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  • 26.11.2013

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 20.09.2013 – 4 K 4588/11 E

    1) Ein Steuerpflichtiger kann die Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrags auf sich verlangen, wenn nur er der Unterhaltspflicht
    gegenüber dem Kind im Wesentlichen nachgekommen ist. Dies ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige den anderen Elternteil im
    Rahmen eines privatschriftlichen Trennungsvertrags sowie eines Prozessvergleichs unentgeltlich von der Unterhaltsverpflichtung
    freistellt.


    2) Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt entgegen R 32.13 Abs. 4 Satz 2 EStR 2005 nicht stets auch zur Übertragung des
    Freibetrags für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Denn bei volljährigen Kindern ist eine Übertragung dieses
    Freibetrags gesetzlich nicht vorgesehen.


    Im Namen des Volkes


    URTEIL


    In dem Rechtsstreit


    hat der 4. Senat in der Besetzung: Präsident des Finanzgerichts … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche
    Richterin … Ehrenamtliche Richterin … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 20.09.2013 für Recht erkannt:


    Tatbestand:

    Streitig ist, ob dem Kläger im Streitjahr 2008 die steuerlichen Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes
    – EStG –) in vollem Umfang zuzurechnen sind.


    Die Beigeladene und der Kläger sind inzwischen geschiedene Eheleute. Sie lebten seit Februar 2006 dauernd getrennt. Die Scheidung
    der Ehe erfolgte im Juli 2009. Aus der Ehe gingen vier im Streitjahr 2008 steuerlich zu berücksichtigende Kinder hervor (A.,
    geb. xx.xx.1986; B., geb. xx.xx.1987; C., geb. xx.xx.1989; D., geb. xx.xx.1993). Die Kinder lebten im Streitjahr im Haushalt
    des Klägers.


    Der Kläger verpflichtete sich in einem privatschriftlichen „Trennungsvertrag” vom 04.02.2006, der Beigeladenen monatlich EUR
    1.500 an Trennungsunterhalt zu zahlen. Ferner sollte er sämtliche Kosten für die Ausbildung, Freizeitgestaltung, Kleidung
    und Nachhilfe der Kinder übernehmen. Nach Angaben des Klägers orientierte sich die Höhe des Trennungsunterhalts zum einen
    an den ortsüblichen Mieten (ca. EUR 500 bis EUR 800), zum anderen an den bisherigen ehelichen Lebensverhältnissen.


    Nachdem der Kläger ab September 2007 den monatlichen Unterhaltsbetrag an die Beigeladene auf EUR 1.000 herabgesetzt und diese
    beim Familiengericht Trennungsunterhaltsklage erhoben hatte (Amtsgericht N-Stadt, Az. 10 F xxx/07), verständigten sie sich
    in einem gerichtlichen Vergleich vom 13.12.2007, dass der Kläger der Beigeladenen „pauschalen Trennungsunterhalt” von monatlich
    EUR 1.250 zu zahlen habe. Der Kindesunterhalt sollte – wie bisher auch – vollständig vom Kläger getragen werden. Ferner vereinbarten
    der Kläger und die Beigeladene, dass die Höhe des Trennungsunterhalts „in keiner Weise” präjudiziell für den nachehelichen
    Unterhalt sein sollte (vgl. Ziff. 1. und 3. des Vergleichs vom 13.12.2007).


    Im Zuge des Scheidungsurteils des Familiengerichts vom 02.07.2009 (Amtsgericht N-Stadt, Az. 10 F yyy/07) verständigten sich
    die Beigeladene und der Kläger in der Folgesache „Nachehelicher Unterhalt” einvernehmlich und vorläufig darauf, dass der Kläger
    an die Beigeladene nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich EUR 600 zu zahlen und die Beigeladene „derzeit keinen Kindesunterhalt
    zu entrichten” habe (vgl. Ziff. 1. und 5. der Vereinbarung vom 02.07.2009).


