21.12.2004 · IWW-Abrufnummer 042450
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 30.06.2004 – 7 K 1882/02 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
7 K 1882/02 E
Urteil
In dem Rechtsstreit xxx hat der 7. Senat in der Besetzung: xxx auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 30.06.2004 für Recht erkannt:
Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14.08.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung wird dahingehend geändert, dass der Veräußerungsgewinn um 11.500 DM herabgesetzt wird. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger sind Miteigentümer zu je 50 % des selbstgenutzten Einfamilienhauses xxx in xxx. Das Gebäude hatten die Kläger 1983 erworben; der Kaufpreis von 320.000 DM wurde durch Darlehensmittel finanziert. Darlehensnehmer waren beide Kläger. Die Klägerin ist Hausfrau; der Kläger war im Streitjahr als Facharzt für Urologie in gemieteten Räumen selbstständig tätig. Er ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Keller des im Übrigen zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses hatte der Kläger ein Arbeitszimmer, einen Behandlungsraum (je 7,1 % der gesamten Nutzfläche des Hauses) und ab 1987 einen Lagerraum (14,16 % der gesamten Nutzfläche) unterhalten. Hierfür hatte er in den Vorjahren die anteiligen Hauskosten und die AfA als Betriebsausgaben abgezogen, und zwar für den Behandlungsraum bis 30.11.1993, für das Arbeitszimmer bis 31.12.1995 und für den Lagerraum von 1987 bis 1998.
Zum 28.12.1998 veräußerte er die Praxis für 360.000 DM, wovon 60.000 DM auf die Einrichtung und 300.000 DM auf den Praxiswert entfielen. Der Kläger erklärte für 1998 einen Veräußerungsgewinn von 375.572 DM.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Aufgabegewinn 1998 sei um den Entnahmewert des Lagerraums (23.000 DM) zu erhöhen, da sowohl der hälftige Miteigentumsanteil des Klägers als auch der der Ehefrau notwendiges Betriebsvermögen darstelle. Die dem Kläger zustehende unentgeltliche Nutzungsbefugnis am Gebäudeanteil der Klägerin sei wie ein materielles Wirtschaftsgut zu behandeln. Ein Grundstücksteil von untergeordneter Bedeutung liege nicht vor. Insoweit sei auf die erstmalige eigenbetriebliche Nutzung abzustellen; zu dem Zeitpunkt habe die Nutzung sich auf alle Kellerräume (28,36 % der Gesamtnutzfläche) erstreckt. Zum Entnahmezeitpunkt seien 14,14 % betrieblich genutzt worden; damit ergebe sich eine Gewinnerhöhung um 23.000 DM.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14.8.2000 legten die Kläger Einspruch ein und trugen zur Begründung vor, die Nutzungsbefugnis des Ehemanns sei unentgeltlich erworben. Die Kosten des Einfamilienhauses seien von beiden Ehegatten zu gleichen Teilen getragen worden. Bezüglich des Grundstücksanteils des Ehemanns liege ein Fall von untergeordneter Bedeutung vor. Der Beklagte wies den Einspruch am 4.3.2002 zurück. Er führte aus, der Kläger habe zulässigerweise die AfA auf den betrieblich genutzten Anteil der Ehefrau an den Kellerräumen in Anspruch genommen. Seine unentgeltliche Nutzungsbefugnis sei wie ein entgeltlich erworbenes Wirtschaftsgut zu behandeln. Bei Ende der Nutzungsbefugnis ergebe sich eine Gewinnrealisierung.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger tragen vor, der Anteil des Kellerraums an der gesamten Nutzfläche betrage 28,36 %; auf den Kläger entfalle ein Anteil von 14,18 %. Der Gewinn bezüglich des Grundstücksanteils der Ehefrau sei nicht anzusetzen. Die unentgeltliche Nutzungsbefugnis sei nicht wie ein materielles Wirtschaftsgut zu behandeln, da der Kläger insoweit keine Kosten getragen habe. Die Kläger hätten das bebaute Grundstück zu je ½ erworben. Die Anschaffungskosten seien durch Darlehen finanziert worden.
Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14.8.2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass der Aufgabegewinn um 11.500 DM herabgesetzt wird, hilfsweise Revisionszulassung.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung, hilfsweise Revisionszulassung.
