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  • 15.01.2018 · IWW-Abrufnummer 198808

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 17.11.2017 – 4 K 3523/14 F

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der A GmbH & Co. KG für 2009, zuletzt geändert durch Bescheid vom 30. Oktober 2017, wird dahingehend geändert, dass die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 2.627.185,24 € vermindert wird.

    Die Feststellung des Zinsvortrags gem. § 4h EStG auf den 31. Dezember 2009 vom 26. Juni 2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2014 wird aufgehoben.

    Die Revision wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
     
    1

    Tatbestand
    2

    Streitig ist, ob im Streitjahr 2009 bei der A GmbH & Co. KG (A KG) die sog. Zinsschranke (§ 4h des Einkommensteuergesetzes in der für 2009 geltenden Fassung – EStG –) zur Anwendung kommt.
    3

    Die Klägerinnen waren in den Jahren 2008 und 2009 die Gesellschafterinnen der A KG (bzw. deren Rechtsnachfolger) und zwar die Klägerin zu 1. als Komplementärin, die Klägerin zu 2. (zu 5 %) und die Klägerin zu 3. (95 %) als Kommanditistinnen.
    4

    An der Klägerin zu 2. waren die H Unternehmensbeteiligungsgesellschaft mbH (H) zu 90 % und Herr X.A. zu 10 % beteiligt.
    5

    Die Klägerin zu 2. hielt den einzigen Geschäftsanteil an der Klägerin zu 3. und die Klägerin zu 3. den einzigen Geschäftsanteil an der Klägerin zu 1.
    6

    Die A KG wurde nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrags vom 14. August 2013 (mit Wirkung zum 1. Januar 2013) auf die A Verwaltungsgesellschaft mbH (heute: Klägerin zu 1.) verschmolzen.
    7

    Zwischen den Gesellschaften bestanden in den Streitjahren verschiedene Darlehensbeziehungen. U.a. hatte die H der A KG ein nur bedingt verzinsliches Betriebsmitteldarlehen i.H.v. 1,5 Mio. € gewährt (Vertrag vom 26. August 2009). Da die vertragliche Bedingung (Darlehensverwendung) in 2009 nicht eingetreten war, blieb die Verbindlichkeit unverzinslich und wurde – in Entsprechung mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699 – in 2009 abgezinst, was zu einem Abzinsungsertrag i.H.v. 412.500 € führte.
    8

    Ferner hatte die H der Klägerin zu 2. zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs an der Klägerin zu 3. – Sonderbetriebsvermögen II bei der A KG – ein Darlehen i.H.v. 10,7 Mio. € gewährt (Vertrag vom 12. Januar 2007 – passives Sonderbetriebsvermögen II der Klägerin zu 2. bei der A KG), für das die H ab dem 1. Januar 2009 (nur) auf Zinsen verzichtete. Der Ertrag aus der daraus resultierenden Abzinsung betrug 3.555.810,79 €.
    9

    Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen. Die Abzinsungserträge flossen in die steuerliche Gewinnermittlung der A KG für das Streitjahr ein (vgl. auch Schreiben des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J-Stadt – GKBP – vom 4. Juni 2013).
    10

    Die GKBP führte bei der A KG für die Jahre 2007 bis 2009 eine Betriebsprüfung durch (Bericht vom 14. Dezember 2011, insbesondere Tz. 2.5 und Anlage 2) und vertrat die Auffassung, dass die Regelung in § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG nicht für die erstmalige Bewertung von Verbindlichkeiten (Abzinsung) gelte (BMF-Schreiben vom 4. Juli 2008 BStBl I 2008, 718, Rz. 27). Ausgehend von einem EBITDA i.H.v. 9.272.572,90 € errechnete der Prüfer folgenden (nicht) abziehbaren Zinsaufwand für 2009:
    11

    Zinsaufwand 2009
       

    -2.854.422,07 €
       

    Zinsvortrag aus 2008
       

    -2.558.730,23 €
       

    Zinserträge 2009
       

    4.195,19 €
       

    Zinssaldo:
       

    -5.408.957,11 €
       

    30 % des EBITDA:
       

    2.781.771,87 €
       

    abziehbarer Zinsaufwand

    Saldo:
       

    -2.627.185,24 €
       

    nicht abzugsfähiger Zinsaufwand (vorzutragen)

    Außerbilanzielle Hinzurechnung für 2009
       

    68.455,01 €
       
    12

    Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der A KG vom 11. April 2012 setzte der Beklagte die Prüfungsfeststellung auf der Grundlage von § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) um und stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit ‑207.456,71 € fest.
    13

