29.09.2009
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 25.06.2009 – 4 K 141/07
Ein Anspruch auf Mineralölsteuererstattung für Flüge zu eigenbetrieblichen Zwecken (sog. Werkverkehr) folgt unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 b der Richtlinie Nr. 2003/96.
Zu den begünstigten Flügen gehören auch sog. Werftflüge, sofern das Luftfahrzeug ausschließlich zu eigenbetrieblichen (kommerziellen) Zwecken eingesetzt wird.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Mineralölsteuererstattung für Luftfahrtbetriebsstoffe.
Die Klägerin führt mittels eines Hubschraubers Krankentransporte gegen Entgelt durch. Hinsichtlich der dabei verwendeten Betriebsstoffe erstattet der Beklagte die Mineralölsteuer. Daneben hat sie das Flächenflugzeug A von der Firma B auf unbestimmte Zeit gemietet. Mit diesem verfolgt sie eigenbetriebliche Zwecke wie den Transport von Hubschrauberpiloten und Ärzten oder von medizinischen Ersatz- und Austauschteilen. Daneben wird das Flugzeug auch zu privaten Flügen genutzt. Sämtliche Kosten für den Betrieb des Flächenflugzeuges sind auf der Grundlage einer Vollkostenrechnung bei der Preisfindung und den Verhandlungen mit den Kostenträgern für die Hubschrauberflüge einkalkuliert. Ein Teil der Umsatzerlöse aus den Hubschrauberflügen deckt die Kosten der Flüge des Flächenfahrzeuges. Eine Betriebsgenehmigung als Luftfahrtunternehmen nach nationalem oder europäischem Recht besitzt die Klägerin nicht.
Im Dezember 2006 beantragte sie eine Mineralölsteuervergütung in Höhe von 1.807,31 € für das im Rahmen der eigenbetrieblichen Flüge des Flächenflugzeugs im Jahre 2005 verbrauchte Flugzeugbenzin von 3.128,07 Litern. Mit Entscheidung vom 22.03.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab.
Fristgerecht legte die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein, den der Beklagte mit Entscheidung vom 11.06.2007 zurückwies.
Mit am 27.06.2007 bei Gericht eingegangener Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der begehrte Vergütungsanspruch folge aus § 50 Abs. 1 MinöStV i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a) MinöStG i. V. m. Art. 8 der Richtlinie 92/81 EWG des Rates vom 19.10.1992. Unter Bezugnahme auf die zur „Schifffahrt” im Sinne des Art. 8 der Verbrauchsteuerstrukturrichtlinie ergangene Rechtsprechung genüge es für den Anspruch auf Steuervergütung, dass die Klägerin das Flugzeug zu kommerziellen Zwecken genutzt habe. Die Klägerin nutze den Kraftstoff für kommerzielle Zwecke, nämlich zur Verringerung der direkten und indirekten innerbetrieblichen Transportkosten ihres eigenen gewerblichen Betriebs. Dass sie über keine Betriebsgenehmigung als Luftfahrtunternehmen verfüge, sei unerheblich, da die von ihr mit dem Flächenflugzeug ausschließlich im Werksverkehr durchgeführten Flüge keiner luftverkehrsrechtlichen Genehmigung bedürften.
Zudem verletze der Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 Grundgesetz, da er eine Steuervergütung für die kommerzielle Luftfahrt, die nicht Hauptzweck eines Unternehmens sei, verweigere, im Bereich der Schifffahrt jedoch jede kommerzielle Schifffahrt ausreichen lasse, auch wenn diese nicht der Hauptzweck des Unternehmens sei.
Der Wortlaut des § 4 MinöStG verstoße gegen die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Verbrauchsteuerstrukturrichtlinie. Anstatt eine Steuerbefreiung für jede Form von kommerzieller Luftfahrt zu gewähren, mache das deutsche Recht die Steuerbefreiung vom Betrieb gewerblicher Luftfahrt als Hauptzweck eines Unternehmens abhängig.
