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  • 16.03.2007

    Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 23.06.2006 – 6 K 1236/02

    Von der Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist neben den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen auch die im jeweiligen Jahr gezahlte Einkommensteuer abzuziehen. Unerheblich ist, ob/dass die Kürzung der Einkünfte um die geleistete Einkommensteuer systemfremd ist.

    Zur Prüfung, ob die eigenen Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, in Berufsausbildung befindlichen Kindes den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überstiegen haben, ist neben den gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen auch die im Kalenderjahr gezahlte Einkommensteuer von den erzielten Einnahmen des Kindes abzuziehen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 6. Senat – ohne mündliche Verhandlung am 23. Juni 2006 durch die Richterin am Finanzgericht … als Einzelrichterin für Recht erkannt:

    Der Bescheid vom 2. Juni 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. April 2002 wird aufgehoben und Kindergeld für das Kind A… für das Jahr 1999 gewährt.

    Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Tatbestand:

    Die Klägerin ist Mutter ihres im Juni 1973 geborenen Sohnes A…, der im Jahr 1999 an der Universität L… studierte.

    Im Streitjahr erzielte der Sohn der Klägerin Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von DM 15.726 sowie aus einer Halbwaisenrente in Höhe von DM 5.028. Erhöhte Werbungskosten machte er nicht geltend. An ausbildungsbedingten Mehraufwand erklärte er DM 1.110. An Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung aus der Rente wurden einbehalten DM 395 und an Sozialversicherungsbeiträgen aus der nichtselbständigen im Vorjahr lagen die Einnahmen des Sohnes A… unter der Bemessungsgrenze für die Einkommensteuer.

    Die Beklagte hob mit Bescheid vom 2. Juli 2001 die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 1999 auf, da die Einkünfte und Bezüge nach ihrer Berechnung den Grenzbetrag in Höhe von DM 13.020 überstiegen. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

    Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, die Beklagte habe die Einkünfte ihres Sohnes falsch berechnet. Bei Berechnung der Einkünfte sei von dem Nettolohn ihres Sohnes unter Berücksichtigung des ausbildungsbedingten Mehraufwandes auszugehen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheides vom 2. Juli 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. April 2002 aufzuheben und Kindergeld für das Kind A… für das Jahr 1999 zu gewähren.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Festsetzung von Kindergeld für das Jahr 1999 zu Unrecht aufgehoben. Die Klägerin hat für die Monate Januar bis Dezember 1999 Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn A….

    Das Kind A… ist im Streitjahr als Kind in der Berufsausbildung gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c, Satz 1 Einkommensteuergesetz –EStG– für das Kindergeld zu berücksichtigen.

    Die von dem Kind A… im Jahr 1999 erzielten Einkünfte liegen unter der gesetzlichen Einkunftsgrenze gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Danach wird ein Kind für das Kindergeld berücksichtigt, wenn seine eigenen Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, den Betrag von DM 13.020 im Streitjahr nicht übersteigen. Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Ansatz; entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden.

    Entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Relativsatz „die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind” nicht nur auf die Bezüge, sondern auch auf die Einkünfte des Kindes zu beziehen. Dies bedeutet, dass die Einkünfte um diejenigen Beträge, die, wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, von Gesetzes wegen dem einkünfteerzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung von Unterhalt zu dienen bestimmt sind, nicht in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen. (BVerfG Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, DStR 2005, 911).

    Nach Auffassung der Einzelrichterin ist die im Jahr 1999 gezahlte Einkommensteuer ebenfalls nicht in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen. Auch hierbei handelt es sich um Beträge, die von Gesetzes wegen dem einkünfteerzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung von Unterhalt zu dienen bestimmt sind. Insofern kommt es nicht darauf an, ob/dass die Kürzung der Einkünfte um die im Streitjahr geleistete Einkommensteuer systemfremd ist. Entscheidend ist allein, dass die gezahlte Einkommensteuer dem Lebensunterhalt des Kindes nicht mehr zur Verfügung steht und die Kindeseltern in dieser Höhe keine Entlastung von ihren Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind erfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen ausdrücklich offengelassen, welche Beträge es nicht in die Berechnungsgröße einbeziehen will. Deutlich gemacht wurde jedoch, dass es sich bei der Entscheidung hinsichtlich der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handelte. (Urteil des FG Brandenburg vom 9. März 2006, Rev. III R 32/06).

    Nach diesem Grundsatz sind im vorliegend zu beurteilenden Fall die Einkünfte des Kindes A… für das Jahr 1999 unter Berücksichtigung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeträge sowie der gezahlten Einkommensteuer zu berechnen. Die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Einkünfte stellt sich wie folgt dar (Berechnung in DM):

    Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit15.726
    Werbungskostenpauschbetrag2.000
    Einkünfte13.726
    Halbwaisenrente5.028
    Abzüglich Unkostenpauschbetrag360
    Abzüglich Werbungskostenpauschbetrag200
    Bezüge4.468
    Einkünfte und Bezüge bisher18.194
    ausbildungsbedingter Mehrbedarf1.110
    Beiträge Kranken-, Pflegeversicherung – Rente395
    Sozialversicherungsbeiträge3.310
    Einkommensteuer, gezahlt497
    Einkünfte und Bezüge,
    die zur Bestreitung der Berufsausbildung geeignet sind12.882


    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

    VorschriftenEStG 1997 § 32 Abs. 4 S. 2, EStG 1997 § 12 Nr. 3