Er trägt vor:
Die gesamte Nutzfläche des Gebäudes betrage 175,26 qm. Die beruflich genutzten Kellerräume, für die der Kläger die AfA in Anspruch genommen habe, hätten ausweislich der Gewinnermittlung für 1987 24,85 qm betragen. Vor der Einführung des § 8 EStDV durch das Jahressteuergesetz 1996 seien betrieblich genutzte Grundstücksteile dann nicht zu aktivieren gewesen, wenn ihr Wert weder mehr als ein Fünftel des Werts des gesamten Grundstücks noch mehr als 20.000 DM betragen habe. Bei der Prüfung der Fünftelgrenze sei das Verhältnis der Nutzflächen zu Grunde zu legen. Unter Berücksichtigung eines ursprünglichen Kaufpreises von 160.000 DM pro Miteigentumsanteil sei der auf den Ehemann entfallende Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung. So weit der Grundstücksanteil dem Kläger nicht gehöre, habe er ihn von der Klägerin unentgeltlich zur Nutzung überlassen bekommen. Nach dem BMF-Schreiben vom 5. November 1996 sei zu differenzieren, ob es sich um Eigenaufwand des Steuerpflichtigen oder sog. Drittaufwand handle. Dies hänge von der Kostentragung und den getroffenen Vereinbarungen ab. Übe der Ehegatte keine berufliche Tätigkeit aus und habe keine eigenen Einkünfte, liege Eigenaufwand des Unternehmer-Ehegatten vor. Dies sei auch hier der Fall. Die danach ergangene BFH-Rechtsprechung führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit sei auf das BFH-Urteil vom 14. Mai 2002, Az: VIII R 30/98 hinzuweisen. Danach sei derjenige, der die Kosten für ein von ihm betrieblich genutztes und in gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehendes Gebäudes getragen habe, als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Zu Unrecht hat der Beklagte für den beruflich genutzten Lagerraum, soweit dieser im Miteigentum der Klägerin steht, einen Entnahmegewinn angesetzt.
Bei der Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit berechnet sich der Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 EStG. Als Veräußerungsgewinn ist der Betrag anzusetzen, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Werden Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nicht veräußert, ist der gemeine Wert im Zeitpunkt der Betreibsaufgabe anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
So weit der beruflich genutzte Lagerraum nicht im Eigentum des Klägers, sondern der Klägerin als Nichtunternehmerin stand, ist der nicht zum Betriebsvermögen des Klägers zu rechnen. Dabei ist es unerheblich, ob ? entsprechend der Verpflichtung aus dem Darlehensvertrag ? beide Miteigentümer die Kreditverbindlichkeiten zur Anschaffung des Objekts getragen haben oder ob, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, der Kläger allein die Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks übernommen hat. Erwerben Eheleute gemeinsam ein Grundstück, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder von ihnen entsprechend seinem Miteigentumsanteil die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat; diese Zuordnungsvermutung gilt unabhängig davon, wie viel der einzelne tatsächlich an eigenen Beiträgen geleistet hat (Meurer in Lademann Komm. zum EStG § 4 Tz. 572). Jeder der Ehegatten ist so anzusehen, als habe er die auf seinen Anteil entfallenden Kosten selbst getragen (BFH GrS vom 23. August 1999 GrS 2/97 BFHE 189, 160 BStBI II 1999, 782). Diese Zuordnungsvermutung gilt dann allerdings nicht, wenn sich der Steuerpflichtige über seinen eigenen Miteigentumsanteil hinaus an den Anschaffungskoten beteiligt, weil er einen Teil des Wirtschaftsgutes unentgeltlich zu betrieblichen oder beruflichen Zwecken nutzen will. In dem Fall dienen die von ihm aufgewandten Kosten vorrangig der Finanzierung eines Wirtschaftsgutes, das ausschließlich seinen eigenen beruflichen Zwecken dient; die auf den beruflich genutzten Anteil entfallenden Aufwendungen werden im eigenen beruflichen Interesse getragen (BFH GrS vom 23. August 1999 GrS 1/97 BFHE 189, 151 BStBI II 1999, 778). Dies führt dazu, dass dem Nichteigentümer-Ehegatten zwar die geleisteten Aufwendungen vorrangig zuzuweisen sind mit der Folge, dass ihm ein Abzug der Anschaffungskoten im Wege der AfA als Betriebsausgaben zusteht; die Aufwendungen sind jedoch keinem aktivierungsfähigen Wirtschaftsgut zuzuordnen (Meurer aaO. § 4 EStG Tz. 577). Der dem anderen Ehegatten zivilrechtlich zuzurechnende Miteigentumsanteil ist kein selbstständiges Wirtschaftsgut des nutzenden Nichteigentümer-Ehegatten, sondern ist als Wirtschaftsgut des anderen Ehegatten anzusehen. Bei Beendigung der betrieblichen oder beruflichen Nutzung ergeben sich demnach für den Nichtunternehmer-Ehegatten mangels Einkunftserzielung keine Gewinnauswirkungen, für den nutzenden Unternehmer-Ehegatten kommt eine Auflösung stiller Reserven mangels eines eigenen Wirtschaftsgutes des Betriebsverm ögens nicht in Betracht.