    In einer weiteren, nunmehr endgültigen Vereinbarung vor dem Familiengericht vom 18.11.2010 (Amtsgericht N-Stadt, Az. 10 F
    yyy/07 UE) verständigten sich die dortigen Beteiligten u.a. darauf, dass die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des nachehelichen
    Unterhalts mit Ablauf des Monats Dezember 2011 ende. Ferner heißt es in Ziff. 6. der Vereinbarung, dass der Kläger die Beigeladene
    „weiterhin” bis zum Ablauf des Monats Dezember 2011 von jeglichen Unterhaltsansprüchen der gemeinsamen Kinder freistelle.
    Im Gegenzug verpflichtete sich die Beigeladene, für die Dauer der Freistellung dem Kläger „alle steuerlichen Kinderfreibeträge
    zukommen zu lassen” und „alle hierfür erforderlichen Erklärungen gegenüber den zuständigen Behörden abzugeben”.


    In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 machte die Beigeladene für die vier gemeinsamen Kinder die hälftigen
    Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG geltend, die der Beklagte im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für 2008
    vom 23.09.2009 auch antragsgemäß berücksichtigte.


    Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für 2008 für die gemeinsamen Kinder den Abzug der Freibeträge nach
    § 32 Abs. 6 EStG in voller Höhe, da lediglich er, nicht aber die Beigeladene der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern im
    Wesentlichen nachgekommen sei (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG). Der seinerzeit noch für die Steuerfestsetzung gegenüber dem Kläger
    örtlich zuständige Beklagte führte auch insoweit eine antragsgemäße Veranlagung durch (Einkommensteuerbescheid vom 04.02.2010).


    Aufgrund einer Mitteilung des für den Kläger zuständigen Veranlagungsbezirks vom 26.01.2010, dass die Freibeträge für Kinder
    nach § 32 Abs. 6 EStG nur ihm – dem Kläger – zustünden, änderte der Beklagte mit Bescheid vom 04.02.2010 die bestandskräftige
    Einkommensteuerfestsetzung der Beigeladenen nach § 175 der Abgabenordnung (AO) und berücksichtigte dementsprechend bei ihr
    keine kindbedingten Freibeträge mehr.


    Im hierauf folgenden Einspruchsverfahren, zu dem der Kläger notwendig hinzugezogen wurde (§ 360 Abs. 3 AO), machte die Beigeladene
    geltend, sie habe im Rahmen der gerichtlichen Unterhaltsvereinbarung die Freistellung von der Unterhaltszahlungspflicht an
    die Kinder entgeltlich vom Kläger erworben und könne daher die hälftigen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG beanspruchen (Hinweis
    auf das BFH-Urteil vom 24.03.2006 III R 57/00, BFH/NV 2006, 1815).


    Der Beklagte half dem Begehren der Beigeladenen im Einspruchsverfahren ab und rechnete ihr mit geändertem Bescheid vom 24.11.2011
    – wie bereits ursprünglich – die Hälfte der steuerlichen Freibeträge für Kinder zu. Gegenüber dem hinzugezogenen Kläger erließ
    der Beklagte ebenfalls am 24.11.2011 eine dementsprechende negative Einspruchsentscheidung. Das inzwischen für den Kläger
    örtlich zuständig gewordene Finanzamt F-Stadt änderte daraufhin mit Bescheid vom 18.01.2012 die Einkommensteuerfestsetzung
    des Klägers für 2008 nach § 174 AO und berücksichtigte nur noch die Hälfte der steuerlichen Freibeträge für Kinder.


    Der Kläger hat als Hinzugezogener am 23.12.2011 Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 24.11.2011 erhoben. Zur Begründung
    trägt er vor, dass die Beigeladene die Freistellung von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den gemeinsamen Kindern nicht
    entgeltlich erworben habe. Maßgebend für das Streitjahr 2008 sei insoweit die am 13.12.2007 getroffene Vereinbarung (Amtsgericht
    N-Stadt, Az. 10 F xxx/07), wonach der Kindesunterhalt vollständig von ihm – dem Kläger – getragen werden sollte, diese Regelung
    aber nur vorübergehenden Charakter und insbesondere keine präjudizielle Wirkung für die später zu treffenden Regelungen für
    den nachehelichen Unterhalt gehabt habe.


