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  • Aktuelle Urteile zur Totalschadenproblematik

    Versicherer dürfen die Umsatzsteuer nur bedingt abziehen

    Seit dem 1. August 2002 gilt das neue Schadenersatzrecht. Demnach erhält auch der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte die Umsatzsteuer nur insoweit ersetzt, wie sie tatsächlich angefallen ist (Ausgabe 7/2002, Seite 9 und 8/2002, Seite 17; Abruf-Nr. 032029). Die Neuregelung kann bei einem Totalschaden – falsch angewandt – zu untragbaren Ergebnissen führen, wenn der Geschädigte ein differenzbesteuertes, nur noch auf dem Privatmarkt erhältliches oder gar kein Ersatzfahrzeug anschafft. Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Rechts haben die ersten Gerichte Klarheit geschaffen.

    So gingen die Versicherungen bislang vor

    Beim Totalschaden kürzen die Versicherungsgesellschaften zunächst den Wiederbeschaffungswert um die volle Umsatzsteuer. Ob die Umsatzsteuer im zweiten Schritt erstattet wird, hängt davon ab, ob und wie ein Ersatzfahrzeug angeschafft wird. Kauft der Geschädigte

    1. ein regelbesteuertes Ersatzfahrzeug mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer, bekommt er die Umsatzsteuer erstattet. Obergrenze ist die zuvor abgezogene Umsatzsteuer.
    2. ein differenzbesteuertes Fahrzeug, schätzen die meisten Versicherungen bislang die im Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer und erstatten den Netto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten zuzüglich den geschätzten Betrag.
    3. ein Fahrzeug am Privatmarkt oder verzichtet er auf eine Ersatzbeschaffung, wird keine Umsatzsteuer erstattet, sondern nur der Netto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten gezahlt.

    Mehrere Amtsgerichte (AG) haben nun zu dieser Vorgehensweise der Versicherungen Entscheidungen gefällt – meist zu Gunsten der Geschädigten. Die meisten Urteile befassen sich mit der Frage, wieviel Umsatzsteuer vom Wiederbeschaffungswert abgezogen werden darf.

    Keine Kürzung bei alten Fahrzeugen

    Bei alten Fahrzeugen, die im seriösen gewerblichen Handel kaum noch zu finden sind, muss nach Ansicht der Richter berücksichtigt werden, dass im am Privatmarkt zu orientierenden Wiederbeschaffungswert keine Umsatzsteuer enthalten ist. Das heißt: Dem Geschädigten steht ein ungekürzter Schadenersatz zu, obwohl er nicht nachweisen kann, dass er bei Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs Umsatzsteuer gezahlt hat, also auch, wenn gar kein Ersatzfahrzeug beschafft wurde.

    Urteil des AG Hameln

    Das AG Hameln hat im Fall eines total beschädigten 13 Jahre alten Daimler Benz 190 E (Laufleistung 226.000 km) den Abzug von Umsatzsteuer gänzlich abgelehnt. Die Versicherung hat im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung fiktive Umsatzsteuer von 323,45 Euro einbehalten. Diesen muss sie dem Geschädigten nun nachzahlen (Urteil vom 27.6.2003, Az: 20 C 89/03 [02], NJW 2003, 2615).

    Urteil des AG Arnsberg

    Im Fall vor dem AG Arnsberg hatte der beschädigte Pkw einen Restwert von 500 Euro und einen Wiederbeschaffungswert von 1.000 Euro. Die Versicherung wollte nur 362,07 Euro (= 1.000 Euro : 1,16 ./. 500 Euro) erstatten. Sie wurde verurteilt, auch die zu Unrecht abgezogene Umsatzsteuer von 137,93 Euro zu erstatten (Urteil vom 14.4.2003, Az:14 C 30/03).

    Entsprechend entschieden hat das AG München im Fall eines Mercedes Benz 190e mit Erstzulassung 1988 und einer Laufleistung von 211.000 km (Urteil vom 26.5.2003, Az: 331 C 7459/03).

    Unser Tipp: Im Sachverständigengutachten sollte in diesen Fällen von vornherein darauf hingewiesen werden, dass im ermittelten Wiederbeschaffungswert keine Umsatzsteuer enthalten ist, weil es sich um ein älteres Fahrzeug handelt, das nur noch über den Privatmarkt zu beschaffen ist. Damit wird Ärger mit der Versicherung vermieden.

