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  • · Fachbeitrag · Stiftung & Recht

    Auflösung rechtsfähiger Stiftungen

    von RA Dr. K. Jan Schiffer und RA Christoph J. Schürmann, Bonn

    | Die rechtsfähige Stiftung ist tendenziell auf Dauer angelegt. Abgesehen von Ausnahmen, bei denen eine Auflösung von vorneherein zulässig ist (siehe weiterführender Hinweis), kann eine Stiftung nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgelöst werden. Es gibt Stiftungserrichtungen, die sich als Irrtum herausstellen, und deren Auflösung die Stiftungsorgane selbst anstreben. Dies wird häufiger bei Familienstiftungen der Fall sein, da hier die Erben frei über den Nachlass verfügen wollen. Dieser Beitrag zeigt, wie eine „Selbstauflösung“ aus Sicht der Praxis erfolgen kann. |

    1. Die Auflösung einer Stiftung im Überblick

    Bei einer Auflösung der Stiftung von „von außen“ sind folgende Tatbestände zu unterscheiden:

     

    • Auflösung durch staatlichen Hoheitsakt wegen Unmöglichkeit der Zweckerfüllung oder Gemeinwohlgefährdung (§ 87 Abs. 1 BGB),
    • Widerruf/Rücknahme der Anerkennung der Stiftung,
    • Regelungen zur Auflösung in den Landesstiftungsgesetzen.

     

    Im BGB finden sich (anders als in den meisten Landesstiftungsgesetzen) keine Regelungen zu einer „Selbstauflösung“ der Stiftung durch ihre Organe.

     

    Nach ganz h.M. kann grundsätzlich auch die Auflösung einer Stiftung, bei entsprechender Ermächtigung, durch die zuständigen Stiftungsorgane beschlossen werden (Hof in: Seifart/v. Campenhausen, 3. Aufl., § 10 Rn. 332). Voraussetzung für einen Auflösungsbeschluss ist, dass dieser nach der betreffenden Stiftungssatzung (Stifterwille) überhaupt zulässig ist. Typischerweise existieren in der Praxis aber gerade keine besonderen Satzungsregelungen zur Auflösung, sondern allenfalls Regelungen entlang der gesetzlichen Bestimmungen. Darauf achten in der Regel auch die Stiftungsbehörden bei Abstimmung der Satzung.

     

    • Beispiel: Ein typisierter Fall aus der Praxis

    Der Stifter hat von Todes wegen eine Familienstiftung mit Sitz in NRW errichtet. Stiftungszweck ist die finanzielle Unterstützung seiner Kinder und Enkel bei Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten sowie deren Unterstützung bei wirtschaftlicher Notlage und Bedürftigkeit. Die Stiftungssatzung ermächtigt den Vorstand bei nachhaltiger Veränderung der bei Stiftungserrichtung gegebenen Umstände zu Satzungsänderungen, insbesondere auch zu Änderungen des Stiftungszwecks. Die Auflösung der Stiftung durch den Vorstand hat zudem satzungsgemäß bei Unmöglichkeit der Zweckerfüllung zu erfolgen.

    15 Jahre später hat sich die finanzielle Situation der Destinatäre deutlich verschlechtert. Die Erträge aus dem Stiftungsvermögen sind bei weitem nicht ausreichend, um den vollen Bedarf der betreffenden Familienmitglieder zu decken. Der ehrenamtlich tätige dreiköpfige Stiftungsvorstand strebt deshalb an, die Stiftung aufzulösen und das Vermögen, entsprechend der vorhandenen Anfallklausel, an die Erben des Stifters auszukehren.

    2. Stiftungszweck

    Die Destinatäre im Beispielsfall werden den Standpunkt vertreten, dass die Beendigung ihrer wirtschaftlichen Notlage, die der Stifter nach dem Stiftungszweck gerade verhindern wollte, nur noch durch Auszahlung des Stiftungsvermögens und nicht mehr durch den Fortbestand der Stiftung möglich ist. Diese Überlegungen sind aber nicht zielführend, da mit dem Zweck der Stiftung eben nicht für deren Auflösung argumentiert werden kann. Der Stiftungszweck ist grundsätzlich nur aus den Erträgen der Stiftung zu verwirklichen, er setzt also ihre Existenz und ihren Fortbestand gerade voraus. Ist der Stiftungszweck die Unterstützung bei wirtschaftlichen Notlagen der Destinatäre, kann die Stiftung nicht wegen einer solchen Notlage aufgelöst werden.