    Der Kläger beantragt (sinngemäß),

    den gegenüber der Beigeladenen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24.11.2011 und die gegenüber ihm selbst ergangene
    Einspruchsentscheidung vom 24.11.2011 aufzuheben.


    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Beigeladene sei durch die Vergleichsvereinbarungen vom Kläger entgeltlich vom Kindesunterhalt
    freigestellt worden; der Kläger habe daher auch für Rechnung der Beigeladenen den Kindesunterhalt geleistet.


    Nachdem der Berichterstatter die geschiedene Ehefrau des Klägers mit Beschluss vom 21.08.2012 notwendig zum Verfahren beigeladen
    hatte, beantragt diese (sinngemäß),


    die Klage abzuweisen.

    Auch die Beigeladene ist der Ansicht, dass sie selbst mittelbar über den Kläger im Streitjahr Unterhalt für ihre Kinder geleistet
    habe. Sowohl die Trennungsvereinbarung vom 04.02.2006 als auch die Regelungen im gerichtlichen Vergleich vom 13.12.2007 hätten
    hinsichtlich der Freistellung vom Kindesunterhalt entgeltlichen Charakter. Es sei insoweit unerheblich, dass der Trennungsunterhalt
    nach Maßgabe des Vergleichs vom 13.12.2007 nur in pauschaler Form geleistet worden sei. Denn bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts
    sei der Kindesunterhalt, den sie – die Beigeladene – grundsätzlich gegenüber den Kindern hätte leisten müssen, vorab zur Feststellung
    des unterhaltsrechtlich bedeutsamen Einkommens in Abzug zu bringen.


    Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, die eingereichten
    Unterlagen, die den Streitfall betreffenden Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogene Prozessakte des Amtsgerichts N-Stadt
    (Az. 10 F xxx/07).


    Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten und ihren Vertretern am 29.10.2012 den Sach- und Streitstand erörtert und hierbei
    den Kläger und die Beigeladene persönlich gehört. Insofern wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tag.


    Auf den Hinweis des Berichterstatters vom 13.06.2013 wird Bezug genommen.

    Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 90 Abs.
    2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), ist zum Teil begründet.


    1. Der Kläger, der durch den zu Gunsten der Beigeladenen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24.11.2011 und die
    Einspruchsentscheidung vom 24.11.2011 als Drittbetroffener unmittelbar selbst belastet ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom
    11.05.2005 VI R 38/02, BStBl II 2005, 776), kann insoweit die Änderung des vorgenannten Einkommensteuerbescheides der Beigeladenen
    beanspruchen, als zu deren Gunsten


    für die Kinder A., B., C. und D. jeweils der hälftige Kinderfreibetrag in Höhe von jeweils EUR 1.824 (bei B. für 8/12 Monate
    = EUR 1.216) sowie


    für das Kind D. der hälftige Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von EUR 1.080 berücksichtigt
    wurde.


    Insoweit ist der Kläger durch die geänderte Einkommensteuerfestsetzung zu Gunsten der Beigeladenen in seinen Rechten verletzt
    100 Abs. 1 Satz 1 FGO).


    Soweit der Kläger mit der Anfechtung des geänderten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 und der Einspruchsentscheidung
    vom 24.11.2011 auch beanstandet, dass der Beigeladenen für das Streitjahr 2008 für die volljährigen Kinder A., B. und C. der
    hälftige Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von jeweils EUR 1.080 zugeordnet wurde,
    ist die Klage dagegen unbegründet. Die gegenüber der Beigeladenen erfolgte Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2008
    ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.


