02.09.2025 · IWW-Abrufnummer 249959
FG Berlin-Brandenburg: Urteil vom 25.02.2025 – 15 K 3114/23
Ein Lkw-Fahrer, der nach seinem Arbeitsvertrag seine Tätigkeit in ganz Deutschland -auf dem ihm zugeordneten Fahrzeug- zu leisten hat, der den Betriebssitz seines Arbeitgebers lediglich zu Beginn und zum Ende der Woche kurzzeitig aufzusuchen hat, um den Lkw zu übernehmen, auf Fahrtüchtigkeit zu prüfen und die Fahrpläne abzustimmen und bei dem der Arbeitgeber auch sonst zu erkennen gibt, dass er dessen Tätigkeit auf dem Lkw verortet und davon ausgeht, ihn keiner Tätigkeitsstätte zugeordnet zu haben, hat am Betriebssitz des Arbeitgebers keine erste Tätigkeitsstätte. Allein aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer eine (bestimmte) betriebliche Einrichtung zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gelegentlich aufzusuchen hat, kann nicht auf eine stillschweigende Zuordnung zu dieser Einrichtung geschlossen werden. Ein zur Annahme eines Sammelpunktes im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG führendes typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen ist als bei ex ante Betrachtung "in der Regel üblich", "im Normalfall" zu verstehen. Dies kann nicht angenommenen werden, wenn von vornherein als prognostischer Normalfall feststeht, dass der Arbeitnehmer den Betriebssitz seines Arbeitgebers an nur zwei Tagen der Woche aufsuchen wird.
Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2021 darum, ob Fahrten des Klägers von seinem Wohnort zum Betriebssitz seines Arbeitgebers nach Reisekostenrecht oder (nur) im Wege der sog. Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist wohnhaft in Polen (B...-straße, C...). Er erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Kraftfahrer für die Firma D... GmbH & Co. KG. In § 2 "Tätigkeit" seines Arbeitsvertrages war geregelt: "Der Arbeitnehmer leistet seine Tätigkeit als Kraftfahrer für den Arbeitgeber in ganz Deutschland und, soweit im Zusammenhang der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers erforderlich, auch im Ausland." In diesem Zusammenhang begab sich der Kläger wöchentlich zum Betriebssitz seines Arbeitgebers (E...-straße, F...), von wo aus er mit dem LKW seine Wochentour begann. Ende der Woche stellte er den LKW wieder am Betriebssitz ab. Vor- und nachbereitende Tätigkeiten (Überprüfung des LKW auf Fahrtauglichkeit, Erstellung und Besprechung von Tourenplänen, Be- und Entladen) wurden am Betriebssitz durchgeführt. Hierzu hielt sich der Kläger Anfang der Woche ca. 1,5 h und Ende der Woche ca. 2,5 h am Betriebssitz auf. Er erhielt jährlich von seinem Arbeitgeber eine "Bestätigung bei Auswärtstätigkeit (ohne erste Tätigkeitsstätte / bei Fahrtätigkeit / bei Einsatzwechsel)". Dort gab der Arbeitgeber unter Anfahrtstage zum Sammelpunkt "/" an.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger 89 Fahrten von seiner Wohnung zum Betriebssitz und zurück nach Reisekostengrundsätzen i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) mit pauschalen Kilometersätzen geltend (89 Fahrten x 230 km x 0,30 € = 6.141,00 €).
Mit Bescheid vom 30. September 2022 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2022 fest. Dabei berücksichtigte er die Fahrten jedoch lediglich im Rahmen der Entfernungspauschale in Höhe von 3.578,00 € (45 Fahrten x 230 km).
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 4. Oktober 2022. Zu Unrecht habe der Beklagte wöchentliche Fahrten nicht als Reisekosten, sondern lediglich im Rahmen der Entfernungspauschale berücksichtigt. Der Betriebssitz sei kein Sammelpunkt im Sinne der Rechtsprechung, da dieser vom Kläger nicht typischerweise arbeitstäglich aufgesucht werde.
