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  • 13.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052653

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 19.01.2005 – X R 23/04

    Der für die steuerliche Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen erforderliche Rechtsbindungswille muss sich auf sämtliche für einen Versorgungsvertrag typusprägenden Leistungen --Sach- und Barleistungen-- beziehen. Insoweit sind Abweichungen des tatsächlich Durchgeführten vom Vereinbarten steuerschädlich.


    Gründe:
    I.

    Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) war durch Hofübergabe- und Altenteilsvertrag vom Dezember 1991 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge der elterliche Hof mit Grundbesitz übertragen worden. Er musste seinen Eltern ein lebenslängliches freies Wohnungsrecht bei freier Heizung und freier Beköstigung gewähren. Ferner war er zur Zahlung eines wertgesicherten Baraltenteils in Höhe von monatlich 750 DM verpflichtet, das sich im Falle der Rentenberechtigung des Vaters auf 400 DM reduzieren sollte.

    In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1991 bis 1993 machte der Kläger die seinen Eltern geschuldeten und erbrachten Sachleistungen als Altenteilsleistungen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte den begehrten Sonderausgabenabzug für die Jahre 1991 bis 1993 in vollem Umfang, weil der Kläger die Barleistungen gegenüber seinen Eltern erstmals ab Januar 1994 erbracht hatte.

    Das FA wies den Einspruch des Klägers zurück. Auch das Finanzgericht (FG) erkannte keine dauernde Last an, weil insoweit der Vertrag nicht wie vereinbart durchgeführt worden sei.

    Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er bringt vor, der Hofübergabe- und Altenteilsvertrag sei als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen anzuerkennen. Die Abweichung der tatsächlichen Durchführung vom Vereinbarten rechtfertige nicht die Schlussfolgerung, hinsichtlich der wie vereinbart erbrachten unbaren Altenteilsleistungen habe kein Rechtsbindungswille bestanden.

    Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, die den Eltern erbrachten Sachleistungen als Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen und die Einkommensteuer für die Streitjahre entsprechend herabzusetzen.

    Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die streitigen Leistungen des Klägers können weder als dauernde Last noch aus anderen Rechtsgründen steuerlich berücksichtigt werden.

    1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar.

    Werden wiederkehrende Leistungen --wie im Streitfall-- in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. August 1997 X R 54/94, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, unter II.1.b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Auch die Anwendung des für Unterhaltsleistungen geltenden Abzugsverbots des § 12 Nr. 1, 2 EStG ist durch das Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen spezialgesetzlich ausgeschlossen, weil die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen auf dem Umstand beruht, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (vgl. zusammenfassend BFH-Beschluss vom 10. November 1999 X R 46/97, BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter III.6.a).

    2. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann, geht der erkennende Senat (grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C.II.2.c) von den folgenden Grundsätzen aus:

    a) Klar und eindeutig vereinbart sein muss der Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen, der die Qualifikation als Versorgungsvertrag erst ermöglicht (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistung sowie Art und Weise der Zahlung). Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden (BFH-Urteil vom 3. März 2004 X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, m.w.N.).

    b) Ob und in welchem Umfang die Parteien des Versorgungsvertrags ihren Vertragspflichten nachkommen wollen, steht ihnen nicht frei; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden. Andererseits liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags begründet, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren (BFH-Urteil vom 15. Juli 1992 X R 165/90, BFHE 168, 561, BStBl II 1992, 1020, unter 2.e).

    c) Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist entscheidend, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt (Senatsurteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, unter II.6.a).

    d) Hat sich der Vermögensübernehmer nach dem Vermögensübergabevertrag zu mehreren Versorgungsleistungen verpflichtet, die zum Mindestbestand von Versorgungsverträgen gehören sowie als typusprägend anzusehen und als jeweils gleichgewichtig zu beurteilen sind, muss der Rechtsbindungswille hinsichtlich aller geschuldeten Versorgungsleistungen gegeben sein.

    Davon abzusehen besteht kein rechtfertigender Grund, wenn die Umsetzung wesentlicher und einander gleichgewichtiger Pflichten des Vermögensübernehmers zu beurteilen ist, selbst wenn dem Fremdvergleich bei Versorgungsverträgen eine andere Funktion zukommt als bei den sonstigen Verträgen unter nahen Angehörigen (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826, unter II.6.a). Anders stünde es im Belieben der Vertragsparteien eines Vermögensübergabevertrags, in welchem Umfang sie den Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen.