    2. Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG i.d.F. des Streitjahres 2008 wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende
    Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von EUR 1.824 für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie
    ein Freibetrag von EUR 1.080 für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes abgezogen. Bei zur Einkommensteuer
    zusammen veranlagten Ehegatten verdoppeln sich die vorgenannten Beträge für die gemeinsamen Kinder (§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG).
    Erfüllen die beiden Elternteile – wie der Kläger und die Beigeladene im Streitjahr 2008 – nicht die Voraussetzungen für eine
    Ehegattenveranlagung (dauerndes Getrenntleben), wird dagegen nach § 32 Abs. 6 Satz 6 Halbs. 1 EStG auf Antrag eines Elternteils
    (Kläger) der dem anderen Elternteil (Beigeladene) zustehende Kinderfreibetrag in Höhe von EUR 1.824 auf ihn (Kläger) übertragen,
    wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil (Beigeladene) seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr
    im Wesentlichen nachkommt. Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist
    (Beigeladene), zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von EUR 1.080 auf
    Antrag des anderen Elternteils (Kläger) auf diesen übertragen (§ 32 Abs. 6 Satz 6 Halbs. 2 EStG).


    3. Soweit die Klage Erfolg hat, ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:

    a. Die Übertragung des grundsätzlich der Beigeladenen zustehenden hälftigen Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs-
    oder Ausbildungsbedarf auf den Kläger für das gemeinsame Kind D. in Höhe von EUR 1.080 rechtfertigt sich aus § 32 Abs. 6 Satz
    6 Halbs. 2 EStG. D. war im Streitjahr 2008 minderjährig und ausschließlich in der Wohnung des Klägers gemeldet. Auf die Frage,
    ob auch die Beigeladene ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind D. erfüllte, kommt es insoweit – jedenfalls im Streitjahr
    2008 – nicht an.


    b. Der Kläger kann antragsgemäß die Übertragung der grundsätzlich der Beigeladenen zustehenden hälftigen Kinderfreibeträge
    gemäß § 32 Abs. 6 Satz 6 Halbs. 1 EStG beanspruchen. Im Streitjahr ist nur er seiner gegenüber den Kindern bestehenden Unterhaltspflicht
    im Wesentlichen nachgekommen, nicht aber die Beigeladene.


    aa. Dass die Beigeladene im Jahr 2008 unmittelbar selbst weder Bar- noch Betreuungsunterhalt gegenüber ihren Kindern leistete,
    steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Zudem stellte der Kläger die Beigeladene nicht
    entgeltlich von der Verpflichtung, Unterhalt zu leisten, frei, so dass diese auch nicht im Wege der Erfüllungsübernahme durch den Kläger
    (§§ 329, 415 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –) mittelbar Unterhalt gegenüber den gemeinsamen Kindern leistete.


    (1.) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der erkennende Senat anschließt, ist für die Frage, ob durch
    die Unterhaltszahlungsfreistellung des einen Elternteils eine Erfüllungsübernahme zu sehen ist, darauf abzustellen, ob die
    Freistellung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Eine unentgeltliche Freistellung liegt hiernach vor, wenn sie nicht rechtlich
    abhängig ist von einer die Freistellung ausgleichenden Gegenleistung. Wird die Freistellung in einem Prozessvergleich über
    die Scheidungsfolgen vereinbart, indizieren der Wille zum Vergleich und die hiermit verbundene Gleichwertigkeit von Rechten
    und Verpflichtungen grundsätzlich die Entgeltlichkeit. Maßgebend ist insoweit, dass die Beteiligten bei Abschluss des Vergleichs
    davon ausgehen, dass sich die von den Parteien zu erbringenden Leistungen und erklärten Verzichte gleichwertig gegenüberstehen
    (vgl. BFH-Urteile vom 24.03.2006 III R 57/00, BFH/NV 2006, 1815 und vom 27.10.2004 VIII R 11/04, BFH/NV 2005, 343; Schmidt/Loschelder,
    EStG, 32. Aufl., § 32 Rdnr. 89).


    (2.) Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellte der Kläger die Beigeladene im Streitjahr 2008 zwar von ihrer Unterhaltsverpflichtung
    frei; dies erfolgte aber nicht entgeltlich.


