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  • 09.09.2008 | Vereinsbesteuerung

    Verlust der Gemeinnützigkeit: Damoklesschwert hängt über jedem Verein und Vorstand

    von Dipl.-Kfm. Michael Haubrich, Steuerberater, Kanzlei Geirhos, Berchtenbreiter & Kollegen, Augsburg

    Für einen steuerbegünstigten Verein hat die Aberkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt meist fatale Folgen. Es können sich dadurch Steuernachzahlungen in einer Größenordnung ergeben, die den Verein finanziell überfordern. Die Folgen können die Insolvenz und Auflösung des Vereins und die persönliche Haftung von Vorständen sein. Angesichts dieser Folgen überrascht es, dass dieses Thema von vielen Vereinsverantwortlichen unterschätzt wird.  

    Zentrale Ursachen für den Verlust der Gemeinnützigkeit

    Wenn einem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen wird, ist meist einer der folgenden drei Tatbestände erfüllt: 

     

    • Es liegen gravierende Satzungsmängel vor.
    • Es werden gravierende Fehler bei der tatsächlichen Geschäftsführung des Vereins gemacht.
    • Es wird gegen Vermögensbindungspflichten des Vereins verstoßen.

    Satzungsmängel

    Bei Gründung des Vereins wird in der Regel beim Finanzamt eine vorläufige Bescheinigung der Gemeinnützigkeit beantragt. Dazu muss die Satzung eingereicht werden. Sie wird vom Finanzamt geprüft. Das Finanzamt bescheinigt die vorläufige Gemeinnützigkeit nur, wenn die Satzung den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entspricht.  

     

    Mit dieser vorläufigen Bescheinigung hat der Verein Rechtssicherheit. Die endgültige Bescheinigung der Gemeinnützigkeit erfolgt zwar erst im Veranlagungsverfahren. Das Finanzamt ist aber an die vorläufige Bescheinigung gebunden. Es darf daher im Veranlagungsverfahren die Gemeinnützigkeit nicht wegen Satzungsmängeln verweigern. 

     

    Gefahr bei Satzungsänderungen

    Gefährlich kann es dagegen bei späteren Satzungsänderungen werden. Denn die Bescheinigung der vorläufigen Gemeinnützigkeit gilt nur für die Satzung in exakt dieser Form. Wenn der Verein diese Satzung später ändert und dadurch gegen gemeinnützigkeitsrechtliche Vorschriften verstößt, hat er keinen Vertrauensschutz. Die Gemeinnützigkeit kann dann ab dem Zeitpunkt der Satzungsänderung aberkannt werden. 

     

    Unser Tipp: Satzungsänderungen sollten daher in Absprache mit dem Finanzamt erfolgen. Rechtssicherheit hat der Verein aber nur, wenn er vor der geplanten Satzungsänderung eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt einholt. Diese ist gebührenpflichtig. 

     

    Diese Satzungsänderungen sind gemeinnützigkeitsrelevant 

    Bei harmlosen Satzungsänderungen, wie zum Beispiel der Verlegung des Sitzes oder der Schaffung von neuen Vorstandsämtern besteht kein Risiko. Gemeinnützigkeitsrechtlich relevant bzw. riskant sind aber Änderungen beim Vereinszweck, bei den Regelungen zur Selbstlosigkeit oder Änderungen der Regelungen der Vermögensbindung. Hier tut der Verein gut daran, vorher eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt einzuholen. 

    Verstöße bei der tatsächlichen Geschäftsführung

    Viele Vereine wiegen sich in falscher Sicherheit. Ihnen liegt eine vorläufige Bescheinigung des Finanzamts über die Gemeinnützigkeit vor und sie glauben, damit einen Freifahrtschein zu haben. Dies ist nicht richtig.  

     

    Gemäß § 63 Abgabenordnung (AO) muss die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und darf nicht gegen die Satzung verstoßen. Bei Verstößen gegen diese Regelung droht der Entzug der Gemeinnützigkeit. Um Sie für das Thema zu sensibilisieren, schildern wir nachfolgend typische Fälle von Geschäftsführungsverstößen.  

     

    1. Geschäftsführung verstößt gegen Vereinssatzung

    Die Satzung ist die „Verfassung“ des Vereins. Die Regelungen der Satzung sind zwingendes Recht im Verein und müssen beachtet werden.  

     

    Beispiel

    Laut Satzung werden Vorstandsämter ehrenamtlich und unentgeltlich ausgeübt. Diese Klausel gerät im Laufe der Zeit in Vergessenheit. Jahre später ist der Arbeitsaufwand für den Vorstand deutlich angestiegen. Es wird daher ein angemessene Vergütung für Vorstandsämter vereinbart.  

    Vorsicht: Ohne vorherige Satzungsänderung liegt ein Verstoß gegen die Satzung vor und es droht der Entzug der Gemeinnützigkeit.  