    Hiergegen legten sowohl die Prozessbevollmächtigten – am 8. Mai 2012 – als auch die B-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – am 14. Mai 2012 – Einspruch ein. Die A KG machte geltend, dass die Zinsschranke im Streitjahr nicht anzuwenden sei, weil unter Berücksichtigung der Abzinsungserträge i.H.v. insgesamt 3.968.310,79 € die Freigrenze von 3 Mio. € ersichtlich nicht erreicht werde. Dass der Beklagte die Erträge aus dieser Aufzinsung bei der Berechnung außer Acht lasse, widerspreche dem klaren Wortlaut des § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG, dessen Einschränkung nicht zu rechtfertigen sei.
    14

    Unter dem 26. Juli 2013 erließ der Beklagte einen entsprechenden (erstmaligen) Bescheid über die Feststellung des Zinsvortrags nach § 4h EStG auf den 31. Dezember 2009. Auf der Basis des Zinsvortrags auf den 31. Dezember 2008 i.H.v. 2.558.730 € (Bescheid vom 26. Juli 2013) und des Hinzurechnungsbetrages i.H.v. 68.455,01 € stellte der Beklagte den Zinsvortrag zum 31. Dezember 2009 i.H.v. 2.627.185 € fest. Auch hiergegen wurde Einspruch eingelegt.
    15

    Mit der abschlägigen Einspruchsentscheidung vertrat der Beklagte weiterhin die Auffassung der BP bzw. des BMF-Schreibens vom 4. Juli 2008 (a.a.O.). Der erstmaligen Abzinsung fehle der eigentliche Zinscharakter, sodass entsprechende Erträge zu Recht unberücksichtigt geblieben seien. Die Entscheidung ergehe vorläufig im Hinblick auf eine Vereinbarkeit der Zinsschranke mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
    16

    Mit der Klage machen die Klägerinnen weiterhin geltend, dass die Auslegung und Anwendung des § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG im BMF-Schreiben vom 4. Juli 2008, a.a.O., Rz. 27, unzutreffend sei. Der Wortlaut sei eindeutig und erfasse sämtliche Fälle der Abzinsung. Auch Systematik, Teleologie und Entstehungsgeschichte rechtfertigten kein abweichendes Auslegungsergebnis. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung verwiesen.
    17

    Das habe zur Folge, dass nicht nur die außerbilanzielle Hinzurechnung von Zinsaufwendungen aus 2009 (bislang i.H.v. 68.455,01 €) rückgängig zu machen sei, sondern auch die aus 2008 vorgetragenen Zinsaufwendungen (2.558.730,23 €) abzuziehen seien. Ein Zinsvortrag zum 31. Dezember 2009 verbleibe nicht.
    18

    Im Übrigen sei die Zinsschranke verfassungswidrig. Einer Aussetzung bzw. einem Ruhen werde allerdings nicht (mehr) zugestimmt.
    19

    Die Klägerinnen beantragen,
    20

    den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der A  GmbH & Co. KG für 2009 vom 11. April 2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2014 – zuletzt geändert durch Bescheid vom 30. Oktober 2017 – dahingehend zu ändern, dass die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 2.627.185,24 € vermindert werden und
    21

    den Bescheid über die Feststellung des Zinsvortrags gem. § 4h EStG auf den31. Dezember 2009 vom 26. Juni 2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2014 aufzuheben.
    22

    Der Beklagte beantragt,
    23

                  die Klage abzuweisen.
    24

    Er hält den Wortlaut des § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG nicht für eindeutig. Die Vorschrift enthalte gerade keine Fiktion, sodass darauf abzustellen sei, ob die erstmalige Bewertung einer Verbindlichkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG zu einer Gewinnerhöhung führe. Das sei aber bezogen auf die Bilanzposition der Verbindlichkeit nicht der Fall. Wenn und weil die Verbindlichkeit im Laufe des Jahres angesetzt werde, ergebe sich keine Betriebsvermögensmehrung gegenüber dem Vorjahr. Einer etwaigen (aus buchhalterischen Gründen erfolgenden) unterjährigen Einbuchung der Verbindlichkeit zum Nennwert und erst nachfolgende Abzinsung komme i.R. des Bestandsvergleichs keine Bedeutung zu.
    25

    Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung könne es ferner keinen Unterschiedmachen, wenn die Verbindlichkeit erst im Wege einer Novation unverzinslich geworden sei, sodass auch im Fall des Zinsverzichtes im laufenden Darlehensverhältnis entsprechend nicht von einem Zinsertrag i.d.S. ausgegangen werden könne.
    26

    Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2009 unter dem 30. Oktober 2017 abgeändert.
    27

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
    28

    Entscheidungsgründe
    29

    Die Klage ist zulässig und begründet.
    30

    1.               Die Klägerinnen sind als (ehemalige) Gesellschafter (bzw. als deren Rechtsnachfolger) klagebefugt (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Nach der Verschmelzung der A KG entfiel die Basis für eine Anwendung des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Die gesetzliche Prozessstandschaft geht nicht auf einen Rechtsnachfolger der Personengesellschaft über (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Oktober 1998 VIII B 61/98, BFH/NV 1999, 291 und vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, BFH/NV 2014, 170).
    31