Mit Einspruchsentscheidung vom 2. August 2023 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Fahrten seien zu Recht nur im Wege der Entfernungspauschale berücksichtigt worden. Zwar habe der Kläger am Betriebssitz des Arbeitgebers keine erste Tätigkeitsstätte, da er dort lediglich durchschnittlich 4 Stunden in der Woche tätig werde, was den zeitlichen Anforderungen an eine erste Tätigkeitsstätte nicht genüge. Jedoch stelle der Betriebssitz einen Sammelpunkt dar, den der Kläger dauerhaft typischerweise arbeitstäglich aufsuche. Dabei sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht erforderlich, dass der Sammelpunkt an sämtlichen Arbeitstagen aufgesucht werde. Vielmehr müsse dieser nach einer Prognose "in der Regel üblich" bzw. "im Normalfall" aufgesucht werden. Dies sei der Fall, da der Kläger aufgrund der arbeitsvertraglichen Abrede seinen LKW am Anfang der Woche am Betriebssitz abhole und Ende der Woche dorthin zurückbringen und mithin den Betriebssitz zwei Mal pro Woche anfahren müsse. Der Sammelpunkt sei wie eine erste Tätigkeitsstätte zu behandeln und Fahrten zu diesem seien nur im Rahmen der Entfernungspauschale berücksichtigungsfähig.
Der Kläger hat am 24. August 2023 Klage erhoben.
Er hält an seiner Bewertung fest. Der Arbeitgeber des Klägers habe keine erste Tätigkeitstätte bestimmt und auch die quantitativen Kriterien des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG lägen nicht vor. Dementsprechend übe der Kläger, der auf seinem Fahrzeug tätig werde, eine Auswärtstätigkeit aus.
Auch ein sogenannter Sammelpunkt im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG liege nicht vor. Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen übe der Kläger seine Tätigkeit typischerweise auf seinem Fahrzeug aus. Die Entfernungspauschale sei lediglich auf Arbeitnehmer anwendbar, die sich typischerweise arbeitstäglich auf eine gleichbleibende Fahrstrecke einstellen könnten. Dies liege auch der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG zu Grunde, nach welcher für Fahrten zu einem vom Arbeitgeber dauerhaft festgelegten Ort, an dem sich der Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Festlegung typischerweise arbeitstäglich einzufinden habe, lediglich die Entfernungspauschale als Werbungskosten berücksichtigt werden sollen. Typischerweise arbeitstäglich verstehe sich danach als regelmäßig an Arbeitstagen, ohne Urlaubs- und Krankentage. Zwar sei dem Beklagten zuzustimmen, dass es keine tagemäßigen Grenzen für ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen gäbe. Jedoch könne hiervon jedenfalls dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn bereits aufgrund der Weisung des Arbeitgebers dauerhaft von mehrtägigen Auswärtstätigkeiten zur Ausübung der Tätigkeit ausgegangen werden müsse. Eine Prognose dahingehend, dass ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen gegeben sei, sei dann nicht mehr möglich. Auch in der Rechtsprechung werde ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen verlangt. So habe der Bundesfinanzhof den Fall eines Baumaschinenführers an das Finanzgericht zurückverwiesen, da zu klären sei, ob von Anfang an festgestanden habe, dass dieser nicht nur auf eintägigen, sondern auch auf mehrtägigen Baustellen eingesetzt würde (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 19. April 2021 VI R 6/19, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH (BFHE) 273, 108). Letzteres stehe nach Einschätzung des Bundesfinanzhofs einem arbeitstäglichen Aufsuchen entgegen. Da im Streitfall von Anfang an festgestanden habe, dass der Kläger den Betriebssitz nicht arbeitstäglich aufsuchen würde, seien die Fahrten zur Übernahme des Fahrzeugs an den Betriebssitz nach Reisekostengrundsätzen zu beurteilen.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2021 vom 30. September 2022 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit des Klägers weitere Werbungskosten in Höhe von 2.563,50 € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an den Ausführungen der Einspruchsentscheidung fest. Bestimme der Arbeitgeber -wie im Falle des Klägers- durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung, dass der Arbeitnehmer sich dauerhaft typischerweise arbeitstäglich an einem festgelegten Ort, der die Kriterien für eine erste Tätigkeitsstätte nicht erfülle (z. B. Treffpunkt für einen betrieblichen Sammeltransport, Busdepot, Fährhafen), einfinden solle, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, seien die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte zu behandeln. Der Bundesfinanzhof habe insoweit bereits entschieden, dass "typischerweise arbeitstägliches" Aufsuchen kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Ortes an sämtlichen Arbeitstagen erfordere und die Zuordnungsentscheidung nicht dokumentiert werden müsse. Die vom Kläger zitierten finanzgerichtlichen Urteile seien über den Einzelfall hinaus nicht anwendbar und sprächen auch nicht gegen die Einschätzung des Beklagten, da der Bundesfinanzhof entschieden habe, das typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen eben nicht das Aufsuchen an sämtlichen Arbeitstagen verlange.