    Üblicherweise differenzbesteuertes Fahrzeug

    Handelt es sich bei dem Unfallfahrzeug um ein üblicherweise nur differenzbesteuert angebotenes Fahrzeug, darf die Versicherung nur soviel Umsatzsteuer abziehen, wie im Wiederbeschaffungswert enthalten ist. Schätzt man die Handelsspanne in der Größenordnung zwischen 15 und 20 Prozent, entspricht der Umsatzsteuerbetrag etwa 2 Prozent. So haben das AG Homburg (Urteil vom 17.4.2003, Az: 16 C 29/03), das AG Erkelenz (Urteil vom 27.6.2003, Az: 15 C 226/03, NJW 2003, 2617) und das AG Kaiserslautern (Urteil vom 20.6.2003, Az: 8 C 558/03) entschieden.

    Ersatzbeschaffung

    Schafft der Geschädigte dann ein Ersatzfahrzeug beim Händler an, muss die Versicherung den Bruttowert laut Gutachten abzüglich zwei Prozent aus diesem Wert und zuzüglich der gezahlten Umsatzsteuer erstatten. Ist die gezahlte Umsatzsteuer höher als zwei Prozent aus dem Brutto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten, muss maximal die auf den Gutachterwert entfallende Steuer erstattet werden. So entschieden das AG Halle (Urteil vom 27.5.2003, Az: 7 C 632/02, NJW 2003, 2616), das AG Eschweiler (Urteil vom 3.7.2003, Az: (24) 5 C 592/ 02) und das AG Oldenburg (Urteil vom 12.6.2003, Az: E6 C 6208/03).

    Wie die zu erstattende Umsatzsteuer bei der Beschaffung eines teureren Ersatzfahrzeugs konkret berechnet wird, zeigt beispielhaft das AG Halle. Im Urteilsfall betrug der Wiederbeschaffungswert laut Gutachten 3.300 Euro, tatsächlich gekauft wurde ein höherwertiges Ersatzfahrzeug für 7.990 Euro (differenzbesteuert). Das AG Halle ermittelte die Versicherungsleistung wie folgt:

    Üblicherweise regelbesteuertes Fahrzeug

    Wie ist abzurechnen, wenn ein differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug beschafft wird und ein Gutachten über den Brutto-Wiederbeschaffungswert ausdrücklich unter Anwendung der Regelbesteuerung vorliegt? Unseres Erachtens muss dem Geschädigten in diesem Fall der volle Brutto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten erstattet werden. Das sieht auch der Zentralverband des deutschen Kfz-Gewerbes so.

    Begründung: Beim Kauf eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs darf es nicht auf die vom Gutachter festgestellte steuerliche Eigenschaft des Ersatzfahrzeugs ankommen. Wird ein dem Gutachten entsprechendes differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug angeschafft, hat sich die Typisierung des Gutachters als „regelbesteuert“ nicht konkretisiert. Folge: Der volle Brutto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten muss erstattet werden. Es ist unseres Erachtens nicht zulässig, lediglich den Netto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten (unter Anwendung der Regelbesteuerung) zuzüglich der gezahlten Differenzsteuer zu erstatten.

    Ansicht des AG Holzminden

    Anderer Ansicht scheint das AG Holzminden zu sein: Im Urteilsfall hat der Gutachter einen Wiederbeschaffungswert von 5.172,41 Euro zuzüglich 827,59 Euro Umsatzsteuer ermittelt. Der Geschädigte erwarb ein differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug für 6.703 Euro. Nach Ansicht des AG Holzminden muss die Versicherung nur 5.172,41 Euro zuzüglich einer geschätzten Differenzsteuer von 134,06 Euro (= 6.703 Euro x 2 %) erstatten (Urteil vom 20.12.2002, Az: 10 C 384/02).

    Abgesehen davon, dass das Fahrzeug mit einem Wiederbeschaffungswert von 6.000 Euro nicht mehr als „typischerweise regelbesteuert“ anzusehen ist, ist unseres Erachtens die Berechnung der zu erstattenden Umsatzsteuer unzutreffend. Im Urteilsfall müsste der volle Brutto-Wiederbeschaffungswert von 6.000 Euro erstattet werden.

    Die Änderung des Schadenersatzrechts sollte die ungerechtfertigte Bereicherung des Geschädigten verhindern. Die Berechnung des AG Holzminden würde nun aber zur ungerechtfertigten Bereicherung des Schädigers führen.

    Unser Tipp: Bei jungen Gebrauchten (zwei bis drei Jahre alt) sollten Sie im Fall der Totalschadensabrechnung versuchen, ein regelbesteuertes Ersatzfahrzeug zu verkaufen. Dadurch vermeiden Sie Ärger mit der Versicherung und sichern Ihrem Kunden auf jeden Fall die Erstattung der vollen Umsatzsteuer.

    Quelle: Auto - Steuern - Recht - Ausgabe 10/2003, Seite 14

    Quelle: Ausgabe 10 / 2003 | Seite 14 | ID 101227