26.10.2009
Finanzgericht Berlin: Urteil vom 15.10.2003 – 2 K 2134/01
Für den Nachweis der beruflichen Veranlassung einer Sprachreise ins Ausland ist die Vorlage eines streng organisierten Unterrichtsprogramms unabdingbare Voraussetzung.
Tatbestand
Die Klägerin ist Berufsschullehrerin im Oberstufenzentrum xxx bildet dort xxxxxxxx unter anderem im Fach Englisch aus und erstrebt einen Hochschulabschluss im Fach Englisch an der Humboldt- Universität Berlin -HUB-. Sie machte in ihrer Einkommensteuererklärung Werbungskosten für eine Dienstreise nach Großbritannien zum Besuch eines Sprachkurses an der „B. Language School” in Höhe von 10 067,00 DM geltend (Fahrtkosten, Spesen für Übernachtung, Verpflegung, Parken und Versicherungen). Die Studienreise diente nach Angaben in der Steuererklärung „sowohl der Vorbereitung des Staatsexamens als auch der Verbesserung der täglichen Unterrichtsqualität”.
Der Beklagte erkannte diese Werbungskosten nicht zum Abzug an, sodass die Klägerin nach Abschluss des insoweit erfolglos gebliebenen Vorverfahrens - in dem der Beklagte die reinen Kursuskosten in Höhe von 2 275,00 DM als Werbungskosten anerkannt hat - in ihrer Klage vorträgt: Die Prüfungsordnung für Englischlehrer fordere „sichere Sprachkenntnisse mit einer zur Gewohnheit gewordenen britischen oder amerikanischen Aussprache und Intonation”. Der auf zukünftige Englischlehrer ausgerichtete Fachkurs habe 20 Wochenstunden zu je fünf Stunden täglich zu festgelegten Zeiten zwischen 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr, 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr und 12.00 Uhr bis 17.00 Uhr umfasst; weitere zehn Stunden seien für unbeaufsichtigte Arbeitsstunden vorgesehen gewesen (so der Schriftsatz vom xx. Juni 2001). Einen Stundenplan, zum Beispiel Montag 8.00 Uhr bis 9.30 Uhr essay writing, Mr. Gxxxxx.; 9.45 Uhr bis 11.00 Uhr ... habe es in dieser Form nicht gegeben. Der Kurs sei bedarfsorientiert ausgerichtet gewesen an dem zu erlernenden Ziel. Gearbeitet worden sei anhand der Vorkenntnisse der Schüler (Placement-Test) auf ein klar strukturiertes zu erlernendes Ziel hin (so der Schriftsatz vom xx. Juni 2003). Darüber hinaus habe es Exkursionen nach Oxford und Stratford-upon-Avon gegeben. Anwesenheitstestate besitze sie nicht, da diese schulintern geführt worden seien und ihres Wissens nach Durchführung der Schulung vom Veranstalter nicht aufbewahrt worden seien. Noch drei Jahre nach dem Kurs habe der Veranstalter im Schreiben vom xx. November 2001 substantiierte Aussagen zu ihrer Motivation, Persönlichkeit und ihrer besonderen Leistungsbereitschaft machen können. Dies weise ihre Teilnahme nach. Sie lege alle vier Klausuren nebst Korrekturen vor und den zu Beginn des Kurses auszufüllenden Fragebogen, der zur Einschätzung der Schüler und Ermittlung ihrer Vorkenntnisse gedient habe.
Die eintägige Exkursion nach Oxford habe am xx. August 1998 stattgefunden, dem Besuch und einer Führung durch die Universität und dem Studium landeskundlicher Besonderheiten gegolten. Gleiches gelte für den abendlichen Theaterausflug nach Stratford am xx. August 1998 mit Besuch eines Skakespearestückes. Anlässlich dieser Fahrten habe sie drei nicht zu ihrem Kurs gehörende Schüler der Schule in ihrem Wagen mitgenommen. Sie habe die Schule täglich besucht und glaube sich zu erinnern, dort von 8.00 Uhr bis 8.30 Uhr mit Einschluss einer Mittagspause im Schnitt bis zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr anwesend gewesen zu sein. Auf welche Tage und Zeiten die zwanzig Kurswochenstunden verteilt gewesen seien, wisse sie nicht mehr. Jedenfalls habe sie die nicht durch den Kurs beanspruchte Zeit mit eigenen Vorbereitungs- und Nacharbeiten ausgefüllt.
