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  • · Fachbeitrag · Vermögensanlage

    Geschlossene Immobilienfonds: Risiko für den Stiftungsvorstand?

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel

    | Wieder einmal beschäftigen geschlossene Immobilienfonds im Stiftungsvermögen die Gerichte. Das OLG Frankfurt entschied mit Urteil vom 21.6.17, 17 U 160/16, ZStV 17, 232, Abruf-Nr. 199814 , dass eine Bank nicht gegen ihre Verpflichtung zur anlegergerechten Beratung verstößt, wenn sie einen geschlossenen Immobilienfonds für das Stiftungsvermögen empfiehlt. |

    Sachverhalt

    Geklagt hatte eine rechtsfähige, steuerbegünstigte Stiftung gegen ihre Bank. Auf Empfehlung der Bank hatte die Stiftung ihr Vermögen unter anderem in mehrere geschlossene Immobilienfonds umgeschichtet. Diese Immobilienfonds warfen jedoch über einen langen Zeitraum keine Erträge ab, sondern verloren darüber hinaus auch in ihrem Wert massiv.

    Entscheidungsgründe

    Aus dem Beratungsvertrag sei die anlageberatende Bank zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet gewesen. Insoweit müssten im Rahmen der von der Bank geschuldeten anlegergerechten Beratung insbesondere die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Anlegerinteressenten berücksichtigt und insbesondere das Anlageziel, die Risikobereitschaft und der Wissensstand des Anlageinteressenten geklärt werden. Die empfohlene Anlage müsse dabei unter Berücksichtigung der verfolgten Anlageziele auf die persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Kunden zugeschnitten sein.

     

    Fonds passten zur Anlagestrategie der Stiftung

    Es sei kein haftungsbegründender Beratungsfehler der Bank gewesen, dass der mit der Beratung der Stiftung befasste Bankangestellte die Satzung der Stiftung und die darin geregelte Notwendigkeit des Kapitalerhalts zur Realisierung des Stiftungszwecks gekannt und in Kenntnis dessen die konkrete Zeichnung der geschlossenen Immobilienfonds empfohlen habe.

     

    Der Stiftung sei es nach ihrer eigenen Darstellung darauf angekommen, einerseits das Stiftungskapital zu erhalten und andererseits Ausschüttungen zum Bestreiten der Investitionen im Rahmen des Stiftungszwecks zu erreichen. Insoweit stelle die Empfehlung der Bank an die Stiftung, einen Teil des Stiftungsvermögens in geschlossene Immobilienfonds mit den damit einhergehenden Risiken einer unternehmerischen Beteiligung zu investieren, noch keine unvereinbare Abweichung von der Anlagestrategie der Stiftung dar.

     

    Diversifikation rechtfertigt Totalausfallrisiko

    Ungeachtet einer bestehenden Kenntnis der Bank von dem von der Stiftung zu wahrenden Grundsatz des Kapitalerhalts könne allein aus der Empfehlung der geschlossenen Immobilienfonds noch keine anlegerwidrige Beratung hergeleitet werden. Allein zur Wahrung der stiftungsrechtlich gebotenen Vorgaben des Kapitalerhalts sei die Bank nicht gehalten gewesen, im Rahmen der von ihr geleisteten Beratung generell von der Empfehlung geschlossener Immobilienfonds wegen damit unvereinbarer Risiken abzusehen. Denn die mit geschlossenen Immobilienfonds verbundenen Verlustrisiken schlössen die Empfehlung der streitgegenständlichen Anlagen auch bei pflichtgerechter Beratung nicht aus. Solche Verlustrisiken ergäben sich etwa aus der Art der Fremdfinanzierung und der Unsicherheit der Entwicklung von erzielbaren Mieten und aufzubringenden Darlehenszinsen.

     

    Die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung trotz des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos stelle zumindest dann keinen Verstoß gegen die Verpflichtung zur anlegergerechten Beratung dar, wenn diese Investition als Beimischung zu einem konservativ gestalteten Wertpapierdepot getätigt werde. Dies gälte auch im Hinblick darauf, dass regelmäßig das Risiko eines hohen oder vollständigen Kapitalverlusts gering sei. Denn ungeachtet der sonstigen wirtschaftlichen Entwicklung des Fonds bliebe jedenfalls der Sachwert des Vermögens erhalten, selbst wenn die Erträge den Erwartungen nicht entsprächen.

     

    Gerade für das Anlagevermögen von Stiftungen sei es wichtig, entsprechende Erträge zur Finanzierung der stiftungsmäßigen Zwecke zu erwirtschaften. Dementsprechend seien geschlossene Immobilienfonds auch für eine ergänzende Altersvorsorge nicht schlechthin oder generell ungeeignet. Die Verpflichtung der Bank ginge nicht so weit, allein wegen der stiftungsrechtlichen Vorgaben des Kapitalerhalts an der Empfehlung der streitgegenständlichen Beteiligungen gehindert zu sein. In erster Linie sei es Aufgabe des Stiftungsvorstands selbst, den aufsichtsrechtlichen Vorgaben gerecht zu werden. Daneben bedeute die allgemein geltende Verpflichtung zur Erhaltung des Stiftungskapitals keineswegs, dass lediglich Investitionen in Anlageprodukte mit garantiertem Kapitalerhalt zulässig gewesen seien.

