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  • · Fachbeitrag · Liquidität/Insolvenzschutz

    Corona-Krise: Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ‒ Diese Folgen sollten Sie kennen

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht Dr. Volker Hees, Hoffmann Liebs, Düsseldorf

    | Selbst Unternehmen, die vor der Corona-Krise gut aufgestellt waren, können den monatelangen Umsatzausfall kaum verkraften. Deshalb hat der Gesetzgeber das rückwirkend ab 01.03.2020 in Kraft getretene „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (Covid-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz ‒ COVInsAG) verabschiedet. Lesen Sie, was das für Ihr Autohaus bedeutet, wenn Sie mit durch den Lockdown bedingten Absatzschwierigkeiten zu kämpfen haben. |

    Insolvenzantragspflicht ausgesetzt

    Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ist durch § 1 COVInsAG seit 01.03.2020 bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Das Bundesjustizministerium kann die Aussetzung per Rechtsverordnung bis höchstens 31.03.2021 verlängern. Bis 27.06.2020 können Gläubiger auch keinen Insolvenzantrag stellen; es sei denn, der Insolvenzgrund lag bereits am 01.03.2020 vor.

     

    Hintergrund | Es bestand Handlungsbedarf. § 15a InsO regelte nämlich bisher, dass Geschäftsleiter juristischer Personen wie z. B. GmbH, AG oder GmbH & Co. KG bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich innerhalb einer Höchstfrist von drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen müssen. Jeder Geschäftsleiter hatte also nur maximal 21 Tage Zeit, die Liquiditätslücke zu schließen. Diese Insolvenzantragspflicht von drei Wochen ist in dieser Krise zu kurz. Eine Sanierung binnen drei Wochen ist während der Covid-19-Pandemie de facto unmöglich. So rasch kann weder Geld von Kreditgebern noch Hilfe staatlicher Stellen beschafft noch ein aussagekräftiges Sanierungskonzept erstellt werden.

    Voraussetzungen der Aussetzung

    Die Insolvenzantragspflicht wird grundsätzlich ausgesetzt ‒ ohne weitere Voraussetzungen. Doch das Gesetz stellt zwei Ausnahmen auf: Die Aussetzung gilt nicht,

    • wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (Covid-19-Pandemie) beruht oder
    • wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

     

    Wichtig | War Ihr Autohaus oder Kfz-Betrieb am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (§ 1 S. 2 und 3 COVInsAG).

     

    Gesetzliche Vermutung: Pandemie als Verursacherin

    Um also von der Aussetzung zu profitieren, muss als erstes ein kausaler Zusammenhang zwischen der Covid-19-Pandemie und der Insolvenz gegeben sein: Tritt im Zeitraum März bis September 2020 Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, muss die Pandemie dafür zumindest mitursächlich gewesen sein. Sie muss nicht die alleinige Ursache sein. Das dürfte in den allermeisten Fällen zu bejahen sein.

     

    PRAXISTIPP | Insoweit beweisbelastete Autohaus-Geschäftsführer profitieren zudem von der gesetzlichen Vermutung. Die Insolvenzreife beruht auf der Covid-19-Pandemie, wenn ihr Unternehmen am 31.12.2019 zahlungsfähig war. Deshalb ist jedem Geschäftsführer anzuraten: Dokumentieren Sie, dass Ihr Unternehmen per 31.12.2019 die fälligen Verbindlichkeiten bedienen konnte.

     

    Wichtig | Die Vermutung ist widerleglich. Ein Insolvenzverwalter hat also zumindest die Möglichkeit zu beweisen, dass die Insolvenzreife gar nicht auf der Pandemie beruhte. An die Widerlegung der Vermutung sollen nach der Gesetzesbegründung jedoch „höchste Anforderungen“ zu stellen sein, es dürfen an der fehlenden Ursächlichkeit der Pandemie „keine Zweifel bestehen“. Der Insolvenzverwalter wird also darlegen müssen, dass bereits am 31.12.2019 Zahlungsunfähigkeit bestand. Denn dann kann diese schon deswegen nichts mit der Pandemie zu tun haben, weil sich die Auswirkungen der Pandemie in Deutschland nicht vor Anfang 2020 gezeigt haben. Ob das Unternehmen zum 31.12.2019 insolvenzrechtlich überschuldet war, ist irrelevant: Ist gleichzeitig Zahlungsfähigkeit zu bejahen, bleibt es angesichts der eindeutigen Regelung in § 1 S. 3 COVInsAG bei der gesetzlichen Vermutung, dass die Insolvenzreife auf der Pandemie beruht.

