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  • · Nachricht · Händlerverträge/Ausgleichsanspruch

    Der „neue“ Ausgleichsanspruch ‒ mehr Geld bei Händlervertragsende

    von Rechtsanwalt Uwe Brossette, Osborne Clarke, Köln

    | Angesichts der aktuellen Veränderungen in den Vertragshändlernetzen und den damit einhergehenden Vertragskündigungen erscheint es angebracht, auf eine für den Vertragshandel wichtige Rechtsprechungsänderung hinzuweisen. Das OLG Frankfurt a. M. gewährt dem gekündigtem Händler einen Auskunftsanspruch, der ihn möglicherweise in die Lage versetzt, einen höheren Ausgleichsanspruch zu erhalten. |

    Ausgleichsanspruch feinjustiert

    Bekanntermaßen steht einem Vertragshändler, wenn er einem Handelsvertreter ähnlich in die Absatzorganisation des Herstellers/Importeurs eingegliedert ist und diesem seine Kundendaten zugänglich machen muss, eine Ausgleichszahlung nach § 89b HGB analog zu.

     

    Das ist ‒ nach langem Streit ‒ nunmehr gefestigte Rechtsprechung bei den deutschen Gerichten aller Instanzen. Dies galt bis vor kurzem auch für die Berechnungsmethode. Doch hier ist aufgrund einer Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. (Urteil vom 13.03.2019, Az. 12 U 37/18, Abruf-Nr. 208762) kräftig in Bewegung gekommen. Diese Rechtsprechung ist insbesondere für die aktuell ausscheidenden Vertragshändler von Bedeutung, weil diese möglicherweise höhere Ausgleichsvergütungen mit sich bringt.

     

    Um die neue Rechtsprechung zu verstehen, muss man die historischen Zusammenhänge kennen:

     

    Im März 2009 stellte der EuGH fest, dass die damalige Fassung von § 89b HGB dem europäischen Recht widersprach. Nach der Altfassung kam es bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht nur auf die dem Unternehmer durch den Kundenzuwachs entstehenden Vorteile an. Das Gesetz sah auch als Höhenkorrektiv die dem Handelsvertreter nach Vertragsende entstehenden Provisionsverluste vor. Konnte ein Handelsvertreter keine Provisionsverluste nachweisen, weil er z. B. seine Provisionen an den Kunden als zusätzlichen Nachlass weitergegeben hatte, sollte der Ausgleich entfallen.

     

    Infolge der EuGH-Entscheidung passte der deutsche Gesetzgeber das Ausgleichsrecht an. Es dauerte jedoch weitere zehn Jahre, bis die gesetzliche Neuregelung auch die von den Gerichten angewandte Berechnungsmethode verändert hat. Bis zur Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. stellten die Instanzen weiterhin auf die Provisionsverluste ab. Händler verfügten im Allgemeinen nicht über die kalkulatorischen Grundlagen zum Nachweis der Unternehmervorteile und trugen hierzu in den Prozessen auch nicht vor.

     

    Mehr noch: Einen Anspruch des Händlers auf Vorlage der notwendigen Zahlenwerke durch den Hersteller/Importeur lehnte die Rechtsprechung ab und hielt ihn allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen für denkbar (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.01.2017, Az. I-16 U 171/15. Abruf-Nr. 209230).

     

    Das OLG Frankfurt a. M. weist in seinem Urteil jedoch zu Recht daraufhin, dass eine solche Einschränkung von Auskunftsrechten, auf die der Händler angewiesen ist, dem „Sinn und Zweck der mit der Neufassung des § 89b HGB vorgenommenen Gesetzesänderung“ widerspreche. Denn für den „neuen“ Ausgleichsanspruch ist nach der Gesetzesnovelle gerade die Höhe der Unternehmervorteile maßgeblich und der Händler nicht auf die ihm entstehenden Verluste beschränkt. Beide Kriterien sind grundsätzlich voneinander unabhängig und müssen sich nicht entsprechen, so das OLG Frankfurt a. M.

     

    Daraus leitet das OLG Frankfurt a. M. eine Auskunftspflicht des Herstellers ab. Ohne diese Angaben sei es dem Händler kaum möglich darzulegen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste übersteigen. Hierfür seien Kenntnisse der internen Kalkulation und der herstellerinternen Unternehmenssteuerung notwendig, über die der Händler naturgemäß nicht verfüge.

     

    Wichtig | Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der BGH wird die Sache in der Revision (Az. VII ZR 69/19) endgültig entscheiden.

    Praktische Bedeutung des Urteils für den Vertragshandel

    Das Urteil ist für den Vertragshandel von praktischer Bedeutung:

     

    • 1. Der ausgeschiedene Vertragshändler hat, wenn er in die Absatzorganisation eines Herstellers/Importeurs einem Handelsvertreter vergleichbar eingegliedert ist und diesem die Kundendaten zugänglich machen muss, einen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 89b HGB.
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    • 2. Zur Anspruchsberechnung muss der Händler darlegen und beweisen, welche Kunden er für die Produkte des Herstellers geworben hat, inwieweit diese als Mehrfachkunden zu qualifizieren und diese Erträge auch in der Zukunft zu erwarten sind.
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    • 3. Er hat die sog. Unternehmervorteile darzulegen. Ist er hierzu mangels Kenntnis der internen Kalkulationen des Herstellers beim Verkauf der Fahrzeuge an den Handel nicht in der Lage, hat der Händler gegen den Hersteller einen Auskunftsanspruch, den er ggf. gerichtlich im Wege einer Stufenklage geltend machen kann. Dieser Auskunftsanspruch ist gerichtet auf die Angabe des Herstellers, welchen Ertrag (Deckungsbeitrag eins) er mit dem Verkauf von Fahrzeugen an den Händler erwirtschaftet hat.
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    • 4. Schließlich muss der Händler darlegen und beweisen, welchen Ertrag er im letzten maßgeblichen Vertragsjahr mit seinen Mehrfachkunden erzielt hat.

     

    PRAXISTIPP | Alle Vertragshändler, deren Vertrag gerade endet oder in naher Zukunft enden wird, sollten vor diesem Hintergrund die von dem Hersteller/Importeur angebotene Zahlung hinterfragen und bei Zweifelsfällen die Berechnung von einem auf Vertriebsrecht spezialisierten Anwalt prüfen lassen.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 16 | ID 45961737