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  • · Fachbeitrag · Informationsaustausch

    Betriebsprüfung: Grenzüberschreitende Prüfung von Verrechnungspreisen zulässig

    von StB Diplom-Finanzwirt (FH) Michael Valder, GTK Ginster Theis Klein & Partner mbB, Brühl

    | Im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung hatte das FG Köln zu klären, ob die Groß- und Konzernbetriebsprüfung eine bilaterale Prüfung im Bereich der direkten Steuern durchführen darf oder ob das Steuergeheimnis dem entgegensteht. |

    1. Groß- und Konzernbetriebsprüfung steht an

    Dem Urteil des FG Köln (23.5.17, 2 V 2498/16, Abruf-Nr. 195718) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die A-GmbH ist eine Tochtergesellschaft einer in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft und hat in weiteren Staaten Schwestergesellschaften. Die durch die Groß- und Konzernbetriebsprüfung (GKBP) durchgeführte Prüfung befasste sich unter anderem mit den Verrechnungspreisen, da die A-GmbH ihre Waren über die Muttergesellschaft in den Niederlanden bezieht. Die niederländische Mutter wiederum erhält diese von einer in Hongkong ansässigen Tochtergesellschaft.

     

    Im Rahmen der Prüfung wurde insbesondere die zur Ermittlung der Verrechnungspreise angewandte Methode des „profit split“ angezweifelt. Es wurde vermutet, dass es hier zu einer Gewinnverlagerung nach Hongkong gekommen sei, da dort Einkommen aus dem Ein- und Verkauf von Produkten in Drittländern steuerfrei sind. Die A-GmbH wurde mehrfach erfolglos aufgefordert, die Ermittlung der Verrechnungspreise rechnerisch nachvollziehbar darzulegen.

     

    Am Anfang der Prüfung hatte die GKBP darauf hingewiesen, dass eine multilaterale Betriebsprüfung unter Einbeziehung der europäischen Schwestergesellschaften durchgeführt werden solle. Im Laufe der weiteren Prüfung wurde der A-GmbH schließlich mitgeteilt, dass nun eine bilaterale Prüfung in Zusammenarbeit mit der niederländischen Finanzverwaltung angesetzt sei. Die A-GmbH stellte daraufhin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO. Mit dem Antrag wurde das Ziel verfolgt, der GKBP die Übermittlung von Informationen an die niederländische Finanzverwaltung zum Zwecke der Vereinbarung einer koordinierten Betriebsprüfung zu untersagen. Die A-GmBH vertrat die Auffassung, dass die Weiterleitung der Informationen gegen das Steuergeheimnis verstoße und ihr ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. mit § 30 AO zustehe.

    2. Das FG Köln lehnt Antrag ab

    Die A-GmbH hat keinen Anordnungsanspruch, der GKBP einstweilen zu untersagen, notwendige Informationen an die Finanzverwaltung der Niederlande zu übersenden. Ein Anordnungsanspruch ergibt sich vorliegend insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i. V. mit § 30 AO im Hinblick auf die Weiterleitung von Informationen zur Vorbereitung und Vereinbarung einer gleichzeitigen Betriebsprüfung, da die A-GmbH die Informationsweitergabe gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden hat.

    3. Steuergeheimnis und zulässiger Informationsaustausch

    Soweit dies durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist, erlaubt § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO die Offenbarung der Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Zu diesen Gesetzen gehören auch die Rechtsgrundlagen der Auskunftserteilung bzw. -einholung (Bozza-Bodden, DStJG Band 36, Internationales Steuerrecht 2013, 133, 154). Das Steuergeheimnis steht einer Informationsweitergabe zum Zwecke der Vereinbarung und Durchführung einer gleichzeitigen Betriebsprüfung gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO daher nicht entgegen.

     

    • Die inländische Finanzbehörde hat gemäß § 117 Abs. 1 AO das Recht, zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch zu nehmen und gemäß § 117 Abs. 2 AO insbesondere aufgrund des EUAHiG zwischenstaatliche Amtshilfe zu leisten, da die Voraussetzungen für die Vereinbarung einer gleichzeitigen Prüfung gemäß § 12 EUAHiG vorliegen.

     

    • Das EUAHiG regelt nach § 1 Abs. 1 den Austausch von voraussichtlich erheblichen Informationen in Steuersachen zwischen Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nach § 12 Abs. 1 EUAHiG kann die inländische Finanzbehörde einem oder mehreren Mitgliedstaaten eine gleichzeitige Prüfung vorschlagen. Soweit nach § 4 EUAHiG zulässig, sind hierbei Informationen sowie die für die Vereinbarung der Prüfung im Vorfeld erforderlichen Kenntnisse auszutauschen.

     

    • Amtshilfeersuchen gegenüber anderen Mitgliedstaaten sind gemäß § 6 Abs. 3 EUAHiG subsidiär. Vor einem Ersuchen muss die Finanzbehörde daher alle nach der AO vorgesehenen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, es sei denn, die Durchführung der Ermittlungen wäre mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten verbunden oder stellt sich nicht als erfolgversprechend dar.

     

    • Gemäß § 199 Abs. 1 AO hat die Betriebsprüfung die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse, die für die Besteuerungspflicht und die Bemessung der Steuer maßgebend sind, zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen. Die Finanzbehörde trägt also die Verantwortung für die Sachaufklärung und hat zugleich die Verfahrensherrschaft. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen (Seer in Tipke/Kruse, § 199 AO, Rn. 1).

     

    Amtshilfeersuchen an ausländische Behörden stehen im Ermessen der Finanzverwaltung. Grundsätzlich muss die Auskunft für Zwecke der deutschen Besteuerung erforderlich sein. Dieser für die Amtshilfe allgemeingültige Grundsatz ergibt sich aus § 111 Abs. 1 AO, aber auch aus § 6 Abs. 1 S. 2 EUAHiG, wonach eine Finanzbehörde befugt ist, um sachdienliche behördliche Ermittlungen zu ersuchen. Es entspricht der Rechtsprechung des EuGH, dass ein auf der Richtlinie 2011/16 beruhendes Informationsersuchen eines Mitgliedstaates an einen anderen Mitgliedstaat voraussetzt, dass die