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  • 25.09.2025 · IWW-Abrufnummer 250343

    Bundesfinanzhof: Vorlagebeschluss vom 19.05.2025 – VII R 18/22

    Welcher Mindestgehalt an Triglyceriden ist für die Einstufung einer Ware als "Fette und Öle" im Sinne von Position 1516 der Kombinierten Nomenklatur erforderlich, sofern sie im Übrigen überwiegend aus als Nebenprodukte einer Wiederveresterung entstandenen Mono- und Diglyceriden besteht?


    Tenor: 1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Welcher Mindestgehalt an Triglyceriden ist für die Einstufung einer Ware als "Fette und Öle" im Sinne von Position 1516 der Kombinierten Nomenklatur erforderlich, sofern sie im Übrigen überwiegend aus als Nebenprodukte einer Wiederveresterung entstandenen Mono- und Diglyceriden besteht? 2. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung über die Vorabentscheidungsfrage ausgesetzt.

    Gründe

    I.

    1

    Die Beteiligten streiten über die zolltarifliche Einreihung von aus der Republik Chile (Chile) eingeführtem Fischöl. Die streitgegenständlichen Waren, die aus mittels rohem Fischöl gewonnenen konzentrierten Omega-3-Fettsäuren hergestellt wurden, bestanden je nach Artikel zu 60,5 % bis 83,7 % aus wiederveresterten Triglyceriden. Die übrigen Bestandteile setzten sich überwiegend aus Mono- und Diglyceriden zusammen, die als Nebenprodukte der Wiederveresterung entstanden waren. Zusätzlich enthielten die Erzeugnisse etwa 0,28 % Vitamin E (Tocopherol) als Antioxidant. Die Erzeugnisse wurden nach der Einfuhr vorwiegend zu Nahrungsergänzungsmitteln weiterverarbeitet.

    2

    Die Klägerin und Revisionsklägerin meldete in den Jahren 2016 und 2017 die Waren unter der Codenummer 1516 10 90 10 1 mit dem Präferenzcode 300 und Unterlagencode N954 (Warenverkehrsbescheinigung EUR.1) zum zollrechtlich freien Verkehr an (Zollsatz: frei). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt --HZA--) reihte die Waren hingegen in die Codenummer 2106 90 92 60 9 mit einem Präferenzzollsatz von 8,9 % (Chile) ein, da seiner Meinung nach Erzeugnisse mit einem Triglyceridgehalt von weniger als 85 % nicht in das Kapitel (Kap.) 15 der Kombinierten Nomenklatur (KN) fielen. Das Finanzgericht (FG) folgte in dem gegen die Einfuhrabgabenbescheide gerichteten Klageverfahren dem HZA.

    II.

    3

    Der Senat setzt --nach Anhörung der Beteiligten, die insoweit keine Einwendungen erhoben haben-- das bei ihm anhängige Revisionsverfahren aus (§ 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 der Finanzgerichtsordnung ) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

    4

    Welcher Mindestgehalt an Triglyceriden ist für die Einstufung einer Ware als "Fette und Öle" im Sinne von Position (Pos.) 1516 KN erforderlich, sofern sie im Übrigen überwiegend aus als Nebenprodukte einer Wiederveresterung entstandenen Mono- und Diglyceriden besteht?

    III.

    5

    Nach Auffassung des Senats kommt es für die Lösung des Streitfalls auf die folgenden Vorschriften des Unionsrechts an, an deren Auslegung für den Streitfall entscheidungserhebliche Zweifel bestehen.

    6

    Für das Jahr 2016 maßgeblich ist die KN in der Fassung (i.d.F.) der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 06.10.2015 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2015, Nr. L 285, 1), und für das Jahr 2017 i.d.F. der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1821 der Kommission vom 06.10.2016 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABlEU 2016, Nr. L 294, 1).

    7

    Anzuwendendes Unionsrecht:

    8

    Allgemeine Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 1:

    9

    [Für die Einreihung von Waren in die KN gelten folgende Grundsätze:]

    Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und --soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist-- die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

    (...)

