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  • · Fachbeitrag · Verein als Arbeitgeber

    Sozialversicherungspflicht von Sportlern: So profitieren Sie von der aktuellen Rechtsprechung

    | Wenn sich ein Sozialversicherungsprüfer anmeldet, gehen im Verein regelmäßig alle Alarmglocken an. Zu Recht. Viele Vereine haben schon tausende Euro nachgezahlt, weil der Prüfer vermeintlich sozialabgabenfreie Vergütungen als abgabenpflichtig behandelt hat. Gut zu wissen, dass gerade die jüngere Rechtsprechung Vereinen Argumentationshilfen für anstehende Betriebsprüfungen geliefert hat. Lernen Sie in einer Beitragsserie die neuesten Entwicklungen kennen und nutzen Sie Gestaltungsmöglichkeiten, damit Vergütungen an Sportler sozialabgabenfrei bleiben. |

    Die sozialversicherungsrechtlichen Grundregeln

    Auch für Sportler gelten die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben. Abgabenfrei sind Zahlungen nur in drei Fällen:

     

    • Ein Amateursportler erhält nur eine geringe Vergütung und wird nur aufgrund mitgliedschaftsrechtlicher Vereinsbindungen tätig.
    • Der Sportler steht in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Er ist also selbstständig tätig.
    • Es handelt sich um bloßen Aufwandsersatz - also die Erstattung nachgewiesener, für den Einsatz angefallener Kosten wie zum Beispiel Fahrtkosten oder Sportkleidung.

    Das gilt für die üblichen Vertragskonstrukte mit Sportlern

    Im Sportbereich gibt es unterschiedliche Vertragskonstrukte. So wird zwischen Vertrags- und Lizenzspielern, Vertragsamateuren und Amateursportlern unterschieden.

     

    Vertrags- und Lizenzspieler

    Vertrags- und Lizenzspieler werden aufgrund eines mit dem Verein abgeschlossenen Vertrags tätig. Sie erhalten laufende Vergütungen und stehen in einem Dienstverhältnis zum Verein. Ihre Leistungen gehen über das hinaus, was sich durch eine bloße mitgliedschaftliche Bindung an den Verein ergibt. Das folgt schon daraus, dass neben der rechtlichen Einordnung als Mitglied - die sich aus dem bloßen Beitritt zum Verein ergibt - ein eigenes einzelvertragliches Rechtsverhältnis besteht.

     

    Folge: Diese Sportler stehen in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis zum Verein und unterliegen grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht.

     

    Vertragsamateure

    Das gilt auch für Vertragsamateure. Das sind Sportler, deren Tätigkeit für den Verein einzelvertraglich geregelt ist und die meist nur eine geringe Vergütung erhalten. Sie nehmen eine Mischposition zwischen Amateursportler und Berufssportler ein. Anders als Profisportler können sie aber aus diesen Einkünften ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten.

     

    Auch bei Vertragsamateuren wird grundsätzlich ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis unterstellt, weil sie regelmäßig abhängig Beschäftigte sind. Die Weisungsgebundenheit ergibt sich aus der vertraglich übernommenen Verpflichtung zur intensiven - über die bloße mitgliedschaftliche Bindung hinausgehende - Mitarbeit nach den Anordnungen des Vereins. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn statt des Vereins Dritte - wie etwa Sponsoren - die Zahlungen an den Sportler tätigen.

     

    Die Höhe der Zahlung spielt keine Rolle. Ebenso wenig, wie der Verein diese Zahlungen deklariert. Auch Tor-, Auflauf-, Sieges- oder Nichtabstiegsprämien, die als Leistungsanreize gezahlt werden, sind Vergütungen.

     

    PRAXISHINWEIS | Umgekehrt lässt eine als Gehalt, Lohn oder ähnlich bezeichnete Zahlung noch nicht generell auf ein Arbeitsverhältnis schließen. Für die rechtliche Qualifizierung einer Tätigkeit kommt es nicht auf die Benennung der Geldleistung an, sondern auf den mit ihr verfolgten Zweck (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27.10.2009, Az. B 2 U 26/08 R; Abruf-Nr. 093899). Sozialversicherungsfrei sind die Zahlungen nur, wenn die vertragliche Vereinbarung keine Entgeltzahlung - also eine Vergütung für Arbeitszeit und Arbeitskraft - vorsieht, sondern bloßen Aufwandsersatz.