Der nationale Gesetzgeber habe die Steuerbefreiung auch nicht nach Art. 14 Abs. 2 der Energiesteuerrichtlinie auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte beschränkt. Dieses Wahlrecht sei von ihm nicht ausdrücklich ausgeübt worden. Ohne jeden Anhaltspunkt im Gesetzestext könne nicht fiktiv unterstellt werden, der Gesetzgeber habe zu Lasten der Steuerpflichtigen europarechtlich konforme Wahlmöglichkeiten ausgeübt, die er in Wirklichkeit nicht ausgeübt habe. Andernfalls sei fraglich, warum der Beklagte über den Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 03.12.2002 (III A 1 - V-0353 - 1/02) Arbeitsflüge für Luftbildaufnahmen und Vermessungsflüge, die praktisch ausschließlich über nationalem Territorium ausgeführt würden, von der Mineralölsteuer befreie.
Der Erstattungsanspruch umfasse auch die im Jahr 2005 durchgeführten Werftflüge, bei denen 134,63 Liter Kraftstoff verbraucht worden und eine Mineralölsteuer in Höhe von 97,07 € angefallen sei. Aus Art. 15 Abs. 1 Buchstabe j) der Energiesteuerrichtlinie folge nicht, dass Flüge von und zur Werft von der Steuerbefreiung gem. Art. 14 der Energiesteuerrichtlinie ausgenommen seien. Über diese Vorschrift werde den Mitgliedstaaten eingeräumt, weitere Verwender, nämlich die keine Luftfahrt betreibenden Luftwerften, im Rahmen ihrer Tätigkeiten von der Mineralölsteuer zu befreien. Der begehrte Erstattungsbetrag habe sich aufgrund von Rundungsdifferenzen geringfügig gegenüber der anfangs beantragten Summe erhöht.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.06.2007 zu verpflichten, an die Klägerin 1.808,54 € Mineralölsteuer zu vergüten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nur Luftfahrtunternehmen mit einer luftfahrtrechtlichen Betriebsgenehmigung kämen in den Genuss der Steuervergütung. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich auch nicht aus den Erlassregelungen des Bundesfinanzministeriums. Die Klägerin führe keine gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Sachen oder die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch. Ihre Flüge seien betriebsbedingt und unentgeltlich.
Art. 14 Abs. 2 der Energiesteuerrichtlinie eröffnet die Möglichkeit, die vorgesehene Steuerbefreiung auf internationale und innergemeinschaftliche Transporte zu beschränken. Dies bedeute, dass die Energiesteuerrichtlinie hinsichtlich der Ausgestaltung einer Steuerbefreiung oder Besteuerung der nationalen Luftfahrt keine rechtlichen Vorgaben mache. Die energiesteuerrechtlichen Regelungen des Luftverkehrs der einzelnen Mitgliedstaaten müssten deshalb, soweit sie innerstaatliche Flüge betreffen, nicht in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2003/96/EG stehen, sondern ständen in der Gestaltungsfreiheit der Mitgliedsstaaten. § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG und § 50 MinöStV seien deshalb richtlinienkonform. Die Klägerin habe im beantragten Vergütungszeitraum nur Flüge innerhalb Deutschlands durchgeführt.
Art. 14 Abs. 2 der Energiesteuerrichtlinie sei nicht dahingehend zu verstehen, dass der Gesetzgeber nur ein strenges Wahlrecht im Sinne einer Beschränkung der Steuerbefreiung auf innergemeinschaftliche und internationale Transporte und des damit korrespondierenden vollkommenen Wegfalls der inländischen Steuerbefreiung auf der einen Seite und der umfassenden Zulassung von Steuerbefreiungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie auf der anderen Seite habe. Die Vorschrift sei vielmehr so auszulegen, dass sie dem Gesetzgeber eine flexible Beschränkung der inländischen Steuerbefreiung ermögliche. Die auch im 9. Erwägungsgrund der Richtlinie erwähnte Flexibilität ermögliche es, § 4 Abs. 1 Nr. 3 a) MinöStG auf inländische Sachverhalte einschränkend anzuwenden, selbst wenn diese Sachverhalte von der Befreiung gem. Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie erfasst wären.