Der Kurs sei auf ihre besonderen beruflichen Bedürfnisse zugeschnitten gewesen und ihre Teilnahme daher objektiv durch die besonderen beruflichen Gegebenheiten veranlasst.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Bescheides vom xx. Mai 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx. März 2001 die Einkommensteuer 1998 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 10 067,00 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen
und erwidert: Die Voraussetzungen eines Werbungskostenabzugs seien nicht gegeben. Allein die Teilnahmebescheinigung reiche nicht aus, um dem geforderten Nachweis zur tatsächlichen Durchführung einer Sprachreise zu genügen. Die Fahrt mit dem eigenen Pkw indiziere darüber hinaus eine private Mitveranlassung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Steuerund Streitakten verwiesen.
Mit Beschluss vom xx. September 2003 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
Dem Gericht hat ein Band Einkommensteuerakten des Beklagten zu Steuernummer xxxxxxx vorgelegen.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom xx. Mai 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx. März 2001 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-), da der Beklagte die geltend gemachten Aufwendungen zu Recht nicht zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugelassen hat.
Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz -EStG- Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, d. h., es gehören hierzu diejenigen Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind (Schmidt/Drenseck, EStG, 22. Aufl., § 9 Rz. 2 ff.), wenn ein objektiver Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit (hier der Arbeit als Berufsschullehrerin) besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung dieser einkommensteuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Der objektive Zusammenhang ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Aufwendungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit stehen. Werden die Aufwendungen teilweise auch für Zwecke der privaten Lebensführung getätigt, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, greift das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- führen Aufwendungen für Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen als auch dem Bereich der privaten Lebensführung angehören können, lediglich dann zu abziehbaren Werbungskosten, wenn die Reise ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen wird und damit die Verfolgung privater Interessen wie zum Beispiel Erholung, Bildung, Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und seiner tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist. Anderenfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf veranlasster Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lässt (BFH in Bundessteuerblatt -BStBl- II 1992, 898, 1991, 92). Nur insoweit kann der Grundsatz der Einheitsbetrachtung, der den vorstehenden Überlegungen zugrunde zu legen ist, unterbrochen werden.
Auch wenn der BFH diese bisher einschränkende Rechtsprechung zu Studienreisen zwischenzeitlich gelockert hat (Schmidt/Drenseck, a. a. O., EStG § 12 Rz. 25, Stichwort: Sprachkurs), kann die Klage keinen Erfolg haben, da die Klägerin den das Gericht überzeugenden Nachweis einer weitaus überwiegenden beruflichen Veranlassung der Sprachreise nicht erbracht hat.
Die Klägerin begehrt die Festsetzung einer niedrigeren Einkommensteuer. Sie trägt daher einen Sachverhalt vor, der sie begünstigt. Nach den Regeln der objektiven Feststellungslast obliegt der Klägerin daher die Feststellungslast für diejenigen Tatsachen, die diesen Anspruch auf niedrigere Einkommensteuerfestsetzung in ihrer Rechtspersönlichkeit begründen (Schmidt/Drenseck, a. a. O., EStG § 9, Rz. 190).
Dieser allgemeinen Feststellungslast genügt ein Steuerpflichtiger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht des § 90 Abs. 1 Abgabenordnung -AO-, nach dem er die steuerlich erheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß offen legen und die ihm zumutbaren Beweismittel benennen und beibringen muss. Der Umfang dieser Mitwirkungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und hängt damit ab von der Gewichtigkeit und Auswirkung der zur Entscheidung stehenden Tat- und Rechtsfragen. Eine Mitwirkungspflicht wird umso umfangreicher sein, je schwieriger, ausufernder, verworrener und undurchsichtiger sich die als steuerlich relevant behaupteten Verhältnisse darstellen und auf diese Weise ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines behaupteten Geschehensablaufs bestehen. Darüber hinaus greift im Streitfall § 90 Abs. 2 AO ein, der an den Nachweis besonders strenge Anforderungen stellt, soweit es sich um steuerlich relevante Sachverhalte handelt, die außerhalb des Geltungsbereiches der Abgabenordnung verwirklicht worden sind.
