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dies gilt besonders auch im Steuerrecht. Hier orientiert sich der Bürger bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen an den jeweils geltenden Steuergesetzen. Er muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. Soweit Steuertatbestände an Handlungen anknüpfen, muss also die Rechtsfolge grundsätzlich bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich vorgesehen sein (BVerfG-Urteil vom 19.12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271).
b. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz stehen jedoch in einem Spannungsverhältnis zum Demokratieprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG). Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber kann beachtliche Gründe haben, bestehende Rechtslagen zu ändern, auch wenn er dabei auf Tatbestände einwirken muss, die sich in der Entwicklung befinden und die im Vertrauen auf eine bestehende günstige Rechtslage geplant wurden. Er wäre in seinen Dispositionsmöglichkeiten unvertretbar eingeengt, wenn eine Einwirkung auf bestehende Rechtsverhältnisse grundsätzlich unzulässig wäre. Der Bürger kann deshalb nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen, die er bisher mit Rücksicht auf bestimmte Tatsachen oder Umstände gewährt hat, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrecht erhält. Dies gilt auch für die Aufhebung von Freiräumen und die Erhebung zusätzlicher Steuern. Anderenfalls würde der zum Ausgleich zu bringende Widerstreit zwischen den aus Artikel 20 Abs. 3 GG folgenden Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes andererseits und dem aus Artikel 20 Abs. 1 GG folgenden Recht des Gesetzgebers auf Vornahme notwendiger Rechtsänderungen einerseits in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst und damit der dem Gesamtwohl verpflichtete demokratische Gesetzgeber in wichtigen Bereichen gegenüber Einzelinteressen gelähmt. Deshalb sind im Rahmen dieses Ausgleichs nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz beide Prinzipien größtmöglich zur Wirkung zu bringen (BFH-Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O., BStBl II 2004, 284 m. w. H. auf die Rechtsprechung des BVerfG).
c. Echte Rückwirkung
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG, der sich der vorliegende Senat anschließt, ist in diesem Zusammenhang zwischen der sogenannten echten Rückwirkung und der unechten Rückwirkung d. h. einer nur tatbestandlichen Rückanknüpfung zu unterscheiden.
aa. Eine echte Rückwirkung, die grundsätzlich unzulässig ist, liegt vor, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Rechtsfolgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Der Einzelne wäre in seiner Freiheit erheblich gefährdet, wenn die öffentliche Gewalt an seinem Verhalten im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen dürfte, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten. Belastende Steuergesetze – dazu gehören auch solche, die eine Vergünstigung einschränken oder aufheben – dürfen ihre Wirksamkeit daher grundsätzlich nicht auf bereits abgeschlossene Tatbestände erstrecken oder schützwürdiges Vertrauen ohne hinreichende Rechtfertigung anderweitig enttäuschen. Es ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (BVerfG-Beschluss vom 05.02.2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 32, 38 m. w. N.).
bb. Unter Beachtung dieser Grundsätze teilt der vorliegende Senat nicht die Auffassung des Klägers, dass im Streitfall eine echte Rückwirkung gegeben ist. Eine Rechtsnorm entfaltet eine echte Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm bestimmt, in welchem Zeitpunkt die Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung eintreten sollen. Grundsätzlich erlaubt die Verfassung nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen, „echte” Rückwirkung), ist grundsätzlich unzulässig (BVerfG-Beschluss vom 03.12.1997, 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 m. w. H.).