Die mit dem Flächenflugzeug erbrachten Flüge dienten lediglich der Vorbereitung der Krankentransporte und seien nicht von der Luftrettung eingeschlossen, welche die Klägerin nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) MinöStG begünstige. Die Begünstigung sei auf das Fluggerät beschränkt, mit dem die Luftrettung ausgeübt werde. Der unternehmerische Charakter für den Krankentransport werde nicht bestritten, jedoch erfolgten die Flüge nicht in der kommerziellen zu begünstigten Luftfahrt, sondern im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit für die Belange des Krankentransportes.
Die Sachakten des Beklagten haben vorgelegen.
Gründe
I. Die zulässige Klage hat überwiegenden Erfolg.
Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, da sie einen Anspruch auf Erstattung der Mineralölsteuer hat, soweit diese für den im Rahmen ihres Werksverkehrs verbrauchten Kraftstoff angefallen ist (hierzu unter 1.) Dagegen unterliegen die Werftflüge des Flächenflugzeugs zu Instandhaltungs- und Reparaturzwecken nicht der Steuerbefreiung (hierzu unter 2.)
1. Der Erstattungsanspruch der Klägerin folgt unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 b) der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283 v. 31.10.2003, S. 51-70; im Folgenden: RL Nr. 2003/96).
Zwar bedarf eine Richtlinienvorschrift gem. Art. 249 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EG - zu ihrer Anwendbarkeit grundsätzlich erst der Umsetzung in nationales Recht. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich der Einzelne jedoch in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Art. 14 Abs. 1 b) der RL 2003/96 ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau (vgl. zu Art. 14 Abs. 1 a) der RL Nr. 2003/96: EuGH, Urteil vom 17.07.2008, Rs. C-226/07, ZfZ 2008, 270).
Der nationale Gesetzgeber hat die Energiesteuerrichtlinie im Bereich der Luftfahrt nur unzulänglich umgesetzt. Das deutsche Mineralölsteuerrecht gewährt für das Jahr 2005 Steuerbefreiungen nur Luftfahrtunternehmen, obwohl nach Art. 14 Abs. 1 b) der RL 2003/96, dessen Umsetzungsfrist am 31.12.2003 endete, nicht nur diesen Unternehmen, sondern der „Luftfahrt” Steuerbefreiungen einzuräumen sind (hierzu unter a.). Die Flüge der Klägerin im Rahmen des Werkverkehrs unterliegen dieser durch die Richtlinie vorgegebenen Steuerbefreiung (hierzu unter b.)
a. Das nationale Mineralölsteuerrecht beschränkt Mineralölsteuererstattungen nach seinem eindeutigen Wortlaut auf Luftfahrtunternehmen, ohne insoweit einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich zu sein (vgl. dazu FG Hamburg, Urteil vom 13.05.2009, Az. 4 K 157/08, zur Veröffentlichung in Juris vorgesehen). Nach § 50 Abs. 1 Mineralölsteuerdurchführungsverordnung (MinöStV) in der vom 01.01.2000 bis zum 31.07.2006 gültigen Fassung wird die Steuer für Luftfahrtbetriebsstoffe Luftfahrtunternehmen und Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 des MinöStG auf Antrag erstattet oder vergütet, die sie im Steuergebiet versteuert bezogen und für steuerfreie Flüge verwendet haben. Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 MinöStG in der vom 01.01.2003 bis 31.07.2006 gültigen Fassung darf Mineralöl vorbehaltlich des § 12 MinöStG steuerfrei verwendet werden als Luftfahrtbetriebsstoff von
a) Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Sachen oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen und
b) in Luftfahrzeugen von Behörden und der Bundeswehr für dienstliche Zwecke sowie der Luftrettungsdienste für Zwecke der Luftrettung.
