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  • 06.05.2015 · IWW-Abrufnummer 144422

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 18.03.2015 – 2 K 256/12

    Die Kosten eines Rechtsstreits (Anwalts- u. Gerichtskosten) um erbrechtliche Auskunfts- und Pflichtteilsansprüche sind nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar (gegen BFH-Urteil 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015)


    Finanzgericht Schleswig-Holstein

    Urt. v. 18.03.2015

    Az.: 2 K 256/12

    In dem Rechtsstreit
    wegen Einkommensteuer 2011
    hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 18. März 2015
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

    Die Revision wird zugelassen.
    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über den Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuerfestsetzung.

    Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machten sie u. a. "Prozesskosten Erbsache" in Höhe von 1.668 € und "Anwaltskosten Erbsache" in Höhe von 4.144 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Diese Kosten basieren auf einem Rechtsstreit, mit dem die Klägerin gegen die Erben ihres leiblichen Vaters Auskunfts- und Pflichtteilsansprüche geltend gemacht hatte (vgl. Klagschrift vom 30. 3. 2010).

    Das Finanzamt berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid 2011 vom 3. 7. 2012 (Einkommensteuer festgesetzt auf ... €) lediglich den Betrag von 1.668 €. In den Erläuterungen wies das Finanzamt darauf hin, dass die Anwalts- und Prozesskosten (Erbsache) keine außergewöhnlichen Belastungen darstellten und daher steuerlich nicht abzugsfähig seien.

    Hiergegen erhoben die Kläger form- und fristgerecht Einspruch, mit dem sie, unter Bezugnahme auf die BFH-Rechtsprechung, weiterhin die Berücksichtigung der Zivilprozesskosten geltend machten.

    Das Finanzamt wies im Rechtsbehelfsverfahren darauf hin, dass eine Verböserung in Betracht komme, da die Prozesskosten in Höhe von 1.668 € versehentlich als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden seien (vgl. Schriftsatz vom 23. 8. 2012).

    Da die Kläger den Einspruch nicht zurücknahmen, erhöhte das Finanzamt mit Entscheidung vom 14. 11. 2012 die Einkommensteuer auf ... € und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück:

    Das von den Klägern in Bezug genommene Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. 5. 2011 (Aktenzeichen VI R 42/10) sei über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Mit dieser Entscheidung habe der BFH seine Rechtsauffassung geändert. Der Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen sei danach möglich, wenn die Prozessführung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Dieses Urteil sei am 20. 12. 2011 auch amtlich veröffentlicht worden (BStBl. II 2011, 1015). Zeitgleich habe aber das Bundesministerium für Finanzen, auf die Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder, das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus für nicht anwendbar erklärt (BStBl. I 2011, 1286). Für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw. der Motive der Verfahrensbeteiligten stünden der Finanzverwaltung keine Instrumente zur Verfügung. Betroffen von der neuen Rechtsprechung sei jedoch eine erhebliche Anzahl von Fällen, in denen von Seiten der Behörde eine rechtliche Beurteilung vorgenommen werden müsste. Im Hinblick auf eine mögliche gesetzliche Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten, die auch die rückwirkende Anknüpfung an die bisher geltende Rechtslage einschließe, könnten daher grundsätzlich Prozesskosten auch für eine Übergangszeit nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

    Der hier vorliegende Sachverhalt stelle auch keinen Sonderfall dar, indem eine Anerkennung von Zivilprozesskosten ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen in Betracht komme. Das Einklagen eines gesetzlich zustehenden Erbanspruchs der Ehefrau würde keinen existenziell wichtigen Bereich betreffen. Die Existenzgrundlage sei durch das erzielte Familieneinkommen gesichert. Auch ohne die Auszahlung des Erbanspruchs seien die Kläger in der Lage, ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen zu befriedigen.

    Schließlich sei die Steuer höher festzusetzen, da im angefochtenen Einkommensteuerbescheid die Prozesskosten Erbsache in Höhe von 1.668 € versehentlich als außergewöhnliche Belastung Anerkennung gefunden hätten. Auf die beabsichtigte Verböserung seien die Kläger hingewiesen worden.