Etwas anders ergibt sich nicht aus der Entscheidung des BFH vom 14. Mai 2002 (VIII R 30/98 BFHE 199, 181 BStBI II 2002, 741), auf die der Beklagte sich beruft. Der Kläger ist nicht als wirtschaftlicher Eigentümer i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO hinsichtlich des ideellen Miteigentumsanteils der Klägerin anzusehen. Writschaftliches Eigentum des Herstellers kann bei Errichtung eines Gebäudes auf fremden Grund und Boden dann gegeben sein, wenn der Hersteller für den Fall der Nutzungsbeendigung einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den zivilrechtlichen Eigentümer geltend machen kann (BFH vom 18. Juli 2001 X R 23/99 BFHE 196, 145 BStBI II 2002, 281; X R 15/01 BFHE 196, 151 BStBI II 2002, 278; vom 14. Mai 2002 aaO.). Ein solcher Ausgleichsanspruch ergibt sich aus §§ 951, 812 BGB, wenn der Hersteller das Gebäude auf Grund eines Nutzungsrechts im eigenen Interesse und ohne Zuwendungsabsicht errichtet hat (BFH vom 14. Mai 2002 aaO. m.w.N.). Der Ausgleichssanspruch ist auch zwischen Ehegatten nciht grundsätzlich ausgeschlossen, denn bei Bauten, die im eigenen Interesse für eigene berufliche Zwecke auf dem im Miteigentum des Ehegatten stehenden Grundstück errichtet werden, spricht keine tatsächliche Vermutung für eine Zuwendungsabsicht an den anderen Ehegatten oder für eine stillschweigende Abbedingung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs (BFH vom 14. Mai 2002 aaO.). Im Streitfall kann jedoch nicht von einem Ausgleichsanspruch zwischen den Ehegatten ausgegangen werden. Dabei kann dahinstehen, ob während einer bestehenden Zugewinngemeinschaft ein Ehegatte überhaupt einen Bereicherungsanspruch gegen den anderen geltend machen könnte (vgl. insoweit FG Düsseldorf Beschluss vom 28. November 2000 10 V 6594/00 A (E) n.v.; BGH vom 3. Dezember 1975 IV ZR 110/74 BGHZ 65, 320 m.w.N.; Lieb in Münchner Kommentar § 812 BGB Tz. 192 f., 216 m.w.N.). Jedenfalls liegen im Streitfall die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht vor.
§ 951 BGB greift vorliegend bereits mangels eines Herstellungsvorgangs auf dem Grundstück nicht ein. Die Ehegatten haben vielmehr ein bebautes Grundstück angeschafft. Dass in dem für Praxiszwecke genutzten Raum besondere Einbauten oder Umbauten für die berufliche Nutzung vorgenommen wurden, ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich; der Raum wurde lediglich als Lagerraum verwendet.
Aber auch aus § 812 BGB lässt sich ein Ausgleichsanspruch zwischen den Ehegatten nach Beendigung der betrieblichen Nutzung nicht herleiten. Denn mit der Aufgabe der Nutzung des Raumes für berufliche Zwecke des Klägers ist kein Wegfall des rechtlichen Grundes für die Nutzungsüberlassung verbunden (§ 812 Abs. 1 S. 2 1. Halbsatz BGB); zudem ist auch der mit der Nutzungsüberlassung bezweckte Erfolg eingetreten (§ 812 Abs. 1 S. 2 2. Halbsatz BGB). Dadurch, dass der Kläger den Raum für seine Berufstätigkeit nutzte, hat er zur wirtschaftlichen Existenzgrundlage der ehelichen Lebensgemeinschaft beigetragen. Mit der Beendigung der Nutzungsüberlassung, die ggf. als konkludent abgeschlossener Leihvertrag gemäß § 598 BGB angesehen werden könnte, ist der Rechtsgrund nicht weggefallen. Denn die berufliche Betätigung des Klägers, die er altersbedingt aufgegeben hat, wirkt sich weiterhin zur gemeinsamen Existenzsicherung der Kläger aus. Damit ist auch der mit seiner Leistung bezweckte Erfolg eingetreten. Dieser Zweck ist über viele Jahre bis zur altersbedingten Praxisaufgabe durch den Kläger verwirklicht worden. Angesichts dessen wäre es lebensfremd, ohne Vorliegen einer gesonderten Vereinbarung ? die im Streitfall gerade nicht abgeschlossen wurde ? einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch unter den Ehegatten zu bejahen. Ebenso ist ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zumindest während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft ausgeschlossen (so auch für den Fall der Beendigung der Ehe BGH vom 4. April 1990 IV ZR 42/89 WM 1990, 1585; vgl. auch BGH vom 13. Juli 1994 XII ZR 1/93 BGHZ 127, 48 ff).
Auf die Frage, ob es sich um einen Gebäudeteil von untergeordneter Bedeutung handelt, kommt es angesichts dessen nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.