Dabei stellt das nationale Recht (vgl. z. B. § 18 Abs. 2 Nr. 5 a) MinöStV) auf die Regelungen des Luftverkehrsgesetzes (in der ab dem 01.09.2002 gültigen Fassung; im Folgenden: LuftVG) ab, insbesondere auf dessen § 20 Abs. 1 S. 1, der lautet:
„Juristische oder natürliche Personen sowie Personenhandelsgesellschaften bedürfen für 1. gewerbsmäßige Rundflüge in Luftfahrzeugen, mit denen eine Beförderung nicht zwischen verschiedenen Punkten verbunden ist, 2. die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen mit Ballonen einer Betriebsgenehmigung (Luftfahrtunternehmen). Der Genehmigungspflicht unterliegt auch die nichtgewerbsmäßige Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht mit Luftfahrzeugen gegen Entgelt.”
Gem. § 20 Abs. 4 LuftVG bedürfen Luftfahrtunternehmen, die dem Luftverkehrsrecht der Europäischen Gemeinschaft unterliegen, zur Beförderung von Fluggästen, Post oder Fracht im gewerblichen Flugverkehr einer Betriebsgenehmigung gemäß Artikel 3 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen vom 23. Juli 1992 (ABl. EG Nr. L 240 S. 1).
Nach Art. 2 b) und c) dieser Verordnung ist ein „Luftfahrtunternehmen” ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung und eine „Betriebsgenehmigung” eine Genehmigung, die einem Unternehmen vom zuständigen Mitgliedstaat erteilt wird und das Unternehmen je nach den Angaben in der Genehmigung berechtigt, Fluggäste, Post und/oder Fracht im gewerblichen Luftverkehr zu befördern.
Dagegen haben die Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 1 b) der RL Nr. 2003/96 über die allgemeinen Vorschriften für die steuerbefreite Verwendung steuerpflichtiger Erzeugnisse gemäß der Richtlinie 92/12/EWG hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch festlegen, Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der Steuer zu befreien. Im Sinne der Richtlinie ist unter der „privaten nichtgewerblichen Luftfahrt” zu verstehen, dass das Luftfahrzeug von seinem Eigentümer oder der durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigten natürlichen oder juristischen Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder für behördliche Zwecke genutzt wird.
Bei der Auslegung des unbestimmten Begriffs der „Luftfahrt” ist die Rechtsprechung des EuGH zur Mineralölsteuerbefreiung im Bereich der „Schifffahrt” und die damit verbundene Auslegung der RL Nr. 2003/96 von Bedeutung. Diese lässt sich übertragen bzw. sinngemäß heranziehen. Der Befreiungstatbestand der „Schifffahrt” ist in Art. 14 Abs. 1 c) der RL Nr. 2003/96 geregelt und vom Wortlaut her im Wesentlichen entsprechend der „Luftfahrt” formuliert. Der Aufbau und die Systematik beider Vorschriften sind gleich. Art. 14 Abs. 1 b) und c) der RL Nr. 2003/96 entsprechen Art. 8 Abs. 1 b) und c) der (Vorgänger-) Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. L 316 vom 31.10.1992, S. 12-15; im Folgenden: RL Nr. 92/81).
Der EuGH hat zur Steuerbefreiung der „Schifffahrt” festgestellt, dass die Definitionen für die unter die RL Nr. 92/81 fallenden Erzeugnisse und die insoweit geltenden Befreiungen unter Berücksichtigung des Wortlauts der fraglichen Bestimmungen und der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele autonom auszulegen sind. Eine solche autonome Auslegung der Befreiungen sei umso mehr geboten als Art. 8 Abs. 1 der RL Nr. 92/81 den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auferlege, Mineralöllieferungen zur Verwendung als Kraftstoff für bestimmte in dieser Bestimmung aufgeführte Tätigkeiten nicht der harmonisierten Verbrauchsteuer zu unterwerfen. Divergierende Auslegungen dieser Befreiungsverpflichtungen auf nationaler Ebene würden nicht nur die Ziele der gemeinschaftsrechtlichen Regelung und die Rechtssicherheit beeinträchtigen, sondern brächten auch die Gefahr einer Ungleichbehandlung der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer mit sich.
