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· Schuldzinsen-Abzug

Überentnahmen bei Einnahmen-Überschussrechnung ‒ Vorsicht: Eigenkapital ist irrelevant

Bild: © Natee Meepian - stock.adobe.com

| Es gibt einen Grundsatz: Bei Überentnahmen sind Schuldzinsen nicht abziehbar. Doch wann liegen bereits Überentnahmen vor? Wenn Sie bilanzieren, droht weniger Gefahr, weil dann das Eigenkapital mit eingerechnet wird. Bei Einnahme-Überschussrechnung wird Eigenkapital aber gar nicht ausgewiesen. Und das ist der Angriffspunkt für Finanzämter. CE Chef easy beleuchtet ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz. |

Gewinn-Ermittlung mit Einnahmen-Überschussrechnung

  • Der Kläger ‒ ein Architekt ‒ ermittelt seinen Gewinn mithilfe der Einnahmen-Überschussrechnung (§4 Abs 3 EstG).
  • In den Jahren 2010 bis 2013 hat er Schuldzinsen aus berieblichen Krediten als Betriebsausgaben ausgewiesen.
  • Das Finanzamt ermittelte: Die Schuldzinsen sind teilweise steuerlich nicht abzugsfähig, weil es zu Überentnahmen gekommen sei.
  • Der Einspruch des Architekten blieb ohne Erfolg.

Schuldzinsen sind keine abziehbaren Betriebsausgaben

Das FG gab dem Fiskus recht (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 8.10.2018, Az. 5 K 1034/16) ‒ und berief sich auf den Grundsatz: Bei Überentnahmen sind Schuldzinsen nicht abziehbar. Zu diesem Urteil zog es die Argumentation den Bundesfinanzofs heran. Doch passt das?

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat 2018 zwar entschieden, dass der Schuldzinsenabzug eingeschränkt ist, wenn der Steuerpflichtige mehr entnimmt als ihm hierfür an Eigenkapital zur Verfügung steht (BFH-Urteil vom 14.3.2018, Az. X R 17/16).

 

Beachten Sie | Diese Entscheidung betrifft aber nur Steuerpflichtige, die ihren Gewinn mittels Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ermitteln. Ob dieser Grundsatz auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung gilt, wo kein Eigenkapital auszuweisen ist, hat der Bundesfinanzhof nicht entschieden.

 

Dennoch hat das rheinland-pfälzische FG genau das entschieden und damit den Architekten erstmal auflaufen lassen.

Begründung

§ 4 Abs. 4a EStG soll den Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen nur dann einschränken, wenn die Summe der Entnahmen die Summe aus angesammelten Gewinnen und Einlagen bei negativem Eigenkapital übersteigt.

 

Wer kein Eigenkapital ausweist, kann sich nicht darauf berufen

Wenn der Architekt keine Bilanzierung vornimmt, argumentiert das Finanzgericht, kann er nicht darauf verweisen, dass er ja noch Eigenkapital besitzt und die Überentnahmen dieses nicht aufgebraucht haben.

 

Bei Einnahmen-Überschussrechnern kommt es nur für die Qualifikation als Überentnahme darauf an, ob die Entnahmen die Summe von Gewinn und Einlagen übersteigen.

 

Beachten Sie | Man darf gespannt sein, ob der Bundesfinanzhof diese Entscheidung in der Revision bestätigen wird. Solange das nicht entschieden ist, können Sie in vergleichbaren Fällen Einspruch einlegen und auf dieses Aktenzeichen verweisen: Rev. BFH Az. VIII R 38/18. Konsultieren Sie im Zweifel Ihren Steuerberater.

Berechnung der Überentnahmen

Der Bundesfinanzhof hat zur Berechnung von Überentnahmen entschieden (BFH, Urteil vom 21.09.05, Az. X R 46/04): Die steuerrechtliche Abziehbarkeit von Schuldzinsen ist zweistufig zu prüfen:

  • 1. Zunächst ist festzustellen, inwieweit die Schuldzinsen überhaupt betrieblich veranlasst sind. Denn privat veranlasste Schuldzinsen bleiben bei Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG außen vor.
  • 2. Dann ist zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug wegen der Überentnahmeregelung eingeschränkt ist.

 

Beim Berechnungsmodus des § 4 Abs. 4a EStG sind folgende Grundsätze zu beachten:

  • Bei Überentnahmen ist ein Teil der betrieblichen Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
  • Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen (§ 4 Abs. 4a S. 2 EStG).
  • 6 Prozent der Überentnahmen sind als nicht abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln.
  • Überentnahmen der Vorjahre werden zu den laufenden Überentnahmen addiert.
  • Unterentnahmen der Vorjahre werden von den laufenden Überentnahmen abgezogen.
  • Zinsen bis zu 2.050 EUR (Sockelbetrag) sind uneingeschränkt abziehbar.
  • Ausgenommen sind Schuldzinsen, die aus Darlehen zur Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens resultieren.

 

Am folgenden Beispiel erläutert Steuerberater Christian Westhoff aus Datteln für MBP Mandat im Blickpunkt die grundsätzliche Systematik der Beschränkung des betrieblichen Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG:

 

  • Beispiel

Im Wirtschaftsjahr 2017 erzielte der Garten- und Landschaftsbauer A (Einzelunternehmer) einen Gewinn von 50.000 Euro. Die Entnahmen in 2017 beliefen sich auf 70.000 Euro. Die Schuldzinsen für sein Kontokorrentkonto betrugen 3.000 Euro. Für den Kauf einer Maschine nahm A ein Investitionsdarlehen auf. Hierfür fielen zusätzliche Schuldzinsen i. H. von 2.200 Euro an. Über-/Unterentnahmen der Vorjahre werden aus Vereinfachungsgründen mit 0 Euro unterstellt.

 

Frage: Wie hoch ist die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG?

 

1. Schritt

Gewinn

50.000 Euro

Entnahmen

./. 70.000 Euro

Einlagen

+ 0 Euro

= Überentnahmen 2017

20.000 Euro

zzgl. Überentnahmen der Vorjahre

0 Euro

abzgl. Unterentnahmen der Vorjahre

0 Euro

6 % Kürzungsbetrag (6 % von 20.000 EUR)

1.200 Euro

 

 

2. Schritt

Schuldzinsen gesamt

5.200 Euro

davon aus Investitionsdarlehen (stets abziehbar)

./. 2.200 Euro

Schuldzinsen vor Sockelbetrag

3.000 Euro

Sockelbetrag

./. 2.050 Euro

Höchstbetrag der Kürzung

950 Euro

 

 

3. Schritt

Vergleich des vorläufigen Kürzungsbetrags (Schritt 1) und des Höchstbetrags (Schritt 2). Der niedrigere Wert zählt.

950 Euro

 

 
Quelle: ID 45841187