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage. Die Kläger berufen sich weiterhin auf die neue Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 12. 5. 2011 (Aktenzeichen VI R 42/10). Die entstandenen Kosten seien zwangsläufig. Die Kläger seien, um ihre Ansprüche durchzusetzen, vom Gesetzgeber darauf verwiesen worden, den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Die Klage sei vor dem Landgericht geführt worden. Der Gesetzgeber habe die Kläger verpflichtet, einen Rechtsanwalt mit der Führung der Klage zu beauftragen. Der Rechtsanwalt habe im Rahmen der gesetzlichen Gebühren abgerechnet. Die dort beklagte Frau A sei auf das Anerkenntnisurteil vom 16. 11. 2010 verurteilt worden, an die Klägerin einen Betrag von 43.323,89 € zu zahlen. Im Schlusstermin habe die dortige und hiesige Klägerin aufgrund einer Klagrücknahme mit einem Anteil von 17 % unterlegen. Die Klagrücknahme sei aber zu Beginn des Verfahrens nicht vorherzusehen gewesen. Vielmehr sei aus dem Anerkenntnisurteil vollstreckt und festgestellt worden, dass die Beklagte Frau A nicht in der Lage gewesen sei, die anerkannte Forderung zu zahlen. Dies habe sich dann aus dem Protokoll der eidesstattlichen Versicherung, welches die beklagte Frau A auf die erfolglose Vollstreckung hin abgeben musste, ergeben. Um Kosten zu sparen, habe der damalige Rechtsanwalt der Klägerin unter dem 10. 5. 2011, vor dem Hintergrund der eidesstattlichen Versicherung, empfohlen, hinsichtlich des noch offenen Restbetrages in Höhe von 9.074,62 € die Klage zurückzunehmen. Anlässlich der Rückfrage der Rechtsanwälte ... habe der Prozessbevollmächtigte der beklagten Frau A erklärt, dass er das Mandat niedergelegt habe. Damit sei auch kein Kostenausgleichungsantrag durch die beklagte Frau A mehr möglich. Nach Kenntnis der Klägerin habe sich kein neuer Rechtsanwalt für die beklagte Frau A zur Gerichtsakte gemeldet.

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    den Einkommensteuerbescheid 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. 11. 2012 zu ändern und dabei weitere 4.144 € und 1.668 € als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Finanzamt bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

    Auf Anfrage des Berichterstatters hat das Finanzamt dem Ruhen des Verfahrens zugestimmt, nicht aber die Kläger (vgl. Schriftsatz vom 7. 10. 2013).

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie 1 Bd. Einkommensteuerakten mit der Steuernummer ... Bezug genommen. Diese war beigezogen und Gegenstand der Entscheidung.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    1.

    Der Senat entscheidet den Rechtsstreit, obwohl objektiv Gründe für ein Ruhen des Verfahrens nach § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind. Denn zu der hier streitigen Rechtsfrage der Anerkennung von Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG sind eine Vielzahl von Revisionsverfahren bereits beim BFH anhängig (vgl. z. B. die Übersicht im Urteil des Thüringer FG vom 14. 5. 2014, EFG 2015, 37). Dennoch haben die Kläger einem Ruhen des Verfahrens auf Anfrage des Berichterstatters ausdrücklich nicht zugestimmt. Der Senat ist daher, zur Vermeidung einer Verzögerungsrüge gem. § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), gehalten, den Rechtsstreit fortzuführen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. 6. 2014, BStBl II 2014, 933 [BFH 04.06.2014 - X K 12/13]).

    2.

    Der angefochtene Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. 11. 2012 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten; eine Änderung kommt somit nicht in Betracht (§ 100 Abs. 1, 2 FGO). Das Finanzamt hat zu Recht die geltend gemachten Aufwendungen für den Zivilprozess nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

    a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

    § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26. 6. 2013 (BGBl. I 2013, 1809) - AmtshilfeRLUmsG -, wonach Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen sind, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, gelangt im Streitfall nicht zur Anwendung. Da der Gesetzgeber keine besondere Anwendungsbestimmung aufgestellt hat, gilt die am 1. 1. 2013 in Kraft getretene Norm (Art. 31 Abs. 1 des AmtshilfeRLUmsG) ab dem Veranlagungszeitraum 2013 (§ 52 Abs. 1 EStG).