    Die Klägerinnen haben zudem durch die Anfechtung auch des Bescheides über den Zinsvortrag gem. § 4h Abs. 4 EStG auf den 31. Dezember 2009 ihr Interesse an dessen Aufhebung zum Ausdruck gebracht. Da ein solcher Feststellungsbescheid im Folgejahr i.R. der Berechnung der Freigrenze (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG) nachteilige Folgen haben kann (vgl. Seiler in Kirchhof, § 4h EStG, Rn. 32), ist das – zusammen mit der entsprechenden Anfechtung des Gewinnfeststellungsbescheides geltend gemachte – Aufhebungsinteresse trotz der gesetzlichen Anordnung in § 4h Abs. 4 Satz 4 EStG anzuerkennen.
    32

    2.              Die angefochtenen Feststellungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die sog. Zinsschranke (§ 4h EStG) findet im Streitfall keine Anwendung. Der beantragten Abänderung des Gewinnfeststellungsbescheides steht auch nicht die Bestandskraft entgegen.
    33

    a)               Dem Klagebegehren steht nicht bereits die – während des Vorverfahrens eingetretene – Bestandskraft des streitgegenständlichen Gewinnfeststellungsbescheides entgegen. Im Auftreten eines neuen Bevollmächtigten – hier der Prozessbevollmächtigten – kann der Widerruf der bisherigen Vollmacht – B-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – gesehen werden (vgl. FG München, Urteil vom 8. Februar 2007 11 K 3990/04). Infolgedessen und nach dem zeitlichen Ablauf musste die spätere Erklärung von B-Wirtschaftprüfungsgesellschaft nicht so verstanden werden (und wurde von den Beteiligten auch nicht so verstanden), als solle das Einspruchsverfahren insgesamt beendet werden. Da die Beteiligten hiervon übereinstimmend ausgegangen sind, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.
    34

    b)               In der Sache erfolgte die Begrenzung des Abzugs der unstreitigen Zinsaufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG) zu Unrecht. Die Zinsschranke findet im Streitjahr keine Anwendung.
    35

    aa)              Zinsaufwendungen eines Betriebs sind nach Maßgabe des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG nur eingeschränkt abziehbar (sog. Zinsschranke). Nach Satz 2 sind Zinsaufwendungen, die nicht abgezogen werden dürfen, in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen (Zinsvortrag).
    36

    § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG ist nicht anzuwenden, wenn der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als 3 Mio. € beträgt (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG).
    37

    Gem. § 4h Abs. 3 Satz 2 EStG sind Zinsaufwendungen Vergütungen für Fremdkapital, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben. Zinserträge sind nach § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art, die den maßgeblichen Gewinn erhöht haben. Die Auf- und Abzinsung unverzinslicher oder niedrig verzinslicher Verbindlichkeiten oder Kapitalforderungen führen gem. § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG ebenfalls zu Zinserträgen oder Zinsaufwendungen.
    38

    bb)               Kontrovers ist in diesem Zusammenhang (allein), ob auch Erträge aus der erstmaligen Abzinsung von Verbindlichkeiten als Ertrag i.S. des § 4h Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG anzusehen sind (ablehnend BMF-Schreiben vom 4. Juli 2008, a.a.O., Rz. 27, anschließend Schenke in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4h, D43 f.; Förster in Gosch, KStG, 3. Auflage, § 8a, Rn. 284; Möhlenbrock/Pung, KSt, § 8a KStG, Rn. 227). Der Senat bejaht diese Frage (ebenso etwa Hick in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, § 4h EStG, Rn 81; Frotscher in Frotscher/Geurts, Einkommensteuergesetz, § 4h EStG, Rz 153; Dörfler in Erle/Sauter, KStG, § 4h EStG, Rz 197; Seiler in Kirchhof, § 4h EStG, Rn. 19).
    39

    Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen (vgl. statt vieler BFH-Beschluss vom 21. Juli 2016 IV R 26/14, BFHE 254, 371, BStBl II 2017, 202).
    40

    Der Wortlaut des § 4h Abs. 3 Satz 4 EStG erfasst erkennbar sämtliche Abzinsungserträge und differenziert nicht. Tragfähige Gründe, ihn i.S. der Auffassung des Beklagten bzw. des BMF zu reduzieren, bestehen nicht. Insbesondere lassen sich den Gesetzesmaterialien keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass eine solche Einschränkung des Wortlauts auch nur erwogen, geschweige denn beabsichtigt gewesen wäre (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4841, S. 48). Dabei besteht angesichts des mit Abzinsungen im Zusammenhang stehenden Normumfeldes, namentlich § 6 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 3a Buchstabe e) EStG, kein Anhalt dafür, dass insbesondere auch der Abzinsungsertrag bei erstmaliger Abzinsung dem Gesetzgeber nicht (ebenfalls) vor Augen gestanden haben müsste. Da die Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten (Ertrag) untrennbar mit den späteren Aufzinsungen (Aufwand) verknüpft ist, erscheint eine nur einseitige Berücksichtigung keineswegs zwingend und hätte daher einer (zumindest erkennbaren) gesetzgeberischen Anordnung bedurft.
    41