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1999 wirft keine Fragen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf. Die Norm bestimmt lediglich generell, in welchen Fällen die Veräußerung eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 22 Nr. 2 EStG ist. Der zeitliche Eintritt dieser Steuerpflicht ist in § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG geregelt. Danach ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1999 auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht. Der Anwendungsbereich der Vorschriften bezieht sich deshalb auch auf den Zeitraum 01.01.1999 bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 am 31.03.1999, also auf einen Zeitraum vor der Verkündung des Gesetzes. Darin liegt aber keine rückwirkende Änderung von nach der früheren Rechtslage bereits eingetretenen Rechtsfolgen, weil der gegen den Kläger gerichtete Einkommensteueranspruch, der aus dem Veräußerungsgeschäft resultiert, gemäß § 36 Abs. 1 EStG erst zum Ende des Veranlagungszeitraums am 31.12.1999 in der Form entsteht, als nach der im Einkommensteuerrecht gebotenen Saldierung von positiven und negativen Besteuerungsgrundlagen insgesamt ein Steueranspruch bestehen bleibt. Die Rechtsfolgen einkommensteuerlicher Bestimmungen, die die Steuerpflichtigkeit bestimmter Einkünfte regeln, treten in Bezug auf die veranlagte Einkommensteuer stets erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, im Regelfall also mit Ablauf des Kalenderjahres der Einkunftserzielung ein. Erst wenn eine nach Ablauf des Veranlagungszeitraums verkündete Norm mit Wirkung für den abgelaufenen Zeitraum eine ursprünglich geltende steuerliche Rechtsfolgenlage nachträglich ändert, handelt es sich um die Bewirkung einer Rechtsfolge. In allen anderen Fällen, in denen die Änderung noch während des Laufs des Veranlagungszeitraums verkündet wird, liegt lediglich eine Neubestimmung einer bislang noch nicht eingetretenen Rechtsfolge vor (der Senat folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des BVerfG z. B. BVerfG-Beschluss vom 14.05.1986 2 BvL 2/83, BStBl II 1986, 628, BVerfGE 72, 200). Der Besteuerungstatbestand des privaten Veräußerungsgeschäftes unterscheidet sich insoweit nicht von anderen steuerpflichtigen Geschäftsvorfällen, bei denen vielfach ebenfalls eine exakte zeitliche Einordnung möglich ist.
d. Unechte Rückwirkung
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG enthält jedoch i.V. mit § 52 Abs.39 Satz 1 EStG eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) insoweit, als die Anschaffung des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts zum Anknüpfungspunkt einer verschärften Einkommensteuerpflicht auch in solchen Fällen gemacht wird, in denen die Anschaffung bereits vor der Verkündung der Norm erfolgt war. Wie sich aus der Behaltensfrist von 10 Jahren ergibt, werden Veräußerungsvorgänge von der Bestimmung erfasst, die nach dem 31.12.1998 durchgeführt worden sind, bei denen die Anschaffung des Wirtschaftsgut nach dem 31.12.1988 erfolgt war.
aa. Die tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) betrifft nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung ins Werk gesetzt worden sind. Diese Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte, von denen der Betroffene bei der Verwirklichung des Steuertatbestandes Gebrauch gemacht hat. In die damit erforderliche grundrechtliche Bewertung fließen allerdings die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit aber auch der Verhältnismäßigkeit in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten im Hinblick auf Fragen des materiellen Rechts geschieht.
bb. Der Kläger hat durch Anschaffung des Grundstücksanteils von seiner durch Artikel 2 Abs. 1 GG geschützten wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit Gebrauch gemacht. Die rückwirkende Anknüpfung an einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt zur Begründung einer Steuerpflicht, auf die sich der Bürger nicht einstellen konnte, tangiert darüber hinaus das Rechtsstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 3 GG in den Ausprägungen des verfassungsrechtlichen Gebots der Rechtssicherheit, der Rechtsbeständigkeit und des rechtsstaatlichen Kontinuitätsgebots. Die tatbestandliche Rückanknüpfung ist im Streitfall dem gemäß an Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 3 GG zu messen. Die Rückanknüpfung an Anschaffungsvorgänge, die bis zu 10 Jahren zurückliegen, verstößt nach der Auffassung des vorliegenden Senats in den Fällen gegen Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 20 Abs. 3 GG, in denen – wie im Streitfall – am Stichtag 31.12.1998 die zuvor geltende Spekulationsfrist von 2 Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a. F.) bereits abgelaufen war. Der Senat schließt sich insoweit dem Vorlagebeschluss des BFH vom 16.12.2003 a.a.O. an.