    10

    Pos. 1516 KN:

    Tierische und pflanzliche Fette und Öle sowie deren Fraktionen, ganz oder teilweise hydriert, umgeestert, wiederverestert oder elaidiniert, auch raffiniert, jedoch nicht weiterverarbeitet

    11

    Pos. 1517 KN:

    Margarine; genießbare Mischungen und Zubereitungen von tierischen oder pflanzlichen Fetten und Ölen sowie von Fraktionen verschiedener Fette und Öle dieses Kapitels, ausgenommen genießbare Fette und Öle sowie deren Fraktionen der Position 1516

    12

    Pos. 2106 KN:

    Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen

    Anmerkung (Anm.) 1 Buchstabe (Buchst.) c zu Kap. 15 KN:

    Zu Kapitel 15 gehören nicht:

    (...)

    Lebensmittelzubereitungen mit einem Gehalt an Erzeugnissen der Position 0405 von mehr als 15 GHT (im Allgemeinen Kapitel 21);

    (...)

    13

    Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS):

    Zu Kap. 15

    Mit Ausnahme von Walratöl und Jojobaöl sind tierische oder pflanzliche Fette und Öle Ester von Glycerin mit Fettsäuren, insbesondere Palmitin-, Stearin- und Ölsäure.14.0Zu Pos. 1516Zu dieser Position gehören tierische und pflanzliche Fette und Öle, die durch Verfahren der nachstehend genannten Art eine spezifische chemische Umwandlung erfahren haben, jedoch nicht weiterverarbeitet wurden.01.0B) Umgeesterte, wiederveresterte oder elaidinierte Fette und Öle.09.02) Wiederveresterte Fette und Öle (auch als verestert bezeichnet) sind Triglyceride, die durch direkte Synthese aus Glycerin und freien Fettsäuren oder Raffinationsfettsäuren gewonnen werden. Die Stellung der Fettsäurereste in den Triglyceriden ist unterschiedlich gegenüber derjenigen, die üblicherweise in natürlichen Ölen vorgefunden wird.11.0Zu Pos. 1517Zu dieser Position gehören Margarine und andere genießbare Mischungen und Zubereitungen von tierischen oder pflanzlichen Fetten und Ölen sowie von Fraktionen verschiedener Fette und Öle dieses Kapitels, ausgenommen solche der Position 1516. Dies sind im Allgemeinen flüssige oder feste Mischungen und Zubereitungen von:01.0(...)Die Erzeugnisse dieser Position, deren Fette und Öle zuvor auch hydriert worden sein können, können durch Emulgieren (z.B. mit Magermilch), Kirnen, Texturieren (Änderung des Gefüges oder der kristallinen Struktur) usw. bearbeitet sein und geringe Zusätze von Lecithin, Stärke, Farbstoffen, Aromastoffen, Vitaminen und Butter oder anderen Fettstoffen aus der Milch (in der durch die Anmerkung 1 c) zu Kapitel 15 gezogenen Grenze) enthalten.05.0

    14

    Einreihungsavis zum Harmonisierten System 02.0 zu Unterposition (Unterpos.) 1516 10 (Einreihungsavis 1), das der Ausschuss für das Harmonisierte System (HS) auf der 61. Tagung (März 2018) angenommen hat:

    Ein Produkt, bestehend aus 90 % wieder veresterten Triglyceriden auf Basis von konzentrierten Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure), das aus rohem Sardellenöl hergestellt wird. Die restlichen 10 % des Produktes bestehen hauptsächlich aus Mono- und Diglyceriden. Das Produkt enthält EPA (400 mg/g) und DHA (300 mg/g). Dem Produkt wurde Vitamin E (Tocopherol) als Antioxidant zugesetzt. Das rohe Sardellenöl hat folgende Verarbeitungsschritte durchlaufen: Entsäuerung, Ethylesterifizierung, Destillation, Filtration, Bleichen, Wiederveresterung und Desodorierung. Das Produkt wird in Fässern aufgemacht und bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet.

    15

    Durchführungsverordnung (EU) 2015/181 der Kommission vom 30.01.2015 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur --Durchführungsverordnung (EU) 2015/181-- (ABlEU 2015, Nr. L 31, 1):

    Art. 1

    Die in Spalte 1 der Tabelle im Anhang beschriebenen Waren werden in die Kombinierte Nomenklatur unter den in Spalte 2 der Tabelle genannten KN-Code eingereiht.