    (a.) Entscheidend für die Beantwortung der Streitfrage sind die für das Jahr 2008 geltenden Vereinbarungen des Klägers und
    der Beigeladenen. Erster – und auch maßgeblicher – Anknüpfungspunkt hierfür ist der privatschriftliche „Trennungsvertrag”
    vom 04.02.2006, mit dem sich der Kläger zum einen verpflichtete, gegenüber der Beigeladenen Trennungsunterhalt nach § 1361
    BGB in Höhe von monatlich EUR 1.500 zu zahlen und zum anderen auch dazu verpflichtete, zunächst zeitlich beschränkt bis zum
    31.01.2007 im Wesentlichen den Kindesunterhalt zu leisten.


    Für den Senat liegen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch den „Trennungsvertrag” vom 04.02.2006 begründete
    Freistellung von der Verpflichtung der Beigeladenen, Unterhalt an die gemeinsamen Kinder zu zahlen, eine Gegenleistung im
    Rahmen der Höhe des vereinbarten Trennungsunterhalts war. Durch die Vereinbarungen aus Februar 2006 sollte zur Überzeugung
    des Senats eine rein vorläufige und zügig zu vollziehende Regelung für den Trennungsunterhalt getroffen werden, zumal nach
    den unbestrittenen Angaben des Klägers für die Berechnung der Höhe des Unterhalts offenbar im Wesentlichen die Kosten für
    die Anmietung einer Wohnung durch die Beigeladene maßgeblich war. Zudem fließt auch die Verpflichtung, Kindesunterhalt zu
    leisten, nicht als Rechnungsposition in den Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB ein; es handelt sich ausschließlich um den
    Anspruch des getrennt lebenden Ehegatten auf seinen persönlichen Unterhalt während der Trennungsphase. Unterhaltspflichten
    gegenüber Dritten zählen hierzu nicht (vgl. Weber-Monecke in Münchner Kommentar zum BGB, § 1361 Rdnr. 39 m.w.N.). Vor diesem
    Hintergrund kann der Trennungsvereinbarung vom 04.02.2006 nicht entnommen werden, dass die Beigeladene im Gegenzug zur vollständigen
    Übernahme der Unterhaltspflichten durch den Kläger entgeltlich auf eine ihr zustehende Rechtsposition verzichtete.


    (b.) Gleiches gilt für die Folgezeit ab Februar 2007 und auch für die Vereinbarungen im Prozessvergleich, den der Kläger und
    die Beigeladene am 13.12.2007 in den familiengerichtlichen Verfahren 10 F xxx/07 und 10 F xxy/07 vor dem Amtsgericht N-Stadt
    schlossen. Denn Grundlage des dortigen – für das Streitjahr 2008 geltenden – Vergleichs war die von der Beigeladenen erhobene
    Trennungsunterhaltsklage, die darauf zurückzuführen war, dass der Kläger abweichend von der Trennungsvereinbarung vom 04.02.2006
    ab September 2007 nur noch Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich EUR 1.000 zahlte. Auch bei der dortigen Vereinbarung,
    nunmehr Trennungsunterhalt in Höhe von EUR 1.250 zu zahlen, ist nicht ersichtlich, dass die Regelung zum Kindesunterhalt nunmehr
    i.S. einer Verrechnung Einfluss auf die Höhe des Trennungsunterhalts i.S. von § 1361 BGB hatte. Neue – gegenüber der Vereinbarung
    vom 04.02.2006 hinausgehende – Berechnungsparameter beinhaltet der Prozessvergleich vom 13.12.2007 nicht. Dies ergibt sich
    nach Ansicht des Senats bereits aus dem Umstand, dass das Vergleichsergebnis rechnerisch exakt die Mitte trifft (EUR 1.500
    zu EUR 1.000 = EUR 1.250) und sich auch sonst aus der beigezogenen Prozessakte 10 F xxx/07 keine Hinweise darauf ergeben,
    dass die Unterhaltsfreistellung der Beigeladenen Rechengröße für die Höhe des vereinbarten Trennungsunterhalts war. Die rein
    vorläufige Festlegung des Unterhaltsanspruchs ist auch Ziff. 3. des Vergleichs zu entnehmen, in der ausdrücklich festgehalten
    wurde, dass der Trennungsunterhalt als „pauschaler Unterhaltsbetrag” gezahlt würde und „in keiner Weise präjudiziell” für
    den nachehelichen Unterhalt sein solle.