e. Prüfungsmaßstab für den Vertrauensschutz
Regelungen mit unechter Rückwirkung sind nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich zulässig. Jedoch ergeben sich für den Gesetzgeber aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit verfassungsrechtliche Schranken, wobei Rechtssicherheit in erster Linie für den Bürger Vertrauensschutz bedeutet.
aa. Soweit die Finanzgerichte teilweise den Vertrauensschutz des Bürgers entfallen lassen, wenn die Veräußerung – wie dies im Streitfall gegeben ist – in den Zeitraum zwischen der Verabschiedung des StEntlG 1999/2000/2002 im Bundestag (Gesetzesbeschlusses vom 4.3.1999) und der Verkündung dieses Gesetzes am 31.3.1999 fällt (z.B. FG Münster vom 24.1.2003EFG 2004, 45; Vorlagebeschluß des FG Köln vom 25.7. 2002, EFG 2002, 1236), folgt der vorlegende Senat dieser Auffassung nicht. Die Frage, ob der Vertrauensschutz entfällt, weil der Steuerpflichtige mit einer Änderung der bestehenden Rechtslage rechnen musste und ab wann dies der Fall ist, betrifft nicht den hier zu entscheidenden Fall der unechten Rückwirkung oder tabestandlichen Rückanknüpfung, sondern sie stellt sich im Rahmen einer echten Rückwirkung (Schmidt/Bleibtreu/ Klein, GG, 9.Aufl. Art 20 Rdnr. 32). Wie bereits dargelegt, betrifft die echte Rückwirkung die zeitliche Anwendung eines neuen Gesetzes, wobei die Erstreckung der zeitlichen Anwendung des Gesetzes auf Zeiträume vor seiner Verkündung grundsätzlich nicht zulässig ist. Eine Ausnahme von dem Verbot der echten Rückwirkung hat das BVerfG aber dann angenommen, wenn die Vertrauensposition des Bürgers im Hinblick auf die zeitliche Anwendung eines Gesetzes nicht mehr schutzwürdig ist, weil ein Gesetzesvorhaben im Deutschen Bundestag bereits förmlich beschlossen worden ist und der Betroffene mit der Weitergeltung des alten Rechts nicht mehr rechnen kann. Das BVerfG hat deshalb die Erstreckung der Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung (echte Rückwirkung) auf den Zeitraum zwischen dem maßgeblichen Gesetzesbeschluss und der Verkündung des Gesetzes für zulässig gehalten (BVerfGE 72, 262 m.w.N.; 95, 64/87; 97, 67). Prüfungsmaßstab für den Vertrauensschutz des Bürgers war hier jedoch die zeitliche Anwendung des Gesetzes.
bb. Die unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung betrifft demgegenüber nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Prüfungsmaßstab sind hier vorrangig die Grundrechte, von denen der Steuerpflichtige bei seiner Disposition Gebrauch gemacht hat und das Vertrauen darauf, dass der Gesetzgeber grundrechtswidrige, entwertende Eingriffe in seine Rechtsposition unterlässt, mit denen er bei seinen Dispositionsentscheidungen nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 72, 175, 200). Das Vertrauen in die Beachtung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen wird nicht dadurch gegenstandslos, dass der Betroffene von einem gewissen Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren an damit rechnen muss, dass eine diese geschützte Rechtsposition entwertende Regelung Gesetz wird. Verschiedene Zeitpunkte im Gesetzgebungsverfahren haben deshalb für die Entscheidung des BVerfG's keine Rolle gespielt, soweit Gegenstand der Überprüfung nur die Überprüfung einer unechten Rückwirkung war (z.B. BVerfGE 72, 145 ff.; so zu Recht auch nicht für die Vorlage des BFH vom 16.12.2003 a.a.O.).
