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  • 21.05.2015 · IWW-Abrufnummer 144575

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 13.11.2014 – 5 K 5083/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Berlin-Brandenburg

    Urt. v. 13.11.2014

    Az.: 5 K 5083/14

    In dem Rechtsstreit
    XXX
    gegen
    XXX
    wegen Umsatzsteuer 2005, 2006
    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 5. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. November 2014 durch
    den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...,
    die Richterin am Finanzgericht ... und
    den Richter am Finanzgericht ...
    sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
    Tatbestand

    Die Klägerin betreibt einen Flugplatz. Im Ergebnis einer Außenprüfung versagte der Beklagte die Vorsteuer aus vier Rechnungen der B... GbR unter Hinweis darauf, dass diese Rechnungen eine unzutreffende Steuernummer des Rechnungsausstellers auswiesen, indem dort lediglich die Zahl 500 angegeben sei. Auf die Prüfungsberichte vom 30.11.2010 wird Bezug genommen. Noch vor Erlass der entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide legte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 16.11.2010 korrigierte Rechnungen mit der zutreffenden Steuernummer vor. Der Beklagte berücksichtigte gleichwohl in den Änderungsbescheiden vom 22.08.2011 die in Rede stehenden Vorsteuerbeträge nicht. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.

    Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die Vorsteuerbeträge seien in den Streitjahren 2005 bzw. 2006 zu berücksichtigen. Sie bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 15.07.2010 C-368/09 -Pannon Gep-; vom 08.05.2013 C-271/12 -Petroma Transports SA-) und des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 30.04.2009 VR 15/07; Beschlüsse vom 20.07.2012 VB 82/11 und 10.01.2013 XI B 33/12) und trägt vor, die ursprünglichen Rechnungsangaben seien zwar unvollständig gewesen, gleichwohl hätten diese Rechnungen die nach der Rechtsprechung des BFH erforderlichen Mindestangaben, nämlich Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt ohne Steuer, den Steuerbetrag und gegebenenfalls einen Hinweis auf eine Steuerbefreiung enthalten. Zudem seien die korrigierten Rechnungen dem Prüfer noch vor Erstellung des Prüfungsberichts zugeleitet worden.

    Die Klägerin beantragt,

    die Umsatzsteuerbescheide vom 22.08.2011 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11.12.2011 ersatzlos aufzuheben,

    hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Auffassung, die Vorsteuer sei erst im Zeitpunkt der Vorlage der korrigierten Rechnungen zu berücksichtigen.

    Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte ein Band Betriebsprüfungsakten, ein Band Umsatzsteuerakten sowie eine Heftung "Rechtsbehelf" vorgelegen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

    Der Vorsteuerabzug ist nicht in den Streitjahren zu gewähren, da die Rechnungskorrektur nach Auffassung des Senats keine Rückwirkung entfaltet (so auch Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9.10.2014 5 K 5092/14).

    Der Unternehmer kann die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt werden, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14 a ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG-). Dass die ursprünglichen Rechnungen die nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG geforderte Angabe der Steuernummer des Rechnungsausstellers nicht enthielten, ist unstreitig. Unstreitig ist auch, dass vor Erlass der Änderungsbescheide ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegt worden sind.

    Der EuGH hat mit Urteil vom 29.4.2004 (C-152/02 -Terra Baubedarf-, Slg. 2004, 5583) entschieden, dass Artikel 18 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern so auszulegen ist, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden dort genannten erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dass nämlich die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann. Die Voraussetzung des Besitzes einer Rechnung, die auch in der ab 2004 gültigen Fassung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG enthalten ist, schließt den Vorsteuerabzug zu einem Zeitpunkt, in dem eine (ordnungsgemäße) Rechnung (noch) nicht vorliegt, aus. Dies ist von der anschließenden Rechtsprechung des BFH bestätigt worden (vgl. Urteile vom 01.07.2004 V R 33/01, BStBl II 2004, 861; vom 30.04.2009 V R 15/07, BStBl II 2009, 774; Beschluss vom 3.8.2009 XI B 32, 33/09, [...]).