    (3.) Die Wertungen des BFH in seiner Entscheidung vom 24.03.2006 (BFH/NV 2006, 1815) sind nicht auf den vorliegenden Streitfall
    übertragbar. Die Entgeltlichkeit der Freistellung von der Unterhaltsverpflichtung begründete der BFH damit, dass die Freistellung
    in einem notariellen Vertrag über die
    Scheidungsfolgen (im dortigen Streitfall waren der Kindesunterhalt, die gegenseitigen Unterhalts- und Versorgungsausgleichsansprüche, die
    Vermögensauseinandersetzung und der Zugewinnausgleich zu regeln) vereinbart wurde. Hieraus schlussfolgerte der BFH zu Recht,
    dass die Freistellung vom Kindesunterhalt entgeltlichen Wert im Hinblick auf die weiteren zu regelnden Folgen (u.a. Zugewinnausgleich)
    hatte. Im Streitfall lag dagegen für das Jahr 2008 noch keine Vereinbarung über Scheidungsfolgen vor. Die Ehe war noch nicht
    geschieden. Geregelt wurde einzig und allein die Höhe des Trennungsunterhalts nach § 1361 BGB.


    (4.) Die weiteren gerichtlichen Vereinbarungen des Klägers und der Beigeladenen vom 02.07.2009 (10 F yyy/07) und vom 18.11.2010
    (10 F yyy/07 UE) haben für das Streitjahr 2008 im Hinblick auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung keine steuerliche Relevanz.


    bb. Die auf den Kläger zu übertragenen Kinderfreibeträge belaufen sich für die Kinder A., C. und D. auf jeweils EUR 1.824
    sowie für das Kind B. auf EUR 1.216 (8/12 Monate).


    B. absolvierte vor der Aufnahme seines Maschinenbaustudiums bis einschließlich 30.04.2008 Grundwehr- bzw. Zivildienst und
    war daher bis zu jenem Zeitpunkt nicht als Kind im steuerlichen Sinne gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.


    4. Rechtmäßig war die Entscheidung des Beklagten, der Beigeladenen für das Streitjahr 2008 für die volljährigen Kinder A.,
    B. und C. jeweils den hälftigen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von jeweils
    EUR 1.080 zuzuordnen. Insoweit bestand kein Übertragungstatbestand zu Gunsten des Klägers.


    Nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung wird nur bei
    minderjährigen Kindern der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Elternteils, bei dem das Kind nicht
    gemeldet ist, auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen. Die Übertragung des Freibetrags für volljährige Kinder
    ist gesetzlich nicht möglich (vgl. auch Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rdnr. D 31; Loschelder in Schmidt,
    EStG, § 32 Rdnr. 94), so dass es auch dann, wenn einer der Elternteile diesbezüglich keine Unterhaltsaufwendungen trägt, bei
    einer hälftigen Zuordnung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bleibt. Vor diesem Hintergrund
    widerspricht die gegenläufige Ansicht der Finanzverwaltung in der Richtlinie (R) 32.13 Abs. 4 Satz 2 der Einkommensteuerrichtlinien
    2005 (EStR), wonach die Übertragung des Kinderfreibetrags
    stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf führt, dem Wortlaut des §
    32 Abs. 6 Satz 8 EStG eindeutig (ebenso Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 32 Rdnr. 83; Grönke-Reimann in Hermann/Heuer/Raupach,
    EStG, § 32 Rdnr. 189).