     

    Amateursportler

    Amateursportler sind in der Regel als normale Vereinsmitglieder für den Verein aktiv. Es existiert keine schriftliche vertragliche Vereinbarung. Sie üben den Sport nicht aus wirtschaftlichem Interesse, sondern zum Ausgleich oder zur Erholung aus. Entscheidend ist dabei, dass sich Art und Umfang der Tätigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und der freizeitorientierten sportlichen Motivation ergibt. Einzelvertragliche - auch mündliche - Regelungen, die mit entsprechenden Zahlungen verbunden sind, gehen in der Regel darüber hinaus und führen zu einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

    Keine SV-Pflicht bei mitgliedschaftsrechtlicher Bindung

    Kein Beschäftigungsverhältnis besteht nach der Rechtsprechung, wenn zwischen dem Sportler und dem Sportverein nur mitgliedschaftsrechtliche Bindungen bestehen. Eine weisungsgebundene Eingliederung ist danach nur gegeben, wenn sich der Sportler gegenüber dem Sportverein zur Erbringung sportlicher Tätigkeiten nach Weisung des Vereins verpflichtet - typischerweise gegen Zahlung eines Arbeitsentgelts (BSG, Urteil vom 27.10.2009, Az. B 2 U 26/08 R; Abruf-Nr. 093899).

     

    Rechte und Pflichten begründen noch kein Beschäftigungsverhältnis

    Das ist nicht der Fall, wenn der Sportler nur Rechte und Pflichten hat, die sich aus seiner Vereinsmitgliedschaft ergeben. Dass dabei feste Trainings- und Spielzeiten eingehalten werden müssen, spricht noch nicht für ein Beschäftigungsverhältnis. Hier steht regelmäßig nur die - freizeitbezogene - sportliche Motivation im Vordergrund. Selbst eine Sanktionsbefugnis des Trainers bei einer nicht genehmigten Abwesenheit ändert daran nichts.

     

    Auch Zahlungen können unschädlich sein

    Für ein fehlendes Beschäftigungsverhältnis spricht zudem, wenn der Verein Zahlungen leistet, um

    • einen nicht im Einzelnen nachzuweisenden Aufwand pauschal abzudecken,
    • die Sportler an den Verein zu binden, ohne sie vertraglich zu verpflichten,
    • die Sportler im Rahmen der sportlichen Tätigkeit zu motivieren.

     

    PRAXISHINWEIS | Materielle Anreize zur Förderung der sportlichen Leistungsbereitschaft und zur Erreichung sportlicher Erfolge - so das BSG - lassen nicht zwingend auf ein Arbeitsentgelt schließen. Auch dass die Zahlungen während eines Krankheitsausfalls weiter gezahlt werden, spricht nach Auffassung des BSG nicht generell für ein Beschäftigungsverhältnis.

     

    Diese Kriterien sprechen noch gegen ein Beschäftigungsverhältnis

    Die Rechtsprechung hat weitere Kriterien für ein fehlendes Beschäftigungsverhältnis genannt:

     

    • Über die sportlichen Aktivitäten hinaus erfolgt keine intensive Mitarbeit im Verein nach Anordnung des Vereins.
    • Die Zahlungen tragen nicht nennenswert zur Sicherung des Lebensunterhalts des Sportlers bei (SG Düsseldorf, Beschluss vom 5.6.2014, Az. S 44 R 967/14 ER; Abruf-NR. 142268).
    • Es handelt sich um Breiten- und nicht um Leistungssport.
    • Der Sportler ist nicht verpflichtet, an Fernseh-, Rundfunk-, Presse- und Werbeveranstaltungen des Vereins und seiner Sponsoren teilzunehmen.
    • Es existieren keine Vereinbarungen, dass der Sportler die Verwertung seiner Persönlichkeitsrechte an den Verein überträgt.