    3. Auflösungsbeschluss kraft Satzungsermächtigung

    Ist in der Satzung die Aufhebung der Stiftung bei Eintritt bestimmter Auflösungsgründe (z.B. Zeitablauf oder vollständige Erfüllung der Stiftungszwecke) vorgesehen, stellt das nach der Satzung zuständige Stiftungsorgan (i.d. Regel der Vorstand) das Vorliegen des betreffenden Aufhebungsgrunds fest. Die Aufsichtsbehörde prüft dann unter dem Aspekt der Rechtsaufsicht, ob dem zu folgen ist (Hof in: Seifart/v. Campenhausen, a.a.O., § 10 Rn. 336).

     

    Problematischer ist die Frage, ob dem Stiftungsvorstand in der Satzung eine darüber hinausgehende „autonome“ Beschlusskompetenz zur Auflösung eingeräumt werden kann. Dies wegen der Stiftungsautonomie, die auch gegenüber ihren eigenen Organen gilt, und der Satzungsautonomie des Stifters, umstritten. Einerseits sind die Organe „Diener, nicht Herren der Stiftung“ (Muscheler, Stiftungsrecht, 2005, S. 314). Andererseits ist immer der Stifterwille bei Errichtung der entscheidende Maßstab (Schiffer/Pruns in: NK-BGB, 2. Aufl., § 80 Rn. 1). Die Stiftung ist nach Erlangung der Rechtsfähigkeit als Manifestation des in der Satzung festgelegten Stifterwillens durch Einflussnahme von außen und innen geschützt und kann nicht, wie z.B. eine Kapitalgesellschaft, ihre Existenz einer organschaftlichen Willensbildung unterwerfen.

     

    Wegen der Stiftungsautonomie und des Primats des Stifterwillens muss die Verfassung der Stiftung auch in dem Punkt der Stiftungsauflösung durch das Stiftungsgeschäft (hinreichend) bestimmt sein; es reicht nicht die allgemeine, unbestimmte Zuweisung der beliebigen Auflösungskompetenz in das unbegrenzte Ermessen der Stiftungsorgane. Eine Ermächtigung zur Stiftungsauflösung durch Organbeschluss ist folglich nach der wohl h.M. konsequenterweise nur wirksam, wenn der Stifter in der Satzung die Voraussetzungen unter denen nach seinem Willen diese Beschlüsse gefasst werden dürfen, konkret bestimmt hat (Schwintek in: Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Rn. 698; Hüttemann/Rawert in: Staudinger, 2011, § 87 Rn. 17.) Dies können z.B. sein:

     

    • Wegfall des Stiftungszwecks oder
    • Wegfall möglicher potenzieller Destinatäre, etwa bei einer Familienstiftung, wenn die Mitglieder der Familie ausgestorben sind.

     

    Im Beispiel sieht die Satzung nur den Auflösungsgrund der „Unmöglichkeit der Zweckerfüllung“ vor. Da sowohl das Stiftungsvermögen als auch die Destinatäre noch existieren, ist die Zweckerfüllung nicht unmöglich. Eine Auflösung durch satzungsgemäßen Vorstandsbeschluss scheidet daher aus.

     

    PRAXISHINWEIS | Satzungsregelungen, die Stiftungsorgane zu einem Auflösungsbeschluss ermächtigen, sollten so konkret wie im Einzelfall eben möglich die einzelnen Auflösungsgründe bestimmen. Sie können an besondere Mehrheiten bei den Abstimmungen der Stiftungsorgane geknüpft werden und auch qua Satzung an die Zustimmung der Stiftungsaufsichtsbehörde.

    4. Die Landesstiftungsgesetze

    Anders als im BGB sehen die Landesstiftungsgesetze (unterschiedliche) Bestimmungen zur Auflösung der Stiftung durch Organentscheidung vor.

     

    • Der für den Praxisfall einschlägige § 5 Abs. 2 StiftG NRW lautet

    Soweit die Satzung es nicht ausschließt, können die zuständigen Stiftungsorgane

    1. wesentliche Änderungen des Stiftungszwecks, wesentliche Änderungen, die die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks berühren,den Zusammenschluss der Stiftung mit einer anderen Stiftung oder die Auflösung der Stiftung beschließen, sofern eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.