    b) Für die Entscheidung, ob Aufwendungen zwangsläufig i. S. des § 33 EStG i. d. F. des Streitjahres angefallen sind, ist auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hat. Liegt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 18. 3. 2004 III R 31/02, BStBl II 2004, 867). Die Kosten eines Zivilprozesses wurden bis zum Ergehen der Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) lediglich in besonders gelagerten Fällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die erforderliche Zwangsläufigkeit der Kosten wurde nur dann bejaht, wenn die Durchführung eines Gerichtsverfahrens prozessrechtlich der einzige Weg war, das Klageziel zu erreichen. Nach der nunmehr vom BFH im Urteil vom 12. 5. 2011 (a. a. O.) vertretenen Auffassung ergibt sich die rechtliche Zwangsläufigkeit der für die Durchführung eines Zivilprozesses entstandenen Kosten unabhängig vom Gegenstand des Verfahrens aus dem staatlichen Gewaltmonopol und der daraus folgenden Notwendigkeit für den Steuerpflichtigen, streitige Ansprüche gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Die für die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen i. S. des § 33 Abs. 1 EStG erforderliche Unausweichlichkeit liegt für den Steuerpflichtigen bereits darin, dass er - will er sein Recht durchsetzen - im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten muss. Unausweichlich sollen derartige Aufwendungen allerdings nur dann sein, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Zivilprozesskosten sollen zudem der Höhe nach nur insoweit abziehbar sein, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten; etwaige Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 12. 5. 2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl 2011, 1015).

    Der IX. Senat des BFH hat offen gelassen, ob er dieser geänderten Rechtsprechung folgen könnte (vgl. Urteil vom 19. 3. 2013 IX R 41/12, BFH/NV 2013, 1168). Darüber hinaus hätte der VI. Senat nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 9. 10. 2014 (GrS 1/13 [...]) vor der Änderung der Rechtsprechung bei den anderen für außergewöhnliche Belastungen auch zuständigen Senate anfragen müssen. Dennoch ist die überwiegende Mehrzahl der Finanzgerichte der geänderten Rechtsprechung gefolgt (vgl. Übersicht im Urteil des Thüringer FG vom 14. 5. 2014 3 K 830/13, EFG 2015, 37).

    Nach dieser neuen Rechtsprechung wären auch die von den Klägern geltend gemachten Rechtsanwalts- und Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. An der Zwangsläufigkeit und Unausweichlichkeit der Anwalts- und Gerichtskosten bestehen aus Sicht des Senats keine Zweifel. Auch der Höhe nach bestehen keine Bedenken in Bezug auf die Angemessenheit der Aufwendungen.

    c) Dieser neuen Rechtsprechung des VI. Senats des BFH ist u. a. das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 11. Februar 2014 (EFG 2014, 850) entgegen getreten. In dieser Entscheidung führt das FG Düsseldorf Folgendes aus:

    "a) Leitmaxime des Einkommensteuerrechts ist die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die das verfassungsrechtlich im Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerte Gebot der Steuergleichheit konkretisiert (vgl. etwa Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 4.12.2002 2 BvR 400/98, Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 107, 27). Demzufolge sind Aufwendungen, die zu einer Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit führen, aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Abzugsfähig sind dabei nicht nur die sog. Erwerbsaufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erwirtschaftung von Einkünften stehen und die objektive steuerliche Leistungsfähigkeit bestimmen (sog. objektives Nettoprinzip), sondern auch private Ausgaben, die der Deckung des existentiell notwendigen Lebensbedarfs dienen (sog. subjektives Nettoprinzip, vgl. etwa BFH-Urteil vom 8.7.2010 VI R 10/08, BFHE 230, 352, BStBl II 2011, 32 [BFH 08.07.2010 - VI R 10/08]). Nach dem subjektiven Nettoprinzip muss dem Steuerbürger ein "staatsfreies Existenzminimum" verbleiben, da die Fähigkeit zur Steuerzahlung erst nach Deckung des allernotwendigsten Lebensbedarfs beginnt (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2004 XI R 37/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2005, 1024 m.w.N.). Das EStG trägt dem subjektiven Nettoprinzip Rechnung, indem es z.B. im Tarif den Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 EStG berücksichtigt und für bestimmte Minderungen der subjektiven Leistungsfähigkeit Abzugsmöglichkeiten als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen vorsieht. Der Tatbestand des § 33 EStG ist daher zugleich Ausfluss und Konkretisierung des subjektiven Nettoprinzips.