    Eine Änderung dieser Beurteilung aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 15.7.2010 (C-368/09) hält der Senat nicht für geboten (vgl. dagegen Anmerkungen zum EuGH-Urteil vom 15.7.2010 von Martin, BFH/PR 2010, 389 und Wäger, DStR 2010, 1478 sowie Ster- zinger, UR 2010, 700). Gegenstand des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Vorlagebeschlusses war die Frage, ob die nationalen ungarischen Rechtsvorschriften zu den erforderlichen Rechnungsangaben mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Dementsprechend hat sich der EuGH mit der Frage befasst, ob der Vorsteuerabzug nach nationalem Recht ausgeschlossen werden darf, wenn die Rechnung ursprünglich eine falsche Angabe enthielt, deren spätere Berichtigung nicht alle in den maßgeblichen nationalen Vorschriften enthaltenen Voraussetzungen erfüllt. Er hat klargestellt, dass die Mitgliedstaaten die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts nicht nach eigenem Gutdünken von der Erfüllung von Voraussetzungen betreffend den Inhalt von Rechnungen abhängig machen dürfen, die in der Richtlinie 2006/112/EG nicht ausdrücklich vorgesehen sind. In Beantwortung der Vorlagefrage hat der EuGH alsdann festgestellt, dass der Vorsteuerabzug dann nicht ausgeschlossen werden dürfe, "wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen."

    Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Der EuGH hat in der Entscheidung vom 15.7.2010 an keiner Stelle explizit festgestellt, dass der Besitz einer berichtigten Rechnung den Vorsteuerabzug zu einem früheren Zeitpunkt gestattet. Erstmals im Tenor der Entscheidung -und dort auch nur in einem Halbsatz - wird erwähnt, dass die berichtigte Rechnung vor der Entscheidung der Behörde vorgelegen hat. Auf sein entscheidendes Urteil vom 29.4.2004 zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs nimmt der EuGH nicht einmal Bezug. Dementgegen beschäftigt sich die Entscheidung vom 29.4.2004 ausschließlich mit der Vorlagefrage, für welchen Erklärungszeitraum das Vorsteuerabzugsrecht auszuüben ist, und beantwortet diese wie oben ausgeführt. Die Gegenüberstellung dieser beiden Urteile lässt nach Auffassung des Senats nur den Schluss zu, dass der EuGH mit seiner Entscheidung vom 15.7.2010 nicht zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs Stellung nehmen wollte und tatsächlich auch nicht Stellung genommen hat. Denn es ist davon auszugehen, dass der EuGH sich in diesem Fall mit Art. 179 der Richtlinie 2006/115/EG bzw. Art. 18 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG sowie seiner grundlegenden Entscheidung vom 29.4.2004 eingehend auseinandergesetzt hätte. Eine Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung in der Form eines schlichten Halbsatzes ist auszuschließen.

    Obgleich die Ausführungen des EuGH eine rückwirkende Anerkennung des Vorsteuerabzugs in dem konkreten Fall bedeuten, sind sie nach Ansicht des Senats aus den genannten Gründen nicht dahingehend zu verstehen, dass der Vorsteuerabzug nunmehr grundsätzlich rückwirkend zulässig sein soll und dass dies auch dann gilt, wenn - wie hier - die berechtigten Rechnungen noch vor Erlass des Umsatzsteuer-Änderungsbescheides eingereicht werden (so auch Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.9.2010 6 K 2089/10, UR 2010, 863). Eine andere Beurteilung ist schließlich auch nicht aufgrund des Beschlusses des BFH vom 20.7.2012 (V B 82/11, BStBl II 2012, 809) geboten.

    Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtsfrage nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    RechtsgebietUStGVorschriften§ 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG; § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG