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  • · Fachbeitrag · Körperschaftsteuer

    Abgabe von Medikamenten zur Blutgerinnung gehört zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel

    | Der BFH (18.10.17, V R 46/16, Abruf-Nr. 198656 , stellt klar: Die Abgabe von Medikamenten zur Blutgerinnung (sog. Faktorpräparate) an Patienten mit der sog. „Bluterkrankheit“ ist dem Zweckbetrieb Krankenhaus ( § 67 AO ) zuzuordnen, selbst wenn sich der Patient das Medikament im Rahmen einer ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung verabreicht. |

    Sachverhalt

    Geklagt hatte ein Universitätsklinikum (UK), eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Es verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i. S. d. AO und nimmt Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen wahr.

     

    Im Rahmen ärztlich kontrollierter Heimselbstbehandlungen gab das UK im Streitjahr 2007 Blutgerinnungsfaktoren an eigene Patienten ab. Hierzu kamen die Patienten regelmäßig sowie zusätzlich bei aufgetretenen Blutungen in das Behandlungszentrum des UK. Dabei wurden die Gerinnungsfaktoren von den behandelnden Ärzten an die Patienten abgegeben. Der Arzt musste die Abgabe für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz dokumentieren (§ 14 Abs. 1 Transfusionsgesetz). Im weiteren Verlauf der Behandlung dokumentierte der Patient die Einnahme der Präparate. Diese Dokumentation wurde von dem behandelnden Arzt überwacht und geprüft.

     

    Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Abgabe der Faktorpräparate dem steuerpflichtigen wGB des UK zuzurechnen sei und unterwarf den hieraus erzielten Gewinn durch Änderungsbescheid der Körperschaftsteuer. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren klagte das UK erfolgreich vor dem FG; das FA legte dagegen Revision ein und unterlag auch beim BFH, der die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte.

    Entscheidungsgründe

    Das FG habe zu Recht entschieden, dass das UK auch insoweit von der Körperschaftsteuer befreit sei, als es Faktorpräparate an Hämophile (Patienten der „Bluterkrankheit“) im Rahmen der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung abgäbe.

     

    §§ 51 ff. AO auch auf öffentliche Anstalten anwendbar

    Das UK diene sowohl nach seiner Verfassung als auch nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Denn seine Tätigkeit sei darauf gerichtet, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 S. 1 AO). Unter die Förderung der Allgemeinheit falle auch die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO). Hiervon erfasst würden alle Tätigkeiten, die der Gesundheit der Bürger dienen, insbesondere Seuchen und Krankheiten zu bekämpfen und zu verhindern. Dies könne ‒ wie im Streitfall ‒ auch durch Krankenhäuser als begünstigte Einrichtungen geschehen.

     

    Der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft stünde nicht entgegen, dass es sich beim UK um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handele, die vom Bundesland NRW errichtet worden sei. Die Gemeinnützigkeitsbestimmungen seien jedenfalls auf die öffentliche Hand anwendbar, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts durch einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) zu Privaten in Wettbewerb trete. Die Tätigkeit von Hochschulkliniken habe überwiegend wirtschaftlichen Charakter und erfolge daher im Rahmen eines einheitlichen BgA; dabei treten diese Kliniken zu privaten Krankenhausbetreibern in Wettbewerb.

     

    Abgabe erfüllt Zweckbetriebsvoraussetzungen

    Das UK betreibe mit der Abgabe der Faktorpräparate zwar einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. d. § 14 AO, dieser erfülle jedoch die speziellen Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nach § 67 AO. Ein Krankenhaus sei gemäß § 67 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb, wenn es in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes ‒ KHEntgG ‒ oder der Bundespflegesatzverordnung ‒ BPflV ‒ falle und mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfielen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet würden. Dass das UK diese Erfordernisse erfülle, sei unstrittig.

     

    Die Abgabe der Faktorpräparate zur Verabreichung im Rahmen der ärztlich begleiteten Heimselbstbehandlung von Hämophilen sei dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ zuzurechnen. Alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhingen, seien aufgrund der weit gefassten Legaldefinitionen des Krankenhauses in § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze und § 107 Abs. 1 SGB V dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen. Ausgehend von dem Zweck des § 67 AO, die Sozialversicherungsträger als Kostenträger für ihre Versicherten steuerlich zu entlasten, handele es sich jedenfalls solange um eine typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung, als

     

    • das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrags von Gesetzes wegen zu dieser Leistung befugt sei und

     

    • der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich zahlen müsse.

     

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe das FG zu Recht entschieden, dass die Abgabe der Gerinnungsfaktoren zur Heimselbstbehandlung zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehöre und deren Kosten von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden:

     

    Abgabe ist Teil des Versorgungsauftrags

    Der Versorgungsauftrag regele, welche Leistungen ein Krankenhaus ‒ unabhängig von der Art der Krankenversicherungsträger ‒ erbringen dürfe (§ 8 Abs. 1 S. 4 KHEntgG). Nach Abs. 2 des mit „Ambulante Behandlung im Krankenhaus“ überschriebenen § 116b SGB V in der im Streitjahr geltenden Fassung (§ 116b SGB V a.F.) sind zugelassene Krankenhäuser berechtigt, Verträge über die ambulante Behandlung der in dem Katalog nach Abs. 3 und 4 genannten Erkrankungen mit Versicherungsträgern zu schließen.

     

    Das UK gehöre zu den zugelassenen Krankenhäusern (§ 108 Nr. 1 SGB V), da es nach landesrechtlichen Vorschriften als Universitätsklinik errichtet und zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung anerkannt worden sei.

     

    In Gestalt einer Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten, die das UK mit Krankenkassen geschlossen hatte, läge auch ein Vertrag i. S. v. § 116b Abs. 2 SGB V a.F. vor. Gegenstand dieses Vertrags sei die ambulante Versorgung der Versicherten der Krankenkassen aufgrund vertragsärztlicher Verordnung mit Gerinnungspräparaten/Faktorkonzentraten, die nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz vom Vertriebsweg Apotheke ausgenommen sind, durch das Hämophiliezentrum des UK.

     

    Zum Katalog der in § 116b SGB V geregelten Behandlungen gehöre die „Diagnose und Versorgung von Patienten mit Hämophilie“ (§ 116b Abs. 3 Nr. 2 Spiegelstrich 7 SGB V a.F.).

     

    Der Behandlungsumfang richte sich nach § 116b Abs. 4 SGB V a.F. i. V. m. der einschlägigen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Danach gehöre zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Hämophilie die sog. Gerinnungstherapie. Werde dabei als Therapieform die sog. Heimselbstbehandlung gewählt, erfordere dies zwingend die Abgabe des entsprechenden Präparats. Denn neben der Therapieform sei auch die Präparatewahl (Heimselbstbehandlung, rekombinante vs. Plasmapräparate, Dosis) der ambulanten Behandlung im Krankenhaus zugeordnet. Das FG habe daher zutreffend entschieden, dass es sich bei der Abgabe der Medikamente (Faktorpräparate) um einen integralen Bestandteil der Therapie handele.

     

    Selbstverabreichung schadet nicht

    Der Zurechnungszusammenhang dieser ambulanten Behandlung zum Zweckbetrieb werde nicht dadurch gelöst, dass der Patient selbst einen Teil der Behandlung (Verabreichung der Präparate) zu Hause ausführe. Denn die Heimselbstbehandlung stünde im Kontext einer fortbestehenden Krankenhausbehandlung. Dies ergäbe sich zunächst daraus, dass nur die Abgabe von Faktorpräparaten an Patienten als Benutzer des Krankenhauses im Streit stünde. Die Präparate würden auch unmittelbar im Krankenhaus den Patienten übergeben, die sie sich lediglich ‒ nach entsprechender Schulung ‒ zu Hause verabreichten.

     

    Diese Heimselbstbehandlung vollzöge sich unter ständiger ärztlicher Kontrolle und Beratung, insbesondere hinsichtlich der Anpassung der Faktorpräparate an die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Patienten. Überdies kämen die Patienten je nach Alter zwischen zwei- und sechsmal jährlich sowie bei zusätzlich auftretende Blutungen in das Behandlungszentrum des UK. Die Abgabe der Gerinnungsfaktoren werde schließlich durch den behandelnden Arzt für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz dokumentiert. Im weiteren Behandlungsverlauf habe zwar der Patient die Einnahme der Präparate zu dokumentieren, diese Dokumentation werde jedoch von dem behandelnden Arzt überwacht und geprüft.

     

    Übernahme der Behandlungskosten durch Sozialversicherungsträger

    Die Kosten der Behandlung würden auch von den Sozialversicherungsträgern übernommen. Dies ergäbe sich zunächst aus § 116b Abs. 2 SGB V a.F.; danach würden die aufgrund eines Vertrags nach Absatz 2 von den Krankenhäusern erbrachten Leistungen unmittelbar von den Krankenkassen vergütet.

     

    Im Streitfall habe der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der oben bezeichneten Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten für die entsprechenden Leistungen des UK gezahlt. Nach dieser Vereinbarung stelle das UK bei Abgabe von Gerinnungskonzentraten u. a. die bedarfsgerechte und kostenbewusste Abgabe der Präparate an die Patienten sicher. Die Krankenkassen erstatteten nach der Vereinbarung die Kosten. Dies geschähe innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang bei den Krankenkassen.

     

    Umfassende Entlastung der Krankenkassen angestrebt

    Soweit das BMF für die Zurechnung zum Zweckbetrieb den Ort der Verabreichung des Präparats (im Krankenhaus) für maßgeblich erachte, ergäbe sich diese Voraussetzung weder aus dem sog. „Zytostatika-Urteil“ noch aus dem Sinn und Zweck des § 67 AO. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Verabreichung der Präparate der Versorgung von eigenen Patienten des Krankenhauses diene und vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst werde. Abgesehen davon, führe diese Auffassung, wonach die Abgabe von Präparaten nur dann dem Zweckbetrieb zuzuordnen sei, wenn sie örtlich in einer Ambulanz des UK (also im Krankenhaus) erbracht werde, zu einem nicht folgerichtigen Ausschluss von Leistungen aus dem Zweckbetrieb, der mit dem gemeinnützigkeitsrechtlichen Sinn und Zweck (umfassende Entlastung der Sozialversicherungsträger) nicht zu vereinbaren wäre.

    Relevanz für die Praxis

    Aus Sicht betroffener Krankenhäuser ist positiv, dass der BFH seine durch das Zytostatika-Urteil begonnene Rechtsprechung zu Zweckbetrieben bei Krankenhäusern bestätigt. Die Finanzverwaltung hatte das Zytostatika-Urteil bislang eng ausgelegt. Im Gegensatz dazu stellt der BFH auf den Versorgungsauftrag des Krankenhauses einerseits sowie auf die Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger andererseits ab. Sofern diese beiden Voraussetzungen vorliegen, könnten möglicherweise auch andere Leistungen privilegiert sein.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 66 | ID 45201599