     

    Keine Risikoabwälzung der Stiftung auf die Bank

    Auch wenn geschlossene Immobilienfonds grundsätzlich mit dem Risiko des Totalverlusts behaftet seien, erscheine es gleichwohl mit dem generell geltenden Gebot des Erhalts des Stiftungskapitals vereinbar, in Form einer sog. Diversifikation auch geschlossene Immobilienfonds mit einem längerfristigen Anlagehorizont in das Portfolio aufzunehmen. Dementsprechend seien gerichtsbekannt weit bedeutsamer als Privatanleger bei Investitionen in Immobilienfonds die institutionellen Großkunden wie Versicherer, Pensionskassen, Versorgungswerke, wobei auch Stiftungen und Kirchen immer mehr Kapital in solche Fonds investierten. Wolle man die beratende Bank an der Empfehlung geschlossener Immobilienfonds gegenüber Stiftungen hindern, könnten die Stiftungsvorstände damit das Risiko der allein von ihnen getroffenen Anlageentscheidungen auf die sie beratenden Banken abwälzen.

     

    Problem: Beweislastverteilung

    Zwischen der Stiftung und der Bank war in dem Verfahren ‒ wie häufig ‒ streitig, ob der Stiftungsvorstand den Mitarbeiter der Bank als Voraussetzung der Investition in eine Anlage auf den damit unbedingt zu wahrenden Kapitalerhalt hingewiesen hatte oder nicht.

     

    Der Stiftungsvorstand behauptete dies. Er behauptete ferner, dass der Mitarbeiter der Bank hinsichtlich der tatsächlich gezeichneten Anlagen erklärt habe, die einzelnen Fondsbeteiligungen seien von der beratenden Bank geprüft und unter Berücksichtigung dieser Vorgaben auch geeignet; über die Risiken im Zusammenhang mit den jeweils gezeichneten Anlagen sei nie gesprochen worden.

     

    Demgegenüber konnte der Mitarbeiter der Bank das Gericht davon überzeugen, in allen Fällen entsprechender Beratungen über geschlossene Immobilienfonds jeweils vorab den dazu vorliegenden Fondsprospekt an den jeweiligen Interessenten übergeben und entsprechend einem bestimmten Muster über das Totalverlustrisiko sowie die allgemeinen Chancen und Risiken gesprochen zu haben.

    Relevanz für die Praxis

    Ausweislich der PwC-Stiftungsstudie 2016 (durchgeführt in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e. V., Essen) halten Stiftungen rund ein Viertel ihres Vermögens in Immobilien oder Immobilienfonds: größere Stiftungen etwas weniger, kleinere dafür umso mehr.

     

     

    Nach einer Untersuchung des Onlinemagazins „FONDS professionell ONLINE“ im letzten Jahr schlossen die fünf besten geschlossenen Fonds mit deutschen Immobilien zwischen 12,02 Prozent („Bürozentrum Siemens“, seit 2003, Hannover Leasing, Platz 5) und 15,70 Prozent Rendite p. a. (Fonds „Unger-Haus“ in Hamburg, seit 2005, HIH, Platz 1) ab. Offensichtlich können Immobilienfonds also auch prosperieren und müssen nicht im wirtschaftlichen Desaster enden.

     

    Risiken eines geschlossenen Fonds können sich ergeben aus:

    • dem Anbieter des Fonds,
    • dem Fondskonzept,
    • der Platzierung
    • und eventuell Währungsrisiken.

     

    Noch zwei Jahre vor dieser Entscheidung urteilte ein anderer Senat desselben Gerichts (28.1.15, 1 U 32/13, Abruf-Nr. 144363), dass die Empfehlung zur Anlage in Immobilienfonds durch die Bank nicht anlegergerecht sei, weil mit der rechtlichen Verpflichtung einer Stiftung zur Erhaltung ihres Stiftungskapitals unvereinbar sei. Danach dürfe eine Stiftung schon aus stiftungsrechtlichen Gründen nicht das Risiko eingehen, das Stiftungskapital durch riskante Anlagegeschäfte zu mindern, vgl. dazu Theuffel-Werhahn, SB 15, 84; ders., WM 15, 1887. Indessen unterscheiden sich die Sachverhalte insoweit, als die Immobilienfonds im Sachverhalt der Entscheidung aus 2015 in ausländischer Währung fremdfinanziert wurden, was zu einem zusätzlichen Risiko führte; bei der aktuellen Entscheidung war dies dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

     

    Die damalige Entscheidung ist weitgehend kritisiert worden. Vorzug der aktuellen Entscheidung ist, dass sie einerseits die Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Stiftung (ins. deren Vorstand) und beratender Bank wieder zurechtrückt und andererseits aufzeigt, dass es Stiftungen nicht verwehrt ist, auch in geschlossene Immobilienfonds zu investieren. Insoweit hat die Rechtsprechung wieder auf den „richtigen Kurs“ zurückgefunden.

     

    Beachten Sie | Zu kritisieren bleibt, dass es der Rechtssicherheit von Stiftungen ‒ ebenso wie Banken ‒ abträglich ist, wenn schon innerhalb desselben Gerichtes (!) einander widersprechende Rechtsauffassungen vertreten werden.

     

    Für eine Stiftung, deren Vorstand die Vermögensanlage plant, ist es eminent wichtig, wie der Fall zeigt, derartige Beratungsgespräche mit der beratenden Bank nie alleine, sondern stiftungsseitig mindestens zu zweit zu führen. Dies vorzugsweise mit einem Mitarbeiter der Stiftung, der ‒ anders als der Vorstand ‒ nicht „Partei“ ist. Denn der Stiftungsvorstand ist als gesetzlicher Vertreter der Stiftung selbst „Partei“ und kann deshalb grundsätzlich nur unter erschwerten Bedingungen (§§ 445 ff. ZPO), aber eben nicht als Zeuge vernommen werden. Noch besser geeignet ist eine „neutrale“ Person. Ebenso wichtig ist die eigene Dokumentation des Beratungsgesprächs (möglichst detailgetreu).

    Quelle: Ausgabe 03 / 2018 | Seite 50 | ID 45150086