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· Arbeitszeugnis

Vergleich mit Arbeitnehmer: Geben Sie die Formulierungshoheit nicht aus der Hand!

Bild: © sebra - stock.adobe.com

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut

| Wird in einem gerichtlichen Vergleich festgelegt, dass Sie als Arbeitgeber eine „gute“ Beurteilung zu schreiben haben, so bleibt die Formulierungshoheit noch immer bei Ihnen. Wenn Sie sich jedoch darauf einlassen, dass Ihnen der ausscheidende Arbeitnehmer einen Formulierungsvorschlag machen darf, können Sie davon nur „aus wichtigem Grund“ abweichen. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen entschieden und im konkreten Fall einem säumigen Arbeitgeber enge Ketten angelegt (LAG Hessen Urteil vom 28.01.19, Az. 8 Ta 396/18, Abruf-Nr. 207184 ). |

 

TIPP | Behalten Sie das Zepter in der Hand ‒ auch bei Vergleichen

CE Chef easy rät: Lassen Sie nicht zu, dass das Zeugnis nach Vorgabe des Arbeitnehmers erstellt wird! Bedenken Sie: Ihre Formulierungsfreiheit wird dann stark eingeschränkt. Der Ex-Arbeitnehmer wird Ihnen diktieren, „welche positiven Leistungen er stärker hervorheben will“, so das LAG Hessen.

 

Noch schlimmer wäre es, wenn Sie innerhalb des Vergleichs feste Formulierungen aus der Feder des Arbeitnehmers bereits aufnehmen lassen. Dann wäre Ihr Handlungsspielraum am Ende noch geringer.

 

Der Fall vor dem LAG Hessen

In der Vorinstanz vor dem Arbeitsgericht Frankfurt/Main wurde für den Vergleich nicht nur die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses geregelt, sondern auch, dass die Führungs- und Leistungsbeurteilung mit der Note „gut“ zu würdigen ist. Das wäre für den Arbeitgeber noch hinnehmbar gewesen.

 

Allerdings hat sich der Arbeitgeber auch darauf eingelassen, dass der Arbeitnehmer „von einem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers nur abweichen darf, soweit dies aus wichtigem Grund geboten ist“. Das Gericht schlussfolgert: Es ist Sache des Arbeitnehmers, einen Zeugnisvorschlag mit der Note „gut“ betreffend Führungs- und Leistungsverhalten zu erstellen. Der Arbeitgeber ist dann gezwungen, das Zeugnis in diesem Sinne zu erteilen, soweit kein wichtiger Grund ein Abweichen vom Formulierungsvorschlag rechtfertigt.

 

Hätte sich der Arbeitgeber darauf nicht eingelassen, könnte der Arbeitnehmer nur ein qualifiziertes Zeugnis verlangen. Die Formulierung wäre allein Sache des Arbeitgebers. Und das Spektrum einer Beurteilung mit Note „gut“ lässt doch einigen Spielraum ...

 

 

 

Zum Glück waren beim Vergleichsschluss keine vorher bestimmten Formulierungen fixiert worden. „Damit fehlt es an der für eine Zwangsvollstreckung notwendigen Bestimmtheit“, so das Gericht. Das heißt: Was wörtlich in der Beurteilung zu stehen hat, ist nicht vorgeschieben (vgl. BAG-Urteil vom 14.02.2017, Az. 9 AZB 49/16; Hessisches LAG, Urteil vom 08.09.2016, Az. 10 Ta 337/16 bzw. Urteil vom 17.11.2016, Az. 8 Ta 456/16 und Urteil vom 19.02.2004, Az. 16 Ta 515/03).

 

Leider aber hatte der Arbeitnehmer noch immer das Formulierungsvorschlagsrecht. Immerhin: Der Arbeitgeber hatte die Chance, zu prüfen, ob der vorgelegte Entwurf den Grundsätzen entspricht (§ 109 GewO) ‒ vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 09.09.2011, Az.3 AZB 35/11.

 

Der Formulierungsvorschlag des Ex-Arbeitnehmers

Der Kläger (Arbeitnehmer) hat schlussendlich bei seinem Vorschlag etwas überrissen und schrieb in seinem Entwurf zur Führungsbeurteilung, dass er „stets vorbildlich“ agiert habe. Hier hätte der Arbeitgeber jederzeit vom Entwurf abweichen können, weil diese Formulierung der Note „sehr gut“ entspricht.

 

Unzureichende Mitwirkung des Arbeitgebers im konkreten Fall

Allerdings: Der Arbeitgeber machte gleich mehrere Kardinalsfehler.

  • Er kam den Forderungen des Vergleichs gar nicht nach!
  • Das übersandte Zeugnis entsprach keineswegs der Note „gut“ ‒ und berücksichtigte keinerlei Vorschläge.
  • So attestierte er dem Arbeitnehmer lediglich „ausreichendes“ Fachwissen,
  • Das Zeugnis war grammatikalisch unsauber.
  • Das Zeugnis war nur mit dem Kürzel i.A. unterzeichnet. Der eigentliche Aussteller war nicht zu erkennen.

 

Hinzu kam:

  • Der Arbeitgeber verwendete einen Briefbogen anstelle von Geschäftspapier ohne Adresszusatz.
  • Das Zeugnis enthielt den Zusatz „per Einschreiben“.
  • Das später auf einem Geschäftsbogen vorhandene Adressfeld war ausgefüllt.

 

Beachten Sie | Das Adressfeld darf nicht ausgefüllt sein, da dies als Hinweis darauf gewertet werden kann, dass das Zeugnis nicht unverzüglich und damit erst nach einem Streit erteilt worden sein könnte. (LAG Hessen, Urteil vom 10.08.2019, Az. 8 Ta 246/18 und Urteil vom 21.10.2014, Az. 12 Ta 375/14).

 

FAZIT | Der Arbeitgeber kam seiner auferlegten Pflicht, ein inhaltlich „gutes“ Zeugnis zu erteilen, nicht nach. Folglich hatte er auch keine Chance vor dem LAG. Zudem enthielt das Zeugnis zahlreiche Formfehler.

 

Die Erkenntnisse aus dem Fall sind aber:

  • Beachten Sie die Formalien bei der Zeugniserteilung.
  • Nutzen Sie bei der Zeugniserstellung die Textbausteine und Geheimcodes von CE Chef easy. Damit gehen Sie juristischen Streitigkeiten aus dem Weg.
  • Sollte es zu einem gerichtlichen Vergleich kommen, sichern Sie ab, dass Ihre Formulierungshoheit erhalten bleibt!
 
Quelle: ID 45800604