    AnhangWarenbezeichnungEinreihung (KN-Code)Begründung(1)(2)(3)Eine Ware in Form eines feinen, gelblich-weißen Pulvers, verpackt in 25-kg-Säcken, hergestellt aus hydriertem Pflanzenöl mit zugefügten Mono- und Diglyceriden eines anderen Pflanzenöls. Die zugefügten Mono- und Diglyceride eines anderen Pflanzenöls haben einen Anteil von 10 GHT. Die Ware ist zur Verwendung als Emulgator in der Lebensmittelindustrie aufgemacht. Der Tropfpunkt liegt bei 58 °C, und die Viskosität bei 68 °C beträgt weniger als 1 Pa.s.3404 90 00Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur, Anmerkung 5 zu Kapitel 34 und nach dem Wortlaut der KN-Codes 3404 und 3404 90 00 Eine Einreihung in Position 1516 ist ausgeschlossen, da weitere Inhaltsstoffe hinzugefügt sind (10 GHT Mono- und Diglyceride von Fettsäuren). >Eine Einreihung in Position 1517 ist ebenfalls ausgeschlossen, da die Ware Eigenschaften von Wachsen aufweist, die nicht unter die Position 1517 fallen. Die Ware ist ein durch ein chemisches Verfahren hergestelltes organisches Erzeugnis mit den Eigenschaften von Wachsen, das nicht wasserlöslich ist (siehe Anmerkung 5 zu Kapitel 34) und das auch die Kriterien eines künstlichen Wachses (siehe auch die Erläuterungen zu Position 3404 des Harmonisierten Systems, insbesondere Buchstabe A) erfüllt. Die Ware ist daher in KN-Code 3404 90 00 als andere künstliche Wachse und zubereitete Wachse einzureihen.

    IV.

    16

    Die rechtliche Würdigung des Streitfalls ist unionsrechtlich zweifelhaft. Für die Beurteilung des Streitfalls gelten folgende Grundsätze:

    17

    1. Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung ist --vorbehaltlich der Anwendbarkeit einer Einreihungsverordnung-- im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der Kombinierten Nomenklatur und den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Die Erläuterungen sowohl zum Harmonisierten System als auch zur Kombinierten Nomenklatur sind demgegenüber zwar nicht verbindlich, aber wichtige Hilfsmittel, um eine einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs zu gewährleisten. Sie können wertvolle Hinweise für dessen Auslegung liefern (EuGH-Urteil Mikrotikls vom 20.10.2022 - C-542/21 ,EU:C:2022:814, Rz 22 f., m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung). Auch Avise der Weltzollorganisation, mit denen Waren in das HS eingereiht werden, liefern --obwohl sie rechtlich nicht verbindlich sind-- wichtige Hinweise zur Auslegung der einzelnen KN-Positionen (EuGH-Urteil Golden Omega vom 12.12.2024 - C-388/23 ,EU:C:2024:1022, Rz 45).

    18

    2. Die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheide hängt von der Einreihung der streitgegenständlichen Waren ab.

    19

    Pos. 2106 KN erfasst nach ihrem --gemäß AV 1 vorrangig zu berücksichtigenden-- Wortlaut anderweit weder genannte noch inbegriffene Lebensmittelzubereitungen. Eine Einreihung der fraglichen Waren in die --nach ihrem klaren Wortlaut für die Einreihung in Betracht kommende, aber subsidiäre-Pos. 2106 KN ist mithin nur zutreffend, wenn keine vorrangige Position einschlägig ist (EuGH-Urteil Swiss Caps vom 17.12.2009 - C-410/08 bis C-412/08,EU:C:2009:794, Rz 31 und 33). Insofern hängt die Entscheidung im vorliegenden Streitfall davon ab, ob die Waren in die --vom Wortlaut grundsätzlich in Betracht kommende-- vorrangige Pos. 1516 KN eingereiht werden können.