Der EuGH urteilte, dass „jede Seefahrt zu kommerziellen Zwecken” in den Anwendungsbereich der in Art. 8 Abs. 1 c) UAbs. 1 der RL Nr. 92/81 vorgesehenen Befreiung von der harmonisierten Verbrauchsteuer falle. Diese Auslegung werde durch den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers bestätigt, den Begriff der privaten nichtgewerblichen Schifffahrt in UAbs. 2 des Art. 8 Abs. 1 c) der RL Nr. 92/81 sorgfältig zu definieren. Die Vorschrift unterscheide zudem nicht nach dem jeweiligen Zweck der Schifffahrt. Denn die Wettbewerbsverzerrungen, die durch die Richtlinie verhindert werden sollen, könnten unabhängig von der Art der in Rede stehenden kommerziellen Schifffahrt auftreten.
Im Übrigen hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn er über die private nichtgewerbliche Schifffahrt hinaus bestimmte Arten kommerzieller Schifffahrt von der fraglichen Befreiung hätte ausnehmen wollen, eine solche Beschränkung der Befreiung in UAbs. 1 des Art. 8 Abs. 1 c) der RL Nr. 92/81 ausdrücklich festlegen müssen (zum Ganzen: EuGH, Urteil vom 01.04.2004, C-389/02, Slg. 2004 I-03537).
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen führt die am Wortlaut der Vorschrift und den Zielen der RL Nr. 2003/96 gebotene autonome Auslegung des Art. 14 Abs. 1 b) der RL Nr. 2003/96 dazu, dass sich die steuerbefreite „Luftfahrt” nicht auf Luftfahrtunternehmen beschränkt, die gewerbsmäßig Personen und Sachen befördern oder entgeltlich Dienstleistungen erbringen.
Zunächst stammt der Begriff „Luftfahrtunternehmen” aus dem Luftverkehrsrecht und ist dem Energiesteuerrecht fremd. Er ist Anknüpfungspunkt für Betriebsgenehmigungen, die u. a. die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften, die Sicherstellung zuverlässiger und angemessener Dienstleistungen und den Schutz des Verbrauchers bezwecken (vgl. z. B. die Erwägungsgründe der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen, ABl. L 240 vom 24.08.1992, S. 1-7). Dementsprechend ist eine solche Genehmigung immer dann erforderlich, wenn Personen oder Fracht gewerblich oder jedenfalls entgeltlich befördert werden. Das Energiesteuerrecht bezweckt dagegen vorrangig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes ohne Wettbewerbsverzerrungen und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft (vgl. Erwägungsgründe der RL 2003/96 Nr. 2 bis 4, 23).
Bereits diese unterschiedlichen Ziele legen es nicht nahe, Definitionen des Luftverkehrsrechts abschließend im Energiesteuerrecht heranzuziehen. Vielmehr bringt deren Übernahme die Gefahr mit sich, dass Änderungen im Luftverkehrsrecht angesichts der verschiedenen Gesetzeszwecke zu Wettbewerbsverzerrungen im Mineralölsteuerrecht führen könnten. Diese Gefahr hat sich z. B. mit dem elften Luftverkehrsänderungsgesetz (BGBl I 1998, S. 2432) und der Streichung des damaligen § 20 Abs. 1 S. 2 LuftVG zum 01.03.1999, der eine Genehmigungspflicht für die „gewerbsmäßige Verwendung von Luftfahrzeugen für sonstige Zwecke” beinhaltete, realisiert. Durch den Wegfall der Genehmigungspflicht für die sog. Arbeitsluftfahrt (z. B. die Agrarluftfahrt oder Reklameflüge) konnte diese nicht mehr von der Mineralölsteuerbefreiung profitieren bis das Bundesministerium der Finanzen durch den Erlass vom 03.12.2002 die alte Rechtslage auf dem Erlasswege faktisch wiederherstellte.