     

    Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit

    Um von der Aussetzung zu profitieren, muss zweitens die Aussicht bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Auch das wird gesetzlich vermutet, wenn das Unternehmen per 31.12.2019 zahlungsfähig war.

     

    Wichtig | Zeitliche Vorgaben, bis wann eine Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigt sein muss, macht das Gesetz nicht. Da das COVInsAG ab dem 01.10.2020 oder ‒ bei der zu erwartenden Verlängerung ‒ ab dem 01.04.2021 für alle Unternehmen wieder die normale Insolvenzantragspflicht vorschreibt, markiert dieser Tag den der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit.

     

    PRAXISTIPP | Als Geschäftsführer eines Autohauses oder Kfz-Betriebs sollten Sie daher einen Finanzplan bis mindestens 30.09.2020 aufstellen, dem zufolge entweder keine Zahlungsunfähigkeit eintritt oder Aussichten bestehen, eine solche bis 30.09.2020 wieder zu beseitigen. Anders als bei der sonst zur Beseitigung von Überschuldung erforderlichen positiven Fortführungsprognose wird hier keine überwiegende Wahrscheinlichkeit (> 50 Prozent) verlangt; es reicht aus, wenn überhaupt Aussichten bestehen. Damit scheiden nur von vorneherein zum Scheitern verurteilte „Luftschlösser“ aus.

     

    Keine Haftung für Zahlungsverbote

    Normalerweise haften Geschäftsführer und Vorstände persönlich für alle Zahlungen, die sie noch nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erbringen (§ 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 130a HGB und § 99 GenG). Der BGH hat die Haftung für das sog. Zahlungsverbot in den letzten Jahren ganz erheblich verschärft.

     

    Auch hier hilft das COVInsAG. Soweit die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist (s. o.), gelten alle „Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG).

     

    Alle normalen Zahlungen wie Rechnungen, Miete, Einkauf, Stundungsraten, fällige Kreditrückzahlungen usw. zwischen dem 01.03.2020 und dem 30.09.2020, die keine Vermögensverschiebungen sind, lösen also keine persönliche Haftung mehr aus. Voraussetzung ist, dass der Geschäftsführer beweisen kann, dass die Zahlungsunfähigkeit auf der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten zu ihrer Wiederherstellung bis 30.09.2020 bestehen.

     

    Wichtig | War das Unternehmen zwar per 31.12.2019 noch zahlungsfähig, gibt es aber jetzt keine Aussichten, in der kurzen Zeit bis 30.09.2020 wieder zahlungsfähig zu werden, läuft der Geschäftsführer große Gefahr, in die persönliche Haftung zu geraten. Hier hilft ihm nur der gut dokumentierte Finanzplan, der belegt, dass es diese Aussichten durchgängig gab. Dieser hilft auch gegen den Vorwurf des Eingehungsbetrugs. Bestellt der Geschäftsführer Waren oder Dienstleistungen für sein Unternehmen, obwohl er weiß oder damit rechnet, dass er die Rechnungen bei Fälligkeit nicht bezahlen kann, macht er sich strafbar und haftet den Gläubigern für deren Schaden.

     

    FAZIT | Wer am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, und bei dem Aussichten bestehen, eine infolge der Covid-19-Pandemie eintretende Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.09.2020 wieder zu beseitigen, der muss keinen Insolvenzantrag stellen. Den von der Pandemie betroffenen Unternehmen wird für ein halbes oder sogar ganzes Jahr die Fortführung erheblich erleichtert. Diese Zeit gilt es zu nutzen, um sich aus der Krise mit einer Überlebensperspektive zu befreien. Lässt sich bis 30.09.2020 die Zahlungsunfähigkeit jedoch nicht beseitigen, sollte sich der Geschäftsführer frühzeitig mit der Sanierung über ein geplantes Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung befassen. Das Unternehmen kann sich mithilfe eines Sanierungsplans von Altverbindlichkeiten lösen und langjährige Dauerschuldverhältnisse wie Kredit-, Miet- oder Leasingverträge mit kurzen Fristen kündigen.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 18 | ID 46575355