    20

    Fette und Öle im Sinne von Kap. 15 KN sind --von bestimmten dort genannten Ausnahmen abgesehen-- Ester von Glycerin mit Fettsäuren (ErlHS 14.0 zu Kap. 15). Grundsätzlich erfasst Pos. 1516 KN auch Triglyceride als wiederveresterte Fette und Öle (ErlHS 11.0 zu Pos. 1516). Die vorliegend streitgegenständlichen Waren bestehen überwiegend, aber nicht rein aus solchen Triglyceriden (Anteil 60,5 % bis 83,7 %), und im Übrigen im Wesentlichen aus durch Wiederveresterung entstandenen Mono- und Diglyceriden. Daher stellt sich die Frage, ob es sich dennoch um "Fette und Öle" im Sinne der Pos. 1516 KN handelt.

    21

    3. Diese Frage ist bislang vom EuGH nicht entschieden worden und kann auch anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH nicht zufriedenstellend beantwortet werden, obgleich sich der EuGH bereits mit dem zolltariflichen Begriff der "Fette und Öle" in Pos. 1516 KN befasst hat. Der EuGH hat insofern ausgeführt, dass der Begriff "Fette und Öle" weder in der Kombinierten Nomenklatur noch in den dazu gegebenen Erläuterungen definiert ist (EuGH-Urteil Golden Omega vom 12.12.2024 - C-388/23 ,EU:C:2024:1022, Rz 33), jedoch nach allgemeinem Sprachgebrauch und den Erläuterungen zum Harmonisierten System durch einen dominierenden Glyceridgehalt (Ester von Glycerin mit Fettsäuren) gekennzeichnet sei. Das charakteristische Merkmal von Fetten und Ölen ist nach der Rechtsprechung des EuGH, dass sie --auch nach einem chemischen Verfahren der Wiederveresterung-- hauptsächlich aus Estern von Glycerin mit Fettsäuren (Triglyceriden) bestehen (so EuGH-Urteil Golden Omega vom 12.12.2024 - C-388/23 ,EU:C:2024:1022, Rz 38 und 43). Ob Pos. 1516 KN nur Waren mit einem bestimmten Mindestgehalt an Triglyceriden erfasst, ist demgegenüber noch ungeklärt.

    22

    Das Einreihungsavis 1 --zu Unterpos. 1516 10-- spricht zwar dafür, dass Pos. 1516 KN jedenfalls solche Produkte als "Fette und Öle" im dort genannten Sinne erfasst, die zu mindestens 90 % aus wiederveresterten Triglyceriden auf Basis von konzentrierten Omega-3-Fettsäuren und im Übrigen im Wesentlichen aus Mono- und Diglyceriden bestehen. Diese Auslegungshilfe lässt indes keinen darunter liegenden Triglycerid-Grenzwert erkennen, ab dem Waren aus Pos. 1516 KN ausgewiesen sind. Die geringfügige Zugabe von Vitamin E (Tocopherol) ist ausgehend von diesem Einreihungsavis allerdings als unschädlich für die Einreihung in Pos. 1516 KN zu betrachten.

    23

    4. Der vorlegende Senat neigt der Auffassung zu, dass Pos. 1516 KN dergestalt auszulegen ist, dass der für Fette und Öle im Sinne dieser Position maßgebliche Mindestgehalt an Triglyceriden die vom HZA herangezogenen und vom FG bestätigten 85 % betragen muss, sofern sich die Ware im Übrigen im Wesentlichen aus durch Wiederveresterung entstandenen Mono- und Diglyceriden zusammensetzt.

    24

    a) Ausgehend von der oben genannten, auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch abstellenden Rechtsprechung und gestützt durch die aufgeführten Erläuterungen zum Harmonisierten System sowie das zitierte Einreihungsavis 1 ist geklärt, dass Fette und Öle im Sinne der Pos. 1516 KN hauptsächlich aus Triglyceriden bestehen müssen, es für die Einreihung aber unschädlich ist, wenn sie im Übrigen auch Mono- und Diglyceride enthalten. Mono- und Diglyceride sind keine Fette und Öle, sondern lipidähnliche Verbindungen beziehungsweise Emulgatoren. Mono- und Diglyceride bilden zwar natürliche Inhaltsstoffe tierischer Fette, deren Hauptbestandteile sind aber Triglyceride. Der natürliche Triglyceridgehalt in tierischen Ölen und Fetten liegt in der Regel deutlich über 90 %. Insofern liegt es ausgehend vom üblichen Begriffsverständnis nahe, für Fette und Öle im Sinne der Pos. 1516 KN den Mindestgehalt an Triglyceriden in einer Größenordnung anzusetzen, der für natürliche Fette und Öle üblich ist. Der Ansatz, diesen Mindestgehalt an wiederveresterten Triglyceriden mit 85 % zu bemessen, wie sich dies auch analog hinsichtlich anderer Zusatzstoffe der Pos. 0405 KN aus der Anm. 1 Buchst. c zu Kap. 15 KN ergibt, liefert daher ein plausibles Auslegungsergebnis. Auch der Begriff der unschädlichen "geringen Zusätze" an Milchfetten in ErlHS 05.0 zu Pos. 1517 orientiert sich an dieser 15 %-Grenze.