Darüber hinaus hat der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich den Begriff der „Luftfahrt” und nicht den ihm aus dem Luftverkehrsrecht bekannten Begriff des „Luftfahrtunternehmens” im Befreiungstatbestand genannt. Dass er die Befreiung nicht auf diese Unternehmen beschränken wollte, folgt auch aus dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 der RL Nr. 2003/96. Danach können die Mitgliedstaaten die in Abs. 1 b) und c) vorgesehenen Steuerbefreiungen auf internationale oder innergemeinschaftliche „Transporte” beschränken. Innergemeinschaftliche gewerbliche Beförderungen von Fluggästen oder Fracht sind nach der VO Nr. 2407/92 ohne eine Betriebsgenehmigung nicht zulässig, dürfen mithin nur von „Luft”transport”unternehmen, also Luftfahrtunternehmen, durchgeführt werden. Sofern bereits im Art. 14 Abs. 1 b) RL Nr. 2003/96 eine Beschränkung auf Luftfahrtunternehmen gewollt gewesen wäre, dann hätte der Richtliniengeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 RL Nr. 2003/96 keinen Grund gehabt, nunmehr von innergemeinschaftlichen „Transporten” - die gewerblich nur von Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden dürfen - zu sprechen, sondern die ursprüngliche Terminologie beibehalten können. Überdies hätte der Richtliniengeber, sofern er nur eine Steuerbefreiung für Luftverkehrsunternehmen beabsichtigt hätte, auf die eindeutige Definition des Luftverkehrsrechts verweisen können. Es hätte dann auch kein Anlass bestanden, die „Luftfahrt” negativ vom Begriff der „nichtgewerblichen Luftfahrt” abzugrenzen.
Die abschließende Verwendung des Begriffs „Luftfahrtunternehmen” im nationalen Recht lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Richtlinie die private nichtgewerbliche Luftfahrt von der Steuerbefreiung ausnimmt, woraus geschlossen werden könnte, dass von der Luftfahrt nur noch die Luftfahrtunternehmen verblieben. Es gibt Formen von „Luftfahrt”, die weder Teil der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt, noch Luftfahrtunternehmen sind. Unstreitig trifft dies auf die durch den Erlass vom 03.12.2002 Luftfahrtunternehmen gleichgestellte Arbeitsluftfahrt zu.
Die Ausnahme von der Steuerbefreiung für die „private nichtgewerbliche Luftfahrt” hat der Gemeinschaftsgesetzgeber sorgfältig definiert und eng gefasst. Das Wort „insbesondere” macht deutlich, dass keine Ausnahme von der Steuerbefreiung gegeben ist, wenn ein Luftfahrzeug zu - irgendwelchen - kommerziellen Zwecken genutzt wird. Für welche Zwecke die Ausnahme gelten soll, lässt sich aus dem 23. Erwägungsgrund der RL Nr. 2003/96 ableiten. Dort heißt es: „Bestehende internationale Verpflichtungen sowie der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft machen es ratsam, bestehende Steuerbefreiungen für Energieprodukte zur Verwendung in der Luft- und Schifffahrt - außer in der Luft- und Schifffahrt zu privaten Vergnügungszwecken - beizubehalten; die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, diese Steuerbefreiungen einzuschränken”.
Bereits der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle der Kommission vom 27.09.1999 (ABl. Nr. C 322 vom 21.12.1990 S. 18) sprach nicht von der „privaten nichtgewerblichen Luftfahrt”, sondern benutzte in Art. 8 Abs. 1 d) den Begriff der „privaten Vergnügungsluftfahrt”. Auch wenn dieser nicht in die endgültige Fassung der RL Nr. 92/81 übernommen wurde, verdeutlicht seine sinngemäße Verwendung in den Erwägungsgründen der RL Nr. 2003/96, dass nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers die Luftfahrt zu privaten Vergnügungszwecken anders als die Luftfahrt zu kommerziellen Zwecken nicht von der Mineralölsteuerbefreiung profitieren sollte.