f. Vertrauensschutz
Das Vertrauen des Bürgers wird bei der unechten Rückwirkung namentlich enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff in seine grundrechtlich geschützte Rechtsposition vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also auch bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (BVerfG-Beschluss vom 28.11.1984 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287). Auch bei der tatbestandlichen Rückanknüpfung ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtsposition schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 37). Zwar kann der Bürger grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen und steuerliche Freiräume aufrecht erhält sowie von der Erhebung zusätzlicher Steuern absieht. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht soweit, dem Begünstigten vor jeder Enttäuschung seiner Erwartungen in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu bewahren; vielmehr müssen auf seiner Seite gewichtige zusätzliche Interessen angeführt werden können, die den öffentlichen Interessen vorgehen (BVerfG-Beschluss vom 28.11.1984 a.a.O.). Solche liegen hier jedoch vor.
aa. Maßgeblicher den Vertrauenstatbestand bildender Sachverhalt ist zunächst der Erwerb des Grundstücksanteils durch den Kläger. Damit hat dieser eine wirtschaftlich motivierte Disposition getroffen und hierbei das Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Artikel 2 Abs. 1 GG in Anspruch genommen. Im Zeitpunkt der Anschaffung hat der Kläger auf die Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG 1990 vertraut. Die Frage der steuerlichen Behandlung späterer Veräußerungsgewinne war bereits bei Anschaffung des Grundstücksanteils von erheblicher Bedeutung. Nach der Rechtsprechung des BFH ist dem Grunde nach stets von einer zumindest bedingten Absicht des Steuerpflichtigen auszugehen, ein angeschafftes Grundstück wieder zu veräußern (BFH-Beschluss vom 10.12.2001 GrS 1/98, BStBl II 2002, 291). Die Steuerfreiheit eines Veräußerungsgewinns ist neben den Mieterträgen und anderen steuerlichen Begünstigungen für die Renditeberechnung bei einem Grundstückserwerb von besonderer Bedeutung.
Das Vertrauen des Klägers auf das Weiterbestehen der früheren 2-jährigen Spekulationsfrist ist schon aufgrund des Umstandes, dass diese Rechtslage bei Anschaffung des Grundstücks bereits Jahrzehnte lang Geltung beanspruchte (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1925 RGBl I 1925, 189), besonders schutzwürdig. Ist eine gesetzliche Regelung seit Jahrzehnten maßgebend, ist das Vertrauen darauf, dass diese Regelung jedenfalls nicht ohne Übergangsvorschrift fortfallen wird, besonders fest gegründet (BVerfG-Beschluss vom 12.02.1986 1 BvL 39/83, BVerfGE 72, 9, 24). Auch im BVerfG-Beschluss vom 08.03.1983, 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312, hat das Gericht die Existenz einer vom Gesetzgeber geschaffenen Übergangsregelung als entscheidungserheblich in seine Betrachtungen einbezogen.
bb. Das Vertrauen des Klägers ist im Streitfall außerdem entscheidungserheblich verstärkt. Nach Ablauf der früheren Spekulationsfrist von 2 Jahren spätestens im Jahr 1996 hat er das Grundstück noch bis in das Jahr 1999 behalten. Das Unterlassen der Veräußerung stellt als sogenannte Portofolioentscheidung (vgl. Kirchhoff, DStR 2003, Beiheft 5 zu Heft 37, Seite 3) eine Disposition im Vertrauen auf die alte Rechtslage dar, auch wenn dadurch eine Steuerentstrickung im eigentlichen Sinne nicht eingetreten ist.
Der Ablauf der „Spekulationsfrist” von 2 Jahren nach altem Recht hat einen Vertrauenstatbestand ausgelöst, der einer steuerlichen Entstrickung sehr ähnlich ist (vgl. Reimer, DStZ 2001, 725; Urban, Die Information über Steuer und Wirtschaft – Inf. – 1999, 389; Paus, Inf. 1999, 513). § 23 Abs.1 S.1 Nr. 1 a.F. EStG stellte eine belastende Ausnahme von dem sich aus der Regelung des § 2 Abs.1 und Abs.2 EStG ergebenden Grundsatz dar, dass Wertzuwächse im Privatvermögen der Einkommen -steuer nicht unterliegen. Diese Ausnahme stand unter der Bedingung, dass diese Wertzuwächse innerhalb von 2 Jahren seit der Anschaffung durch Veräußerung realisiert wurden. Trat diese Bedingung nicht ein, stand nach § 23 Abs.1 Satz 1 Nr.1 a EStG a.F. fest, dass das Grundstück von Anfang an dem steuerfreien Bereich zuzurechnen war. Wie bei einer steuerlichen Entstrickung konnte der Betroffene nach 2 Jahren davon ausgehen, künftig durch Veräußerung realisierte Wertsteigerungen steuerfrei vereinnahmen zu können.