    25

    Für diese Auslegung der Pos. 1516 KN könnte ferner die Durchführungsverordnung (EU) 2015/181 sprechen. Denn danach führt die Erhöhung des Mono- und Diglyceridanteils durch Hinzufügung von 10 GHT Mono- und Diglyceriden zu einem Pflanzenöl zu einem Ausschluss aus Pos. 1516 KN.

    26

    b) Zweifel an der Auslegung der Pos. 1516 KN folgen aber aus dem Umstand, dass der Wortlaut der Anm. 1 Buchst. c zu Kap. 15 KN ausschließlich für Erzeugnisse der Pos. 0405 KN gilt. Diese Anmerkung regelt, dass Lebensmittelzubereitungen mit einem Anteil an Erzeugnissen der Pos. 0405 KN von mehr als 15 GHT nicht mehr unter Kap. 15 KN fallen, sondern im Allgemeinen zu Kap. 21 KN zählen. Erzeugnisse der Pos. 0405 KN umfassen Butter, andere Fettstoffe aus Milch sowie Milchstreichfette. Der dort festgelegte Schwellenwert von 15 GHT gilt somit basierend auf dem Wortlaut eigentlich ausschließlich für diese speziellen Waren und nicht für die zulässige Zusammensetzung von Fetten und Ölen im Sinne der Pos. 1516 KN.

    27

    Auch die ErlHS 05.0 zu Pos. 1517 betrifft ausdrücklich Milchfette. Für andere Waren des Kap. 15 KN sind gerade keine gesetzlichen Schwellenwerte hinsichtlich zulässiger Inhaltsstoffe ausdrücklich geregelt. Die Tatsache, dass ein konkreter Grenzwert speziell für Milchfette gezogen wurde, wirft die Frage auf, ob dieser Grenzwert auf andere Inhaltsstoffe übertragbar ist, obgleich für sie ein Grenzwert nicht generell normiert worden ist. Weder der Wortlaut der Pos. 1516 KN noch die vom Wortlaut einschlägigen Anmerkungen benennen eine Höchstgrenze an zulässigen Stoffen neben Triglyceriden. Zu beachten ist im Übrigen, dass der --gegenüber natürlichen Fetten und Ölen-- vergleichsweise hohe Anteil an Mono- und Diglyceriden im Streitfall auf die --für eine Einreihung in Pos. 1516 KN nach ErlHS 11.0 zu Pos. 1516 als Weiterverarbeitung unschädliche-- Wiederveresterung zurückzuführen ist. Nach ErlHS 14.1 zu Pos. 1516 dürfen die in dieser Position erfassten Waren ansonsten nicht "weiterverarbeitet" sein. Dies ist auch der Grund, weshalb im Streitfall allenfalls die Pos. 1516 KN und nicht die gegenüber der Pos. 1516 KN nachrangige Pos. 1517 KN für genießbare Zubereitungen von tierischen Fetten und Ölen einschlägig sein kann. Durch die bloße Wiederveresterung erhalten die Waren keinen Zubereitungscharakter; ebenso wenig durch die geringfügige Zugabe von Vitamin E (siehe oben).

    28

    c) Angesichts der dargelegten Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts und der Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung der Kombinierten Nomenklatur in der gesamten Europäischen Union erscheint eine Klärung durch den EuGH erforderlich.

    Vorschriften§ 74 der Finanzgerichtsordnung, Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87