Indem der Richtliniengeber diese - aber auch nur diese - Ausnahme in den Richtlinientext aufgenommen hat, hat er deutlich gemacht, dass keine weiteren Ausnahmen von der Steuerbefreiung gewollt sind, abgesehen von denen, die sich aus den weiteren Vorschriften der Richtlinie ergeben, jedoch für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich sind. So können die Mitgliedstaaten neben der Beschränkung nach Art. 14 Abs. 2 der RL Nr. 2003/96 auch gem. Art. 15 Abs. 1 j) eingeschränkte Steuerbefreiungen gewähren für Kraftstoffe, die bei der Fertigung, Entwicklung, Erprobung und Wartung von Luftfahrzeugen und Schiffen verwendet werden.
Der Begriff der „Luftfahrt” ist daher weit und umfassend auszulegen. Das Luftfahrzeug darf lediglich nicht für andere als kommerzielle Zwecke genutzt werden. Aus dem Wortlaut der Richtlinienvorschrift unter Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Schifffahrt, bei der „jede Seefahrt zu kommerziellen Zwecken” steuerbefreit ist, folgt, dass der Befreiungstatbestand auf die tatsächliche Nutzung des Luftfahrzeuges - eben als Flugzeug in der Luft - zu steuerbegünstigten Zwecken abstellt. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welche Verwendung eines Luftfahrzeugs im Einzelnen unter den Begriff der Luftfahrt fällt. „Luftfahrt” im Sinne der RL Nr. 2003/96 ist zumindest jeder Flug eines Luftfahrzeuges zu kommerziellen Zwecken.
Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen innerdeutschen, innergemeinschaftlichen oder internationalen Flug handelt. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Energiesteuerrichtlinie für Inlandsflüge einen Umsetzungsspielraum eröffne. Zwar können die Mitgliedstaaten die in Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b) der RL Nr. 2003/96 vorgesehene Steuerbefreiungen gem. Art. 14 Abs. 2 der RL Nr. 2003/96 auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte beschränken (vgl. insoweit auch den Erwähnungsgrund Nr. 23 der RL Nr. 2003/96, wonach die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben sollten, die Steuerbefreiungen im Bereich der Luft- und Schifffahrt zu beschränken). Von dieser Ermächtigung hat Deutschland jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern den Kreis der von der Steuerfreiheit Begünstigten unabhängig vom Reiseziel des jeweiligen Fluges unter Verletzung der Richtlinienvorgaben begrenzt (vgl. ebenso Finanzgericht München, Urteil vom 10.12.2008, Az. 14 K 1873/06, Juris).
b. Den Flügen des Flächenflugzeugs liegen kommerziellen Zwecke zugrunde, soweit es zu eigenbetrieblichen Zwecken im Werkverkehr eingesetzt wird. Das Flugzeug befördert Mitarbeiter der Klägerin, dient dem Transport von medizinischen Ersatz- oder Austauschteilen oder wird zu Kundenbesuchen genutzt. Die Flüge kommen dem Unternehmenszweck der Luftrettung bzw. den Hubschraubereinsätzen zugute, indem sie diese ermöglichen, fördern oder erleichtern. Die entstehenden Kosten werden durch die Umsatzerlöse aus den Hubschrauberflügen gedeckt. Der Einsatz des Flächenflugzeuges stellt ersichtlich keine Vergnügungsluftfahrt dar.
Dass diese Flüge nicht unmittelbar dem Hauptzweck der Klägerin dienen, sondern diesen lediglich mittelbar fördern, ist unerheblich.
Zur „Schifffahrt” hat der EuGH entschieden, dass jede Form der Schifffahrt unabhängig vom Zweck der jeweiligen Fahrt vom Anwendungsbereich der Steuerbefreiung erfasst werde. Der Hauptzweck müsse insbesondere nicht in einer Beförderungsleistung bestehen (EuGH, Urteil vom 01.04.2004, C-389/02, Slg. 2004 I-03537). Darauf aufbauend sah der Bundesfinanzhof die Werbemaßnahme eines Yachtversicherungsmaklers, der keiner gewerblichen Schifffahrt nachging, mittels einer eingesetzten Barkasse als von der Steuerbefreiung umfasst an, da diese in einem unmittelbaren Zusammenhang zu seiner gewerblichen Tätigkeit stehe und deshalb den vom EuGH geforderten kommerziellen Zweck erfülle (vgl. BFH, Urteil vom 27.06.2006, VII R 62/05, BFH/NV 2006, S. 2132).