    b) Auf der Tatbestandsebene des § 33 EStG kommt der Zusammenhang mit dem subjektiven Nettoprinzip in dem Merkmal der "Außergewöhnlichkeit" - umschrieben durch die (verunglückte) Formulierung "größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands" - zum Ausdruck (vgl. etwa BFH-Urteil vom 27.9.2007 III R 71/06, abrufbar in [...]). Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen, liegen (vgl. BFH-Urteil vom 27.9.2007 III R 71/06, abrufbar in [...]; a.A. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 590, der die Einschränkung auf den existentiell notwendigen Lebensbedarf aus dem Merkmal "notwendig" ableitet und dieses im Sinne einer "existentiellen Notwendigkeit" interpretieren will). Der Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen ergänzt daher den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 EStG. Beide Vorschriften betreffen den existenziell notwendigen Lebensbedarf. Sie unterscheiden sich aber dadurch, dass der Grundfreibetrag den regelmäßig entstehenden existentiellen Grundbedarf typisierend abbildet, während demgegenüber § 33 EStG den unregelmäßigen und untypischen und damit nicht typisierbaren existenznotwendigen Aufwand betrifft (vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 206).

    c) Dieser Systematik trägt die geänderte BFH-Rechtsprechung nach Auffassung des Senats nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Der BFH sieht die "Außergewöhnlichkeit" von Prozesskosten vor dem Hintergrund als gegeben an, dass diese nicht im sozialhilferechtlichen Regelbedarf enthalten seien (so die Argumentation des VI. Senats im BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 [BFH 12.05.2011 - VI R 42/10]). Nach Auffassung des Senats bestehen aber insoweit gerade im Hinblick auf Prozesskosten Besonderheiten. Ebenso wie das EStG unterscheidet auch das Sozialrecht zwischen dem laufenden, regelmäßig entstehenden Grundbedarf, der sich in dem sog. Regelbedarf ausdrückt (vgl. § 20 SGB II, § 27a SGB XII), und - vergleichbar den außergewöhnlichen Belastungen im EStG - dem sog. Mehr- und Sonderbedarf aufgrund atypischer Lebenssituationen (vgl. etwa §§ 21 ff. SGB II und §§ 30 ff. SGB XII). Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bilden Prozesskosten weder Regel- noch Mehrbedarf (vgl. etwa Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25.2.2010 L 7 AS 117/09, abrufbar in [...]; Urteil des Landessozialgerichts NRW vom 7.5.2013 L 6 AS 63/13 B, abrufbar in [...]). Die Begründung hierfür sieht die sozialgerichtliche Rechtsprechung darin, dass bei Hilfebedürftigkeit der Anspruch auf einen Zuschuss zu den Prozesskosten in den Verfahrensordnungen abschließend durch die Regelung zur Prozesskostenhilfe geregelt ist. Deren Bestimmungen sollen den Regelungen über die Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII vorgehen (vgl. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25.2.2010 L 7 AS 117/09, abrufbar in [...]). Die Prozesskostenhilfe bildet daher ein eigenständiges System der Hilfe für Bedürftige, die sich in der besonderen Situation befinden, dass sie staatlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen müssen. Hintergrund hierfür ist, dass der Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet sein soll. Art. 3 GG und das Rechtsstaatsprinzip gebieten daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.3.1990 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von Prozesskostenhilfe zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung, Bedürftigen auch Prozesskostenhilfe für Verfahren zu gewähren, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Gewährleistung des sozialrechtlichen Existenzminimums stehen, geht über die Werteentscheidung des EStG, die unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung von der Besteuerung auszunehmen, hinaus. Nach Auffassung des Senats können daher einkommensteuerlich allenfalls solche Prozessaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können, die durch ein Gerichtsverfahren veranlasst sind, in dem über für den Steuerpflichtigen existentielle Fragen entschieden wird.

    Dagegen lässt die neuere Rechtsprechung des BFH, wonach jeder mit hinreichender Erfolgsaussicht geführte Zivilprozess als unausweichlich und damit als zwangsläufig i. S. des § 33 EStG anzusehen wäre, die dem Tatbestand des § 33 EStG immanente Beschränkung auf den existentiell notwendigen Lebensbedarf außer Acht. Der Senat schließt sich der Kritik von Steinhauff an, dass nach der geänderten Rechtsprechung des BFH nunmehr auch solche Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen wären, die mit dem notwendigen Lebensbedarf des Steuerpflichtigen nichts zu tun haben (vgl. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 5). Einen Abzug derartiger Aufwendungen gebietet das subjektive Nettoprinzip jedoch nicht. Dass die BFH-Rechtsprechung einen zu weitgehenden Abzug von Prozesskosten ermöglichen würde, wird nach Auffassung des Senats an der im Streitfall gegebenen Konstellation deutlich. Die im Zusammenhang mit der Erteilung des Erbscheins entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem existenziell notwendigen Lebensbedarf der Klägerin.