    3. Nach diesen Grundsätzen bestehen gegen die vom FG im Rahmen der ihm obliegenden Gesamtwürdigung getroffene Entscheidung keine Bedenken. Das FG hat die vom Kläger gegenüber seinen Eltern erbrachten Leistungen zu Recht nicht als dauernde Last anerkannt.

    a) Die vom Kläger im Hofübergabe- und Altenteilsvertrag eingegangene Verpflichtung, seinen Eltern monatlich eine Rente in bar in bestimmter Höhe zu zahlen, ist als Altenteilsleistung ebenso typusprägend wie es die von ihm geschuldeten und vertragsgemäß erbrachten Sachleistungen sind. Die beiden Arten von Versorgungsleistungen sind damit gleichgewichtig und gleichwertig. Eine Differenzierung dergestalt, dass die Sachleistungen den elementaren Lebensbedürfnissen dienen, während Barzahlungen vom Altenteiler nicht benötigt und deshalb nicht verlangt werden, ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht gerechtfertigt. Denn bei der Beurteilung der geschuldeten Leistungen als Versorgungsleistungen kommt dem konkreten Versorgungsbedürfnis des Vermögensübergebers keine Bedeutung zu; es kommt mithin nicht darauf an, ob bestimmte Leistungen für dessen Lebensbedürfnisse als elementar angesehen werden, andere dagegen nicht. Bare und unbare Altenteilsleistungen sind gleichgewichtig. Das schließt es aus, hinsichtlich des Rechtsbindungswillens zwischen baren und unbaren Versorgungsleistungen zu unterscheiden.

    b) Die geschuldeten Versorgungsleistungen bilden eine Einheit und müssen deshalb einheitlich beurteilt werden. Der Altenteilsvertrag ist zivilrechtlich ein Inbegriff von Rechten verschiedener Art --Sach-, Natural-, Dienst- und Geldleistungen (vgl. Senatsurteil vom 25. August 1999 X R 38/95, BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 26. April 1993 1 Z RR 397/92, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1993, 984, mit Nachweisen zum Zivilrecht)--, die durch die gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten (ganz oder teilweise) zu versorgen, zu einer Einheit verbunden sind (Senatsentscheidungen vom 25. April 1990 X R 38/86, BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, unter III.1.a aa, und vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499, unter 5.). Im Hinblick auf diese Zeckbestimmung sind die einzelnen geschuldeten Versorgungsleistungen keiner jeweils eigenen Beurteilung und im Verhältnis zueinander keiner abstufenden Wertung zugänglich.

    Die Barleistungen zu erfüllen, steht somit genauso wenig im Belieben des Vermögensübernehmers wie die Erfüllung der Sachleistungsverpflichtungen. Würde der typusprägende Inbegriff in der Weise aufgelöst, dass einzelne gleichgewichtige Elemente als nachrangig eingestuft würden, so könnte der für die Abziehbarkeit erforderliche Rechtsbindungswille, der sich auf beide Arten der geschuldeten Versorgungsleistungen erstrecken muss, nicht festgestellt werden.

    4. Die vom Kläger erbrachten Leistungen sind auch nicht als erwerbssichernder Aufwand abziehbar.

    Mit ihrer Entscheidung, Vermögen gegen Versorgungsleistungen zu übertragen, haben die Vertragsparteien dieses Rechtsverhältnis der steuerrechtlichen Unentgeltlichkeit (§ 6 Abs. 3 EStG) zugeordnet. Der Charakter des Vermögensübergabevertrags wird nicht dadurch verändert, dass der Vermögensübernehmer seine Verpflichtungen nicht in der im Vertrag bestimmten Art und Weise erfüllt. Das nicht vertragsgerechte Verhalten des Vermögensübernehmers bewirkt lediglich, dass seine Leistungen nicht mehr als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbar und die Bezüge beim Berechtigten nicht steuerbar (§ 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG) sind. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts. Die erbrachten Leistungen sind beim Vermögensübernehmer nicht abziehbare und beim Vermögensübergeber nicht steuerbare Unterhaltsleistungen (vgl. dazu und zum Folgenden Senatsurteil vom 31. März 2004 X R 66/98, BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830).

    Für die Überlegung, die Zahlungen des Vermögensübernehmers nach der Versagung ihrer Anerkennung als dauernde Lasten als Anschaffungskosten des übergebenen Vermögens zu behandeln, besteht hiernach kein Raum. Denn die Annahme von Anschaffungskosten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ursprüngliche oder nachträgliche Anschaffungskosten handelt, setzt stets voraus, dass die betreffenden Aufwendungen in einem Veranlassungszusammenhang mit dem entgeltlichen Erwerb eines der Einkünfteerzielung dienenden Wirtschaftsguts getätigt werden. Dies ist bei einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nicht der Fall.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG § 12