Dem Gericht lag bei seiner Entscheidung eine Heftung mit Unterlagen aus dem Einkommensteuerfestsetzungs- und Rechtsbehelfsverfahren vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Einkommensteuerbescheid 2021 ist, soweit er Kosten für Fahrten des Klägers zum Betriebssitz seines Arbeitgebers nur im Wege der sogenannten Entfernungspauschale und nicht nach Reisekostenrecht berücksichtigt, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Handelt es sich bei den entsprechenden Aufwendungen eines Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG). Dabei deckt die einfache Wegstrecke sowohl die Hin- als auch die Rückfahrt ab (BFH, Urteil vom 12. Februar 2020 VI R 42/17, BFHE 268, 208). Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen (sog. Sammelpunkt), gilt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG). Aufwendungen für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder einem Sammelpunkt i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG sowie keine Familienheimfahrten sind, sind ebenfalls als Werbungskosten berücksichtigungsfähig. Sie können mit den tatsächlichen Aufwendungen oder alternativ mit den pauschalen Kilometersätzen angesetzt werden, die für das jeweils benutzte Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz festgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4a Sätze 1 und 2 EStG). Diese betragen bei Nutzung eines Kfz 0,30 € / gefahrenen Kilometer (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesreisekostengesetz).
Danach sind die Aufwendungen des Klägers für Fahrten zum Betriebssitz vorliegend nach den Grundsätzen des Reisekostenrechts zu berücksichtigen.
1.
Der Kläger hat keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG am Sitz seines Arbeitgebers.
Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 Aktiengesetz) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG). Dabei wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, nachrangig anhand quantitativer Kriterien. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss nicht ausdrücklich erfolgen, für steuerliche Zwecke nicht dokumentiert werden und setzt nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerlichen Folgen bewusst ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 22. November 2022 VI R 6/21, juris; vom 11. April 2019 VI R 40/16, BFHE 264, 248; vom 10. April 2019 VI R 6/17, BFHE 264, 258 und vom 12. Juli 2021 VI R 9/19, Sammlung der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2022, 11, jeweils m.w.N.). Fehlt eine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft 1. typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder 2. je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 4 EStG).
Vorliegend ist zwar unstreitig, dass der Kläger nicht über eine erste Tätigkeitsstätte am Sitz seines Arbeitgebers verfügt, dennoch ist dies durch das Gericht zu prüfen. Auch durch die dem Gericht vorliegenden Unterlagen wird jedoch eine erste Tätigkeitsstätte nicht ersichtlich.
a.
Danach hat der Arbeitgeber des Klägers diesen nach Auffassung des Gerichts weder ausdrücklich noch konkludent einer Tätigkeitsstätte zugeordnet.
aa)
Eine ausdrückliche Zuordnung liegt eindeutig nicht vor. Vielmehr hatte der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag seine Tätigkeit als Kraftfahrer für den Arbeitgeber jedenfalls in ganz Deutschland -auf dem ihm zugeordneten Fahrzeug- zu leisten. In der mündlichen Verhandlung hatte der Klägervertreter hierzu angegeben, die Zugmaschine des LKW sei dem Kläger zugeordnet und von diesem genutzt und entsprechend ausgestattet worden (persönliche Gegenstände durften in der Zugmaschine belassen werden und diese wurde auch bei Abwesenheit nicht anderweitig vergeben). Die Zugmaschine wurde jedoch durch den Kläger keinesfalls mit nach Hause genommen. Der LKW scheidet jedoch als erste Tätigkeitsstätte ohnehin aus, da es sich bei diesem nicht um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung handelt. Im Übrigen erfolgte eine ausdrückliche Zuordnung des Klägers nicht.
bb)
Auch eine konkludente Zuordnung des Klägers zum Betriebssitz des Arbeitgebers, dadurch, dass dieser den Betriebssitz des Arbeitgebers nach seinem eigenen, unstreitigen Vortrag regelmäßig zwei Mal die Woche aufzusuchen hatte, um den LKW zu übernehmen, auf Fahrtüchtigkeit zu prüfen und die Fahrpläne abzustimmen, vermag das Gericht jedoch nicht zu erkennen.