    Das hat es mit der 200-Euro-Nichtaufgriffs-Grenze auf sich

    In dem BSG-Fall aus dem Jahr 2009 ging es um Vergütungen von 350 DM pro Monat. Die Sozialversicherungsträger haben diese Rechtsprechung aufgegriffen und eine pauschale Nichtaufgriffsgrenze festgelegt. Danach wird bei monatlichen Zahlungen bis 200 Euro keine sozialversicherungsrechtlich relevante Beschäftigung ausgeübt (Besprechung des GKV-Spitzenverbands, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 13.3.2013; Abruf-Nr. 142583).

     

    PRAXISHINWEIS | Voraussetzung ist, dass keine gesonderte schriftliche Vertragsvereinbarung besteht und die Sportler allein aufgrund ihrer mitgliedschaftsrechtlichen Bindungen tätig werden. In die 200 Euro-Grenze müssen auch Leistungsprämien für besondere sportliche Erfolge eingerechnet werden.

     

    200 Euro-Betrag gilt für pauschalen Aufwandsersatz

    Bei den 200 Euro handelt es sich um einen pauschalen Aufwandsersatz. Werden Einzelnachweise vorgelegt, die einen höheren Aufwand belegen, kann auch bei höheren Zahlungen eine sozialversicherungsrechtlich relevante Beschäftigung verneint werden. Umgekehrt können Zahlungen bis zu dieser Grenze sozialversicherungspflichtig sein, wenn der wirkliche Aufwand offensichtlich geringer ist und die Vergütung nicht lediglich zur sportlichen Motivation oder zur Vereinsbindung gewährt wird. Die Sozialversicherungsträger behalten sich also eine Einzelfallprüfung vor.

     

    200 Euro-Betrag ist Freigrenze

    Die 200-Euro-Grenze ist eine Freigrenze, kein Freibetrag. Folge: Wird der Grenzwert von 200 Euro im Monat überschritten, ist der gesamte Betrag sozialversicherungspflichtig, nicht nur der Teil, der über 200 Euro liegt.

     

    Beachten Sie | Im Lohnsteuerrecht gibt es keine derartige Befreiung von Vergütungen an Amateursportler. Die Finanzverwaltung betrachtet lediglich weniger als 256 Euro im Jahr als steuerlich unwesentliche Vergütung.

    Wann höhere Zahlungen sozialversicherungsfrei sind

    Die 200-Euro-Grenze ist - wie oben erwähnt r- nicht in Stein gemeißelt. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat in einem konkreten Fall sogar Zahlungen an Amateurfußballer bis zu 350 Euro pro Monat als sozialversicherungsfrei bewertet (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12.11.2013, Az. L 4 KR 383/13 B ER; Abruf-Nr. 142582).

     

    Das LSG argumentierte dabei, dass die Sportler bis zu 100 Stunden pro Monat im Einsatz waren. Daraus ergaben sich Stundenvergütungen, bei denen von keinen eigenen wirtschaftlichen Interessen der Fußballspieler auszugehen war oder zumindest von keiner auch nur partiellen Sicherung des Lebensunterhalts. Dabei ging es um keine Fahrtkostenerstattungen bzw. anderen Aufwendungsersatz, sondern um sonstige Zahlungen des Vereins.

     

    Das LSG stellt dabei klar, dass die 200-Euro-Grenze der Sozialversicherungsträger nur eine rechtlich nicht bindende Verwaltungsregelung ist. Es gibt also keine bestimmte Betragsgrenze, um sozialversicherungsfreie Zahlungen von Vergütungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses abzugrenzen.

     

    PRAXISHINWEIS | Das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen ist vor allem deswegen interessant, weil es die Zahlungen an die Sportler auf eine stundenbezogene Vergütung umrechnet. Dass der errechnete Stundensatz weit unter üblichen Stundenlöhnen liegt, wertet es als Hinweis auf eine fehlende wirtschaftliche Bedeutung der Zahlungen.Vereine sollten deswegen Stundenaufstellungen führen, um zu untermauern, dass die pauschalen Zahlungen an ihre Sportler keine sozialversicherungsrelevanten Vergütungen sind.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag in Vorbereitung: „In diesen Fällen sind Sportler selbstständig - und Vergütungen sozialversicherungsfrei“
    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 11 | ID 42903338