    2. wesentliche Änderungen der Organisation beschließen, soweit es die Erfüllung des Stiftungszwecks nicht beeinträchtigt.

    Die Stifterinnen und Stifter sind hierzu nach Möglichkeit anzuhören. Die Beschlüsse bedürfen der Genehmigung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde. Mit der Genehmigung der Beschlüsse über den Zusammenschluss und die hierzu erforderliche Satzungsänderung ist die neue Stiftung anerkannt.

    4.1 Die Streitfrage zur Kompetenz der Landesgesetzgeber

    Ob den Ländern mit Blick auf Art. 70 ff. GG überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für eine solche Erweiterung der Kompetenzen der Stiftungsorgane zusteht, ist umstritten und wird mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt (Muscheler, Stiftungsrecht, 2005, S. 294 ff.). Gleichwohl werden die Vorschriften bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG angewendet.

     

    4.2 Vorrang von Satzung und Auslegung

    § 5 Abs. 2 StiftG NRW stellt zunächst klar, dass die Satzungsbestimmungen, (also Stifterwille), vorrangig zu beachten sind („soweit die Satzung nicht ausschließt“). Das entspricht der angesprochenen h.M. zum Vorrang des Stifterwillens. Im Beispiel findet sich in der Satzung keine entsprechende Regelung.

     

    Die an sich mögliche Auslegung der Stiftungssatzung nach dem hypothetischen Stifterwillen (Schiffer/Pruns in: NK-BGB, § 80 Rn. 3), die im Einzelfall für eine Auflösung sprechen mag, wenn der Stifter damals gewusst hätte, wie die Situation sich heute darstellt, wird die Stiftungsaufsichtsbehörde nur ganz ausnahmsweise überzeugen. In der Regel wird es schon an einem überzeugenden Anknüpfungspunkt für besagte Auslegung in der Satzung fehlen.

     

    4.3 Tatbestandsvoraussetzungen

    Materiell knüpft die Vorschrift an „eine wesentliche Änderung der Verhältnisse“ an. Für die Beantwortung der Frage nach der erforderlichen Intensität dieser Änderung der Verhältnisse ist zwischen den einzelnen Eingriffsmöglichkeiten zu differenzieren. Dabei ist die Auflösung anerkanntermaßen die „ultima ratio“ (Schiffer/Pruns in: NK-BGB, a.a.O., § 87 Rn. 12). Die Auflösungsvoraussetzungen können in der Praxis etwa erfüllt sein, wenn:

     

    • nach Vermögensverlusten das Restvermögen die Erfüllung des Stiftungszwecks zwar nicht gänzlich unmöglich macht (Fall des § 87 BGB), aber doch nur noch für eine marginale, eher formale Zweckerfüllung ausreicht, die bei kritischer Betrachtung den Aufwand nicht mehr lohnt und damit zugleich auch nicht mehr dem (hypothetischen) Stifterwillen entspricht.

     

    • die Besetzung des Stiftungsvorstands nicht mehr sichergestellt werden kann (Heuel, StiftG NRW, 2009, § 5, Anm. 5., S. 56). Im Sachverhalt der ersten Strichaufzählung wird das tatsächlich oftmals der Fall sein.

     

    Im Beispielsfall könnte die zweite Möglichkeit einen Ansatzpunkt für die Auflösung geben, ist die ehrenamtliche Ämterbesetzung doch in der Praxis regelmäßig ein echtes Problem auch bei Stiftungen.

    5. Rechtsfolgen einer Stiftungsauflösung

    Hat eine Stiftungsauflösung ausnahmsweise Erfolg, sind die Rechtsfolgen des Verlusts der Rechtsfähigkeit unterschiedlich, je nachdem ob in der Stiftungssatzung ein Anfallsberechtigter benannt ist oder nicht.

     

    • Bei steuerbefreiten Stiftungen ist zwingend zu bestimmen, welcher steuerbegünstigten Person das Liquidationsvermögen zufällt (§ 61 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO). Der Rechtsübergang erfolgt im Rahmen einer Liquidation (§ 88 S. 3 BGB i.V. mit §§ 47 bis 53 BGB). Die Anfallsberechtigten haben einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auskehrung des nach der Liquidation verbleibenden Überschusses.

     

    • Ist kein Anfallsberechtigter genannt, ist der Fiskus Anfallsberechtigter (§ 88 S. 2 BGB). Dann findet ausnahmsweise eine Gesamtrechtsnachfolge statt.

     

    Daneben hat die Auflösung einer Stiftung immer auch steuerrechtliche Konsequenzen. Was bei der Aufhebung erworben wird, gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als Schenkung unter Lebenden. Das gilt auch, wenn durch das Erlöschen der Stiftung das Vermögen an den Stifter oder seine Erben zurückfällt.

     

    Einen steuerlichen Vorteil für Familienstiftungen gewährt § 15 Abs. 2 S. 2 ErbStG. Danach hat im Fall der Aufhebung ein Erwerber den Vermögensanfall so zu versteuern, als habe er ihn vom Stifter und nicht von der Stiftung erhalten. Ohne diese Sonderregelung ist der Vermögensanfall als von der Stiftung kommend immer nach der ungünstigsten Steuerklasse III zu versteuern (Schiffer in: Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. Aufl., § 15 Rn. 61).

    6. Alternative Lösungen

    Ist die Auflösung einer Stiftung stets nur „ultima ratio“, wird die Stiftungsbehörde vor ihrer Genehmigung immer prüfen, ob nicht auch ein milderes Mittel infrage kommt. Dies entspricht auch dem (hypothetischen) Stifterwillen, der regelmäßig darauf gerichtet sein wird, wenn möglich den Bestand der Stiftung zu erhalten (Schwintek in: Werner/Saenger, a.a.O., Rn. 703). Solche Alternativen sind insbesondere die Satzungs- und/oder Zweckänderung sowie Zusammen- oder Zulegung (Schiffer/Pruns in: NK-BGB, a.a.O., § 87 Rn. 16).

     

    Im Beispielsfall kann auch die nur teilweise Förderung/Unterstützung der Destinatäre Sinn machen. Mit der Stiftungsbehörde kann möglicherweise auch abgestimmt werden, dass zunächst in gewissem Maße auf das Grundstockvermögen zugegriffen werden darf und die Wiederauffüllung aus den verbleibenden Erträgen mit Blick auf „bessere Zeiten“zurückgestellt wird, in denen die Erträge nicht vollständig für die Zweckerfüllung benötigt werden. Als Argumentationshilfe dient, dass der Stifter satzungsgemäß nur die Unterstützung bis zur Enkelgeneration beabsichtigt hat und damit von vornherein von einer begrenzten Lebensdauer der Stiftung ausgegangen ist (Stiftung auf Zeit).

     

    PRAXISHINWEIS | Es zeigt sich, wie wichtig die auf den Einzelfall abgestimmte Lösung und eine entsprechende Beratung ist.

    • Im Beispielsfall wäre der Stifter mit der Einsetzung eines Dauertestamentsvollstreckers, der zeitlich begrenzt das Vermögen zur Versorgung der Familie verwaltet (§§ 2209, 2210 BGB), wohl besser beraten gewesen. Beachten müsste er aber auch hier die pflichtteilsrechtlichen Konsequenzen (z.B. § 2306 BGB) sowie die angemessene Vergütung des Testamentsvollstreckers (§ 2221 BGB).

    • Entscheidet er sich für die Errichtung einer Familienstiftung, muss er eine klare Auflösungsregelung mit Blick auf die konkreten Erfordernisse des Einzelfalls (Größe des Stiftungsvermögens, Anzahl der potenziellen Destinatäre, realistische Möglichkeit der nachhaltigen Organbesetzung) in die Satzung aufnehmen. Die ungeprüfte Übernahme einer „Mustersatzung“ kann keine Lösung sein! Es erfordert gegebenenfalls eine längere Diskussion mit der Stiftungsbehörde, die gerne auf „erprobte“ Formulierungen ihrer jeweiligen Mustersatzung zurückgreifen wird, auch wenn diese für den Einzelfall durchaus unpassend sein kann. Dem potenziellen Stifter muss verdeutlicht werden, dass der Aufwand lohnt, geht es in der Regel doch um das Familienvermögen.

    Weiterführender Hinweis

    • Verbrauchsstiftung (Schiffer/Pruns, nwb 2011, 3858; SB 11, 28); Stiftung auf Zeit (Schiffer/Pruns in: NK-BGB, 2. Aufl., § 80 Rn. 19)
    Quelle: Ausgabe 06 / 2012 | Seite 103 | ID 33923010