Insoweit ist auch die Natur der Tätigkeit zu berücksichtigen, nach der der Kläger regelmäßig auf seinem Fahrzeug, wie im Arbeitsvertrag vorgesehen jedenfalls in ganz Deutschland, tätig werden sollte. Soll der Arbeitnehmer nicht nur an einer (bestimmten) betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers beruflich tätig werden, sondern zum Beispiel an unterschiedlichen betrieblichen Einrichtungen oder ganz überwiegend außerhalb solcher Einrichtungen, kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der erkennende Senat anschließt, allein aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer eine (bestimmte) betriebliche Einrichtung zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gelegentlich aufzusuchen hat, nicht auf eine stillschweigende Zuordnung des Arbeitnehmers zu dieser Einrichtung geschlossen werden. Zwar entspreche es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll. Soll der Arbeitnehmer aber nicht nur an einer (bestimmten) betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers beruflich tätig werden, sondern zum Beispiel ganz überwiegend außerhalb solcher Einrichtungen, kann allein aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer eine (bestimmte) betriebliche Einrichtung zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gelegentlich aufsucht oder aufzusuchen hat, nicht auf eine stillschweigende Zuordnung des Arbeitnehmers zu dieser Einrichtung geschlossen werden. Dies werde auch durch § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 EStG bestätigt. Die Vorschrift liefe letztlich weitgehend leer, wenn eine stillschweigende Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte allein deshalb vorliegen würde, weil der Arbeitnehmer eine bestimmte betriebliche Einrichtung zwei- bis dreimal in der Woche für berufliche Tätigkeiten kurzfristig aufsucht beziehungsweise aufsuchen muss, er im Übrigen aber außerhalb der betrieblichen Einrichtung tätig wird (vgl. BFH, Urteil vom 14. September 2023 VI R 27/21, BFHE 282, 263 zur Tätigkeit eines Bauleiters). Zwar unterscheidet sich der hiesige Fall von der vorstehend durch den Bundesfinanzhof entschiedenen Konstellation dadurch, dass der Arbeitgeber des Klägers nur über eine einzige Niederlassung, den Betriebssitz verfügte. Jedoch sind die Grundsätze des vorstehenden Urteils nach Auffassung des Senates auch auf den hiesigen Fall übertragbar, denn die Frage der (konkludenten) Zuordnung knüpft letztlich an eine erkennbare Willensbildung des Arbeitgebers und nicht allein an die tatsächlichen Umstände an. Der Arbeitgeber des Klägers hat jedoch durch die Formulierung im Arbeitsvertrag zu erkennen gegeben, dass er die Tätigkeit des Klägers auf dessen LKW verortet und nicht am Betriebssitz. Zwar ist die Formulierung im Arbeitsvertrag insoweit recht offengehalten, jedoch wird sie dadurch gestützt, dass der Arbeitgeber des Klägers diesem regelmäßig eine Bestätigung bei Auswärtstätigkeit (ohne erste Tätigkeitsstätte / bei Fahrtätigkeit / bei Einsatzwechseltätigkeit) ausgefüllt und darin zu erkennen gegeben hat, dass er davon ausging, dem Kläger keine erste Tätigkeitsstätte zugeordnet zu haben. In einem solchen Fall ist für konkludente Zuordnungen kein Raum (vgl. Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 5. Dezember 2018 1 K 594/16, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 261, Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 15. Juni 2017 10 K 139/16, Deutsches Steuerrecht (DStR) 2018, 967 und FG Nürnberg, Urteil vom 8. Juli 2016 4 K 1836/15, EFG 2016, 1692). Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass es in der Literatur zwar an einer Auseinandersetzung mit der Frage fehlt, wann bei Fernfahrern eine erste Tätigkeitsstätte vorliegen kann. Jedoch geht Bergkemper in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 329. Lieferung, § 9 EStG, Rn. 477, 481 (ohne weitere Begründung) davon aus, ein Fernfahrer der mehrtägigen Fahrten unternimmt gehe grundsätzlich einer Auswärtstätigkeit nach und verfüge nicht über eine erste Tätigkeitsstätte.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bundesfinanzhof nach seiner für das seit 2014 geltenden Reisekostenrecht ergangenen Rechtsprechung klargestellt hat, dass es für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte nicht auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit ankommt, die der Arbeitnehmer dort ausüben soll. Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (s. z.B. BFH, Urteile vom 16. Dezember 2020 VI R 35/18, BFHE 271, 550 und vom 10. April 2019 VI R 17/17, BFH/NV 2019, 904 [BFH 03.04.2019 - VI R 46/17]). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich jedoch nicht, dass allein geringfügige Tätigkeiten des Arbeitnehmers an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zu einer Zuordnung zu dieser Tätigkeitsstätte führen (vgl. BFH, Urteil vom 14. September 2023 VI R 27/21, BFHE 282, 263). Vielmehr betrifft sie die Frage, ob bei Vorliegen einer Zuordnung, die in den entschiedenen Fällen stets ausdrücklich gegeben war, die dort ausgeübte Tätigkeit für die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte genügt.