    2. Unerlaubte Zuwendungen an Mitglieder

    Vereinsmitglieder dürfen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine Zuwendung aus Vereinsmitteln erhalten (§ 55 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 AO). Erlaubt sind aber Annehmlichkeiten. Voraussetzung: Die Annehmlichkeiten sind allgemein üblich und angemessen (Anwendungserlass zur Abgabenordnung [AEAO] Nummer 10 zu § 55). 

     

    Beispiel

    Der Verein schenkt seinem Ehrenvorsitzenden zum 80. Geburtstag einen Hotelgutschein für ein Kurhotel im Wert von 400 Euro. Vorsicht: Das Geschenk ist nicht mehr üblich und angemessen. Die Gemeinnützigkeit kann aberkannt werden.  

    3. Überhöhte Vergütungen

    Wenn ein Verein überhöhte Vergütungen bezahlt, stellt dies einen Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot dar. Die Gemeinnützigkeit ist dadurch gefährdet. Es spielt keine Rolle, ob die überhöhte Vergütung an Vereinsmitglieder oder Dritte bezahlt wird.  

     

    4. Keine Unmittelbarkeit

    Der Verein muss gemäß § 57 AO die gemeinnützigen Zwecke selbst verwirklichen. Ausnahmen gelten nur bei Einschaltung von Hilfspersonen (§ 57 Absatz 1 Satz 2 AO), bei Fördervereinen (§ 58 Nummer 1 AO) oder bei der teilweisen (nicht überwiegenden) Mittelüberlassung an zum Beispiel andere gemeinnützige Vereine.  

     

    Beispiel

    Ein gemeinnütziger Kindergartenverein lagert seine gesamten gemeinnützigen Aktivitäten auf eine Tochter-GmbH aus. Vorsicht: Die GmbH ist keine Hilfsperson im Sinne des § 57 Absatz 1 Satz 2 AO. Der Verein verliert dadurch wegen fehlender Unmittelbarkeit die Gemeinnützigkeit. Bei richtiger Gestaltung lässt sich dies vermeiden, zum Beispiel indem ein Teil der gemeinnützigen Aktivitäten beim Verein verbleibt. 

    5. Keine zeitnahe Mittelverwendung

    Gemeinnützige Vereine müssen ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für die gemeinnützigen Zwecke ausgeben, spätestens im folgenden Jahr(§ 55 Absatz 1 Nummer 5 AO). Wenn ein Verein gegen die zeitnahe Mittelverwendung verstößt und unzulässigerweise Mittel ansammelt, wird in der Regel die Gemeinnützigkeit aber nicht sofort aberkannt. Stattdessen setzt das Finanzamt eine Frist zur Verwendung der Mittel (§ 63 Absatz 4 AO). Diese Frist sollte beachtet werden, ansonsten ist die Gemeinnützigkeit tatsächlich verloren.  

     

    6. Dauerverluste im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb

    Gemäß § 55 Absatz 1 Nummer 1 AO dürfen die Mittel des Vereins nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot vor, die zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen kann. Das gilt insbesondere dann, wenn Verluste im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb über mehrere Jahre mit Mitteln des ideellen Bereichs gedeckt werden.  

     

    Beispiel

    Ein Sportverein richtet eine Vereinsgaststätte ein. Diese entwickelt sich schlechter als erwartet und es ergeben sich von Anfang an Verluste. Um Mahnbescheide und Vollstreckungen in das Vereinsvermögen zu vermeiden, werden die Verluste mit Mitteln des ideellen Bereichs (Mitgliedsbeiträge und Spenden) gedeckt. Vorsicht: Die Gemeinnützigkeit ist dadurch gefährdet (Finanzgericht Thüringen, nichtrechtskräftiges Urteil vom 15.11.2007, Az: III 657/05; Abruf-Nr. 082400, Verein hat Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, Az: I R 6/08).  

    7. Zu großer wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb?

    In vielen Vereinen glaubt man, die Gemeinnützigkeit wäre gefährdet, wenn im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb die Einnahmegrenze von 35.000 Euro überschritten wird. Dies ist falsch. Die Grenze ist nur maßgebend für die Frage, ob der Gewinn aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steuerpflichtig ist oder nicht. Ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nichts Verwerfliches. Er dient ja dazu, Mittel zu erwirtschaften, um die gemeinnützigen Zwecke zu finanzieren.  

     

    Beachten Sie: Eine Gefahr für die Gemeinnützigkeit droht aber, wenn der Verein in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verwirklicht. Dies ist der Fall, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit dem Verein das Gepräge gibt. Dabei spielt die Höhe der Einnahmen keine Rolle. Es ist daher möglich, dass sich ein Verein zu 90 Prozent aus Gewinnen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben finanziert und nur zu 10 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Denn entscheidend ist, dass die überwiegende Zeit im Verein für die ideellen Zwecke verwendet wird und nicht für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.  