    Zwar mag es aus Gründen der Wahrung des subjektiven Nettoprinzips durchaus erwägenswert sein, die Übertragung des Kinderfreibetrags,
    der das sächliche Existenzminimum des Kindes abdeckt, sowie die des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
    an identische gesetzliche Voraussetzungen zu knüpfen. Allerdings fordert der steuerliche Abzug des im Jahr 1999 durch das
    Familienförderungsgesetz (BGBl I 1999, 2552) eingeführten Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
    nicht den Nachweis, dass der jeweilige Elternteil tatsächlich dementsprechenden Aufwand getragen hat (BT-Drs. 14/1513, Seite
    14; Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rdnr. A 43 m.w.N.). Deshalb ist die Grundentscheidung des Gesetzgebers,

    beiden Elternteilen unabhängig von der Erfüllung der Unterhaltspflichten eine (weitere) steuerliche Entlastung für den Betreuungsund
    Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zukommen zu lassen, nach Ansicht des erkennenden Senats folgerichtig und mit dem subjektiven
    Nettoprinzip vereinbar. Zudem bewegt sich der Gesetzgeber auch noch im Rahmen zulässiger Typisierung, wenn er bei der – ausnahmsweise
    möglichen – Übertragung des Freibetrags für den Betreuungsund Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für Minderjährige an die
    melderechtliche Erfassung des Kindes anknüpft und hiermit unterstellt, dass der in diesem Lebensabschnitt vordergründig bestehende
    Betreuungs- und Erziehungsbedarf grundsätzlich von dem Elternteil geleistet wird, in dessen Haushalt das Kind gemeldet ist
    (vgl. aber die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131, eingeführte Neuregelung in § 32
    Abs. 6 Satz 9 EStG). Im Hinblick darauf, dass die Freibetragsgewährung keine tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen voraussetzt,
    kann dagegen im Rahmen typisierender Betrachtung bei volljährigen Kindern, bei denen der Ausbildungsbedarf in den Vordergrund
    tritt, eine Übertragung auf den Elternteil, in dessen Wohnung das (volljährige) Kind gemeldet ist, nicht erfolgen. Denn die
    Bezugnahme auf den melderechtlichen Status lässt – anders als bei Betreuungs- und Erziehungsleistungen – vom Grundsatz her
    keine Schlüsse darauf zu, welcher Elternteil den Ausbildungsbedarf des Kindes deckt (vgl. Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
    EStG, § 32 Rdnr. D 31 m.w.N.).


    5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO. Es entsprach billigem Ermessen, auch der Beigeladenen
    einen Teil der Gerichtskosten aufzuerlegen, da sie sich selbst aktiv am Verfahren beteiligte und ausweislich ihres Schriftsatzes
    vom 05.08.2013 – versehen mit Sach- und Rechtsargumenten – dafür eintrat, die Klage abzuweisen. Im Hinblick auf die näheren
    Gesamtumstände des Rechtsstreits hielt es der Senat zudem für angemessen, die Beteiligten nicht mit gegenseitigen Erstattungs-
    (und ggf. Verrechnungs-)ansprüchen hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten zu belasten.


    6. Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO);
    ebenso erfordert die Fortbildung des Rechts insoweit keine höchstrichterliche Entscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Zwar
    weicht die Entscheidung des Senats von der Anweisung der Finanzverwaltung in R 32.13 Abs. 4 Satz 2 EStR ab, wonach die Übertragung
    des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
    führen soll. Allerdings widerspricht diese – nicht näher von der Verwaltung begründete – Ansicht gegen den eindeutigen Wortlaut
    des § 32 Abs. Abs. 6 Sätze 6 und 8 EStG. Zudem wurde bereits höchstrichterlich entschieden, dass die Voraussetzungen für die
    Übertragung des Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG nicht zwingend gleichlautend mit denen der Übertragung des
    Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gemäß § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG sein müssten (BFH-Urteil
    vom 18.05.2006 III R 71/04, BStBl II 2008, 352).

    VorschriftenEStG § 32 Abs 6 Satz 6, EStG § 32 Abs 6 Satz 8, EStG § 32 Abs 6 Satz 1