b.
Fehlt dagegen eine Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers oder ist sie nicht eindeutig, so ist nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG auf die dort genannten quantitativen Kriterien abzustellen.
Auch diese liegen jedoch nicht vor. Der gesetzlichen Formulierung ist eindeutig zu entnehmen, dass der Arbeitnehmer an einer bestimmten Tätigkeitsstätte selbst tätig werden muss. Gemeint ist hier, dass er an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben muss (Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 5. Dezember 2018 1 K 594/16, EFG 2019, 261; Oertel in Kirchhoff, EStG, 17. Auflage 2018, § 9 EStG Rn. 56). Dass der Kläger seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit als Fernfahrer nicht am Betriebssitz nachgegangen ist, sondern dort lediglich vorbereitende und Nebentätigkeiten stattfanden, ist unstreitig.
2.
Auch die, zwischen den Beteiligten allein streitige, Annahme eines Sammelpunktes nach § 9 Abs. 1 Nr. 4a Satz 3 EStG und damit einhergehend die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale kommt entgegen der Auffassung des Beklagten vorliegend jedoch nicht in Betracht.
Diese setzt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG voraus, dass der Arbeitnehmer den Sammelpunkt zur Aufnahme der Arbeit aufgrund der Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah insoweit noch vor, dass der Arbeitnehmer "zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufzusuchen" hat (BTDrucks. 17/10774, S. 4). Ziel dabei war es, Fahrten zu einem vom Arbeitgeber dauerhaft festgelegten Ort, an dem sich der Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Festlegungen regelmäßig einzufinden oder seine dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig aufzunehmen hat, mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen (BTDrucks. 17/10774, S. 13). Ergänzt wurde dies auf Empfehlung des Finanzausschusses durch den Zusatz "typischerweise arbeitstäglich" (BTDrucks. 17/11180, S. 8). Hierdurch sollte klargestellt werden, dass die vorgesehene Regelung lediglich für die Berufsgruppen gilt, die im Normalfall arbeitstäglich z.B. an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort ein Fahrzeug in Empfang nehmen, dort im Rahmen der Sammelbeförderung abgeholt werden (BTDrucks. 17/11217, S. 7). Nach dem Wortlaut "typischerweise" ist nicht maßgebend, dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort im Veranlagungszeitraum ausnahmslos aufzusuchen hat. Vielmehr erfordert das Gesetz nur, dass er ihn nach der Anweisung "typischerweise arbeitstäglich" aufzusuchen hat. Typischerweise meint "in der Regel üblich", "im Normalfall". Damit bringt der Wortsinn zum Ausdruck, dass das Gesetz gerade kein ausnahmsloses Aufsuchen an sämtlichen Arbeitstagen voraussetzt. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob der Kläger gemäß den Weisungen des Arbeitgebers bei einer ex ante Betrachtung den Betriebssitz seines Arbeitgebers als von diesem festgelegten Ort (Sammelpunkt) auch typischerweise arbeitstäglich aufsuchen sollte, es sich also bei mehrtätigen Auswärtstätigkeiten um eine Ausnahme handeln sollte, oder ob dies von Beginn an beabsichtigt war (vgl. BFH, Urteil vom 19. April 2021 VI R 6/19, BFHE 273, 108).