    d) Gegen die vom BFH im Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 40, BStBl II 2011, 1015 [BFH 12.05.2011 - VI R 42/10]) vertretene Rechtsauffassung spricht aus Sicht des Senats schließlich auch, dass der BFH eine entsprechende Sichtweise in früheren Entscheidungen bereits ausdrücklich aufgegeben hatte. In seiner Rechtsprechung zu den Kosten einer Ehescheidung hatte der BFH mit einer ähnlich gelagerten Begründung wie derjenigen des VI. Senats in seinem Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 [BFH 12.05.2011 - VI R 42/10]) den Abzug von Ehescheidungskosten als außergewöhnliche Belastung zunächst erlaubt. Nach der seinerzeit vom BFH vertretenen Auffassung resultierte die Zwangsläufigkeit der Ehescheidungskosten daraus, dass eine Ehe bei Lebzeiten des anderen Ehegatten nur durch eine gerichtliche Scheidung - also unter Inanspruchnahme des Rechtswegs - gelöst werden konnte (vgl. etwa BFH-Urteile vom 8.11.1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111 [BFH 08.11.1974 - VI R 22/72] und vom 23.2.1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407 [BFH 23.02.1968 - VI R 239/67]). In seinem Urteil vom 2.10.1981 VI R 38/78 (BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116 [BFH 02.10.1981 - VI R 38/78]) setzte sich der BFH mit dieser Rechtsprechung auseinander und gestand ausdrücklich zu, dass es darauf, dass eine Ehe nur durch eine gerichtliche Entscheidung gelöst werden könne, bei der Bestimmung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht allein ankommen könne, weil sonst auch Aufwendungen für jeden anderen rechtsgestaltenden Staatsakt, wie z.B. die Gebühren des Standesbeamten für eine Eheschließung, als zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG anzusehen wären. Die Zwangsläufigkeit könne daher im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung gemessen werden. Erforderlich sei vielmehr, dass auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein müsse. Diese Grundannahme, dass Prozesskosten nur als zwangsläufig zu erachten sind, wenn das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist, hat der BFH in der Folgezeit konsequent auch auf die Kosten eines Zivilprozesses übertragen und im Übrigen daran festgehalten, dass eine Vermutung gegen ihre Zwangsläufigkeit spricht (vgl. etwa BFH-Urteil vom 9.5.1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 [BFH 09.05.1996 - III R 224/94]). In seinem Urteil vom 4.12.2001 III R 31/00 (BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382 [BFH 04.12.2001 - III R 31/0]) hat der BFH seine Rechtsprechung zu dieser Problematik dahingehend modifiziert, dass eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen seien, dann greife, wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berühre und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nach Auffassung des Senats war die Entwicklung der früheren Rechtsprechung vor dem Hintergrund, dass das subjektive Nettoprinzip nur den Abzug existentiell notwendiger Aufwendungen gebietet, folgerichtig."

    Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des FG Düsseldorf inhaltlich voll an (ablehnend gegenüber der geänderten Rechtsprechung auch FG Hamburg, Urteil vom 24. 9. 2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41; Liebl, jurisPR-SteuerR 10/2014 Anm. 1; Heger in Blümich, Kommentar zum EStG, § 33 RNr. 220).

    Unter Berücksichtigung der früheren Rechtsprechungsgrundsätze sind die im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Es ging in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit um Auskunfts- und Pflichtteilsansprüche, die die Klägerin gegenüber den Erben ihres verstorbenen leiblichen Vaters geltend gemacht hatte. Damit waren keine existentiell wichtigen Bereiche oder der Kernbereich des menschlichen Lebens betroffen. Die Klägerin ist letztlich ein Prozessrisiko eingegangen, mit dem Ziel, eine Vermögensbereicherung zu erzielen. Eine Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen im Sinne der früheren BFH-Rechtsprechung ist nicht dargelegt.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war im Hinblick auf die unverändert für die Jahre bis 2012 ungeklärte Rechtslage und die Vielzahl der anhängigen Revisionsverfahren zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).