    Soweit der Beklagte unter Rückgriff auf die Regeln des Bestandsvergleichs (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) durch eine Verengung des Blicks auf die Bilanzposition der betreffenden (erstmals bilanzierten) Verbindlichkeit etwas anderes herleitet, wird das der gesetzlichen Anordnung nicht gerecht. Nach dem Wortlaut des § 4h Abs. 3 EStG ist gerade der Zinsertrag selbst angesprochen und zwar zum einen als „echter“ Zinsertrag i.S. einer Gegenleistung für die Kapitalüberlassung (§ 4h Abs. 3 Satz 3 EStG) sowie zum anderen als gesetzlich bestimmter Zinsertrag (§ 4h Abs. 3 Satz 4 EStG). In beiden Fällen muss sich der Zinsertrag gewinnerhöhend niedergeschlagen haben. Das ist indessen auch bei einer erstmaligen Abzinsung der Fall. Maßgebend ist insoweit nicht die Entwicklung alleinder Bilanzposition Verbindlichkeit, sondern die zutreffende steuerliche Würdigung des Geschäftsvorfalls „Darlehensgewährung“. Hier steht dem Zugang der Darlehensmittel (Aktiva) aufgrund der Abzinsung ein der Höhe nach verminderter Ansatz der Verbindlichkeit (Passiva) entgegen; der Differenzbetrag (Abzinsungsbetrag) erhöht den Gewinn (Abzinsungsertrag). Dabei ist es gleichviel, ob das buchhalterisch in einem oder in zwei Schritten nachvollzogen wird.
    42

    cc)               Nach diesen Maßgaben findet die Zinsschranke im Streitfall keine Anwendung, weil die gesetzliche Freigrenze unterschritten ist. Bei der im Rahmen der Zinsschranke gebotenen betriebsbezogenen Betrachtung – unter Einbeziehung der Sonderbereiche der Gesellschafter (vgl. nur Seiler in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 2017,§ 4h EStG, Rn. 15, 63 m.w.N.) – beträgt der für § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) EStG maßgebende negative Zinssaldo der A KG im Streitfall lediglich 1.440.646,32 €, weil der vom Beklagten zugrunde gelegten Zinssaldo i.H.v. ‑5.408.957,11 € um die bislang nicht berücksichtigten Abzinsungserträge i.H.v. 3.968.310,79 € zu korrigieren ist. Das ist rechnerisch, im Hinblick auf die steuerliche Gewinnermittlung der A KG (vor Anwendung des § 4h EStG) sowie die tatsächliche Beurteilung, soweit auf die Zinsen nachträglich verzichtet wurde, zwischen den Beteiligten nicht (mehr) streitig und der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich anders verhalten könnte.
    43

    dd)               Ist die Zinsschranke im Streitfall unanwendbar, kommt es auf Fragen ihrer Unionsrechts- oder Verfassungskonformität nicht an (vgl. BFH-Vorlagebeschluss vom 14. Oktober 2015 I R 20/15, BFHE 252, 44: BVerfG, Az. 2 BvL 1/16).
    44

    Angesichts dessen – sowie unbeschadet des Vorläufigkeitsvermerks im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und des Widerrufs der Zustimmung zur Verfahrensruhe gem. § 155 Satz 1 FGO, § 251 der Zivilprozessordnung (vgl. dazu Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. August 1997 6 K 121/97, EFG 1998, 221) – war im Übrigen weder eine Verfahrensaussetzung noch eine Anordnung der Verfahrensruhe geboten.
    45

    2.              Nach diesen Darlegungen ist der gewerbliche Gewinn der A KG antragsgemäß um 2.627.185,24 € zu vermindern, weil der zum 31. Dezember 2008 bestehende Verlustvortrag i.H.v. 2.558.730,23 € als Zinsaufwendung abziehbar wird und die außerbilanzielle Hinzurechnung i.H.v. 68.455,01 € rückgängig zu machen ist. Der Feststellungsbescheid ist entsprechend zu ändern, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Feststellung des Zinsvortrags gem. § 4h EStG auf den 31. Dezember 2009 war mangels verbleibender, nicht abziehbarer Zinsaufwendungen i.S. des § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG aufzuheben.
    46

    3.               Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war – zumal im Hinblick auf die abweichende Auffassung des BMF – wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.