Zwar hat der Kläger sich regelmäßig zu Beginn und zum Ende der Woche am Betriebssitz des Arbeitgebers einzufinden, um dort den LKW in Empfang zu nehmen und vor- und nachbereitende Tätigkeiten, wie die Überprüfung des LKW auf Fahrtauglichkeit, die Erstellung und Besprechung von Tourenplänen und das Be- und Entladen zu übernehmen. Dieses Aufsuchen des Betriebssitzes erfolgte jedoch aus ex ante Sicht nicht typischerweise arbeitstäglich. Insoweit mag zwar der Normzweck, Arbeitnehmer der Entfernungspauschale zu unterwerfen, die sich auf eine regelmäßig gleichbleibende Strecke einstellen können, auch in Fällen erfüllt sein, in denen der Beginn und das Ende der Tätigkeit stets am gleichen Ort stattfinden, jedoch nicht üblicherweise an jedem Arbeitstag. Gegen eine derartige Auslegung spricht jedoch der Wortlaut der Norm, der von arbeitstäglich spricht. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm lässt ein derart erweitertes Normverständnis nicht zu. Nach dieser war die Norm wie vorstehend dargestellt ursprünglich weiter gefasst, wurde jedoch durch den Finanzausschuss bewusst durch die Einführung des Zusatzes "typischerweise arbeitstäglich" eingeengt. Schließlich lässt auch die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erkennen, dass hier nicht auf Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit, sondern auf den Arbeitstag abzustellen ist. Bereits aus dem Arbeitsvertrag des Klägers ergibt sich jedoch, dass dieser deutschlandweit, ggf. sogar im Ausland seiner eigentlichen Fahrtätigkeit nachgehen sollte. Dies schließt ein regelmäßig arbeitstägliches Aufsuchen aus. Im Übrigen ist auch unstreitig, dass der Kläger während der Woche nicht an den Betriebssitz zurückkehrte. Danach war jedoch die mehrtägige Auswärtstätigkeit gerade die Regel/der Normalfall und nicht nur ein atypischer Ausnahmefall. Der Kläger hat im Streitjahr 2021 89 Fahrten zum Betriebssitz geltend gemacht. Demgegenüber stehen nach der Bestätigung seines Arbeitgebers 126 Tage mit 24-stündiger Abwesenheit. Auch wenn insoweit eine rein zeitliche Abgrenzung nicht angezeigt ist, stützt dieses den, letztlich auch unstreitigen Umstand, dass regelmäßig ein Aufsuchen des Betriebssitzes unter der Woche nicht stattfand. Vorliegend entsprach es mithin gerade dem prognostischen Normalfall, dass sich der Kläger nicht arbeitstäglich zum Betriebssitz des Arbeitgebers zu begeben hatte.
3.
Danach sind vorliegend weitere 2.563,00 € für Fahrkosten von dem Wohnort des Klägers zum Betriebssitz seines Arbeitgebers zu berücksichtigen. Der Kläger macht 89 Fahrten a 230 km geltend. Dies entspricht bei Ansatz der Kilometerpauschale von 0,30 €/km 6.141,00 €. Der Beklagte hat bisher Fahrkosten in Höhe von 3.578,00 € berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Fragen, ob ein Fernfahrer, der "seinen" LKW regelmäßig am einzigen Betriebssitz seines Arbeitgebers abholen muss und dort vor- und nachbereitende Tätigkeiten auszuüben hat, dem Betriebssitz des Arbeitgebers (quasi automatisch) konkludent zugeordnet ist, bzw. ob in diesen Fällen das Erfordernis des arbeitstäglichen Aufsuchens dergestalt auszulegen ist, dass auf den Beginn bzw. die Beendigung der Fahrtätigkeit abzustellen ist, sind soweit ersichtlich bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich dabei für das Gericht daraus, dass es zahlreiche gleichgelagerte Fälle geben dürfte. Auch der Klägervertreter gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, zahlreiche gleichgelagerte Fälle zu haben. Insoweit besteht ein Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung dieser Fälle.