cc. Die Regelung des § 23 Abs.1 Nr.1 EStG a.F. entsprach in ihren objektiven Wirkungen auch einer steuerlichen Lenkungsnorm, bei denen die Dispositionsbedingungen vom Tag der Dispositionsentscheidung an zu einer schutzwürdigen Vertrauensgrundlage werden (BVerfGE 97, 67,80: 105, 17,40; Beschluss vom 3.7.2002 1 BvR 382/01, DB 2001, 1650). Die alte „Spekulationsfrist” von 2 Jahren bot einen Anreiz ein Grundstück länger zu behalten und wirkte damit der Grundstücksspekulation entgegen, wenn eine Spekulationsabsicht auch nicht erforderlich war.
dd. Das FG Köln hat in seinem Vorlagebeschluss vom 25.07.2002 (13 K 460/01, EFG 2002, 1236) zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Veräußerung eines im Privatvermögen befindlichen Grundstücks nicht um einen Dauersachverhalt handelt, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und dessen Verwirklichung daher gleichsam zwangsläufig mit dem Risiko einer sich verschlechternden steuerlichen Rechtslage verknüpft ist. Vielmehr handelt es sich bei dem die Besteuerung auslösenden Veräußerungsgeschäft um einen einmaligen Vorgang, dessen steuerliche Folgen sich in der einmaligen Erfassung eines ggf. steuerpflichtigen oder steuerfreien Veräußerungsgewinns erschöpfen. Nach Ablauf der Frist von 2 Jahren konnte der Kläger davon ausgehen, dass Grundstück nunmehr zu veräußern, ohne dass der Gewinn steuerpflichtig war. Derjenige, bei dem eine günstige Steuerrechtslage nach dem bisher geltenden Recht bereits eingetreten war, verdient einen höheren Vertrauensschutz als derjenige, der diese günstige Rechtswirkung erst für die Zukunft erwartet (BFH-Vorlagebeschluss vom 16.12.2003 a.a.O.; BVerfG-Beschluss vom 14.10.1970, 1 BvR 753/68 und 695, 696/70, BVerfGE 29, 245, 259; BFH-Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O.; Senatsurteil vom 27.6.2003 14 K 6718/02).
ee. Das Vertrauen des Klägers auf einen Fortbestand der 2-jährigen Spekulationsfrist ist auch durch eine Äußerung der Bundesregierung aus dem Jahr 1996 bestärkt worden, man wolle an der bisherigen Rechtslage festhalten (BT-Drucksache 13/3446, Seite 12 zu Frage 19). Hieran haben die in den Jahren 1995 und 1997 unternommenen Versuche, die Spekulationsfrist für Grundstücke auf 7 Jahre (BT-Drucksache 13/1686, Seite 39 f.) oder auf 10 Jahre zu verlängern (BT-Drucksache 13/7480 vom 22.04.1997, Seite 38, 91 mit Begründung auf Seite 198, 210) nichts geändert, denn diese Versuche sind gescheitert. Die jeweiligen Gesetzgebungsverfahren haben jedoch bestätigt, dass die bisherige Rechtslage unverändert bleiben sollte BFH-Beschluss vom 16.12.2003 a.a.O.).
ff. Im Streitfall konnte sich der Kläger auch nicht einfach der Besteuerung dadurch entziehen, dass er den Ablauf der neuen Veräußerungsfrist abwartete. Diese wäre frühestens am 21.6.2001 abgelaufen, so dass der Kläger noch mehr als zwei Jahre hätte warten müssen. Auch wenn d