Zweifel an einer ausschließlichen beruflichen Veranlassung der Reise liegen allein schon darin begründet, dass es bezüglich der zeitlichen Durchführung des Kurses, der damit einhergehenden Teilnahme der Klägerin an ihm zu ganz bestimmten Zeiten und der Zeiten der eigenen Vorbereitungsarbeiten nicht deckungsgleiche Einlassungen der Klägerin gibt. So hat sie im außergerichtlichen Vorverfahren im Schreiben vom xx. August 2000 er ... - 7 - klärt, dass zwanzig Wochenstunden zeitlich festliegender Unterricht in den Zeiten von 9.00 Uhr bis 12.30 Uhr und 13.30 Uhr bis 17.00 Uhr sowie geplante zehn Stunden Vorbereitung vorgesehen waren. Demgegenüber hat sie sich im Klageverfahren schriftsätzlich am xx. Juni 2001 dahingehend eingelassen, dass der Fachkurs zwanzig Wochenstunden zu je fünf Stunden täglich umfasst hat und diese zu den festgelegten Zeiten zwischen 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr, 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr und 12.00 Uhr bis 17.00 Uhr stattgefunden haben, wohingegen sie sich in der mündlichen Verhandlung zu erinnern meinte, ihre Schulbesuche täglich um 8.00 Uhr bis 8.30 Uhr begonnen zu haben und im Schnitt bis 16.00 Uhr oder bis 17.00 Uhr geblieben zu sein. Bei einer solchen Vielfalt der Darstellung eines nur einmalig abgelaufenen historischen Geschehensablaufs ist nicht mit endgültiger, das Gericht überzeugender Gewissheit festzustellen, wie sich der tatsächliche Geschehensablauf wirklich abgespielt hat. Bei Berücksichtigung des Vortrags im Vorverfahren wären täglich insgesamt sechs - unter Ansatz einer insgesamt einstündigen Pause zwischen den beiden Vormittags- und Nachmittagsblöcken - Kursstunden zu absolvieren. Das wären bei täglichem Unterricht von Montag bis Freitag dreißig Kursstunden, wohingegen nach der schulischen Bestätigung lediglich zwanzig Kursusstunden angeboten worden waren. Bei Berücksichtigung des schriftsätzlichen Vortrags im Klageverfahren hätte es insgesamt fünfundzwanzig Kursstunden gegeben, ein Ergebnis, das ebenfalls nicht der Bestätigung des Veranstalters entspricht.
Unter Berücksichtigung des von der Schule bestätigten Zeitbedarfs von insgesamt dreißig Wochenstunden erscheint es bei einem nunmehr in der mündlichen Verhandlung eingeräumten Studienbeginn zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr und unter Einräumung einer einstündigen Mittagspause nicht ausgeschlossen, dass das Ende der täglichen Schulbesuche auf den frühen Nachmittag gegen 15.00 Uhr bis 15.30 Uhr gefallen ist, sodass der Klägerin durchaus noch hinreichend Zeit verblieben ist, individuelle, nicht beruflich bedingte Bedürfnisse zu befriedigen.
Da kein von der Lehranstalt zeitbezogener Unterrichtsplan vorgelegt werden konnte - es wäre verwunderlich, wenn es einen solchen nicht gegeben hat, denn allein schon die Lehrkräfte mussten doch darüber informiert gewesen sein, zu welchen Zeiten genau sie ihre Kursusstunden zu geben hatten -, aus dem sich die tatsächlichen Lehrgangs- und Stundenabläufe hätten erschließen lassen, geht diese Ungewissheit zulasten der Klägerin. Nach dem Vortrag der Klägerin ist ein streng organisiertes Unterrichtsprogramm nicht zu erkennen. Dieses ist jedoch unabdingliche Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung einer derartigen Sprachreise.
Ein weiterer Aspekt privaten Einschlags der Studien- und Fortbildungsreise sind die beiden Exkursionen nach Oxford und Stratford upon Avon. Wenngleich auch beide Ausflüge von der Schule organisiert worden sind, so ist ein Besuch der berühmten Universitätsstadt Oxford und ein Theaterabend an historischer Stätte Shakespeareschen Wirkens auch der Sphäre der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse zuzurechnen.
Dass auch die Klägerin nicht beruflich veranlasste Aufwendungen gleichwohl dem beruflichen Bereich zuordnet, zeigt der - wenn auch sehr geringe - Pkw-Aufwand für die Mitnahme der drei Schüler nach Oxford und Stratford upon Avon. Diese Personen waren keine Kursteilnehmer im Kurs der Klägerin und standen daher in keiner beruflichen veranlassten Verbindung mit der Klägerin. Auch wenn die Klägerin nicht zu dem Personenkreis steuerrechtlich ausgebildeter Menschen gehört, sondern die Behandlung von Mitfahreraufwand einem steuerrechtlichen Leitfaden entnommen hat, musste es ihr als Lehrerin bewusst gewesen sein, dass diese 0,09 DM/km nicht ihrer beruflichen Sphäre angehören, sondern die Erlaubnis der Mitfahrt ein rein persönlich bedingtes mitmenschliches Entgegenkommen dargestellt hat.
Da der Nachweis der beruflichen Veranlassung der Sprachreise nicht erbracht worden ist, konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Den Streitwert hat das Gericht in Anlehnung an die Sachanträge der Beteiligten gemäß §§ 25, 13 Gerichtskostengesetz -GKG- in Höhe des von der Klägerin angegebenen wirtschaftlichen Interesses bestimmt.