     

    Beispiel

    In einem Sportverein wird der Großteil der Zeit für gemeinnützige Zwecke verwendet (zum Beispiel Übungsleiterstunden, Training, Wettkämpfe). Ein kleinerer Teil der Zeit wird für ein mehrtägiges Fest mit Festzeltbetrieb und die selbst bewirtschaftete Vereinsgaststätte verwendet. Die eigenwirtschaftlichen Zwecke überwiegen nicht. Die Gemeinnützigkeit ist nicht in Gefahr.  

    8. Gesetzesverstöße

    Ein gemeinnütziger Verein muss sich selbstverständlich an die Rechtsordnung halten. Dazu zählt sowohl das Steuerrecht als auch das Sozialversicherungsrecht. Bei Verstößen kann die Gemeinnützigkeit aberkannt werden. Dieses Risiko wird in Vereinen oft unterschätzt. 

     

    Beispiel

    Ein Sportverein will sich die Lohnsteuer und Sozialabgaben auf die Trainervergütung „sparen“ und bezahlt seit Jahren mehrere Trainer schwarz. Im Jahr 2008 wird dies im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung entdeckt.  

    Vorsicht: Der Verein bzw. der Vorstand werden – zum einen – für die nicht angemeldete und abgeführte Lohnsteuer in Haftung genommen. Zum anderen wird das Finanzamt dem Verein wegen der erheblichen Steuerhinterziehung rückwirkend die Gemeinnützigkeit entziehen. 

    9. Verstoß gegen die Vermögensbindung durch Satzungsänderung

    Dieser Grundsatz besagt, dass bei Auflösung des gemeinnützigen Vereins das Vereinsvermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf. Bei Verstößen gegen diesen Grundsatz wird der Verein so behandelt, als hätten die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit nie vorgelegen. Verstöße gegen die Vermögensbindung können durch eine Satzungsänderung passieren.  

     

    Beispiel

    Bei dem gemeinnützigen Tierschutzverein A ist in der Satzung geregelt, dass bei Auflösung des Vereins das Vereinsvermögen an die Stadt zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke fällt. Der Verein ändert seine Satzung in 2008 dahingehend, dass bei Vereinsauflösung das Vermögen an den Tierschutzverein B fallen soll. Dieser ist wegen zahlreicher Gesetzesverstöße bei Tierbefreiungsaktionen schon seit Jahren nicht mehr gemeinnützig. Vorsicht: Die Satzungsänderung stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung dar, weil das Vereinsvermögen bei Auflösung nicht für gemeinnützige Zwecke verwendet wird (§ 55 Absatz 1 Nummer 4 AO). Gemäß § 61 Absatz 3 AO wird unterstellt, dass die Vermögensbindung von Anfang an nicht erfüllt ist.  

    10. Verstoß gegen Vermögensbindung durch Geschäftsführung

    Es kann auch passieren, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die Vermögensbindungspflicht verstößt.  

     

    Beispiel

    Bei einem gemeinnützigen Tierschutzverein ist in der Satzung geregelt, dass bei Auflösung das Vereinsvermögen an die Stadt zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke fällt. 2008 wird der Verein aufgelöst. Trotz der Satzungsregelung wird das Vereinsvermögen nicht an die Stadt übertragen, sondern an die Vereinsmitglieder verteilt. Vorsicht: Die tatsächliche Geschäftsführung verstößt damit gegen die Vermögensbindung. 

    In extremen Ausnahmefällen können Verstöße der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Selbstlosigkeitsgrundsätze des § 55 Absatz 1 Nummer 1bis 3 AO so schwerwiegend sein, dass sie einem Verstoß gegen die Vermögensbindung gleichkommen. Dann führt dieser Verstoß nicht nur zum Verlust der Gemeinnützigkeit im betreffenden Jahr, sondern es tritt die zehnjährige Nachversteuerung ein.  

     

    Beispiel

    Bei einem gemeinnützigen Heimat- und Trachtenverein beschließt der Vorstand in 2008, nahezu das komplette Vereinsvermögen auf einen befreundeten, nicht gemeinnützigen Burschenverein zu übertragen, damit dieser den Verlust eines verregneten Dorffestes decken kann. Vorsicht: Eine derartig schwerwiegende Mittelfehlverwendung ist mit einem Verstoß gegen die Vermögensbindung vergleichbar.  

    Nächste Ausgabe: Folgen des Entzugs der Gemeinnützigkeit

    In der nächsten Ausgabe lesen Sie, dass und für wie viele Jahre die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkannt werden kann und welche steuerlichen und haftungsrechtlichen Folgen daraus für Verein und Vorstand resultieren.  

    Quelle: Ausgabe 09 / 2008 | Seite 6 | ID 121549