Der Antrag der Klägerin erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 50 MinöStV.
2. Nicht von der Steuerbefreiung umfasst sind jedoch die Flüge des Flächenflugzeugs von und zur Werft zu Wartungszwecken. Das Flugzeug wurde 2005 zu rund 76 % zu eigenbetrieblichen und zu 20 % zu privaten Zwecken genutzt. Ca. 4 % entfielen auf Werftflüge, die sowohl der kommerziellen als auch der privaten Verwendung des Luftfahrzeuges dienten. Für solche gemischt veranlassten Flüge sieht die Richtlinie keine Steuerbefreiungen vor.
Der Senat teilt insoweit zwar nicht die Auffassung des Finanzgerichts München (Urteil vom 10.12.2008, Az. 14 K 1873/06, Juris), wonach solche Flüge nicht gem. Art. 14 Abs. 1 b) der RL Nr. 2003/96 steuerbefreit seien, da sie vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 j) der RL Nr. 2003/96 umfasst seien. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten Steuerbefreiungen gewähren für Kraftstoffe die bei der Fertigung, Entwicklung, Erprobung und Wartung von Luftfahrzeugen und Schiffen verwendet werden. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung im Mineralölsteuergesetz keinen Gebrauch gemacht.
Der Wortlaut der Vorschrift „bei der Wartung” legt nahe, dass die Norm nicht Flüge „zur” Wartung umfassen will. Dementsprechend hat der nationale Gesetzgeber im Energiesteuergesetz von dieser Ermächtigung in der Weise Gebrauch gemacht, dass er Instandhaltungs-, Entwicklungs- und Herstellungsbetriebe von der Steuer befreit hat (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EnergieStG; § 60 Abs. VIII EnergieStV). Es spricht mehr dafür, dass solche Werftflüge von der allgemeinen Steuerbefreiung nach Art. 14 Abs. 1 b) der RL 2003/96 umfasst sind, was vorliegend jedoch ebenfalls nicht zu einer Steuerbefreiung führt.
Eine solche erfordert, dass das Luftfahrzeug ausschließlich zu kommerziellen Zwecken genutzt wird. Nur dann kommen Werftflüge nicht auch der Vergnügungsluftfahrt zu gute. Zwar dienen Werftflüge nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar dem (kommerziellen) Unternehmenszweck, wie das Finanzgericht München treffend dargelegt hat. Die Steuerbefreiung nach Art. 14 Abs. 1 b) der RL 2003/96 differenziert jedoch nicht nach einer mittelbaren oder unmittelbaren Förderung des Unternehmenszwecks, sondern schließt eine Erstattung nur im Falle der Vergnügungsluftfahrt aus. Sofern ein Luftfahrzeug ausschließlich zu Zwecken genutzt wird, die keine Vergnügungsluftfahrt darstellen, besteht kein Grund, eine Steuerbefreiung für auf dem Flug zur Werft verbrauchten Kraftstoff zu versagen.
Etwas anders gilt jedoch im vorliegenden Fall. Für gemischt veranlasste Flüge sieht Art. 14 Abs. 1 b) der RL 2003/96 anders als andere Vorschriften der RL Nr. 2003/96 keine Steuerbefreiungen vor. Von einer anteiligen Besteuerung bei einer gemischten Verwendung ist beispielsweise in Art. 11 Abs. 3 der RL Nr. 2003/96 die Rede, ebenso in Art. 15 Abs. 1 h) der RL 2003/96. Daraus ist zu schließen, dass sich der Richtliniengeber im Falle von gemischt veranlassten Flügen bewusst gegen eine Steuerbefreiung entschieden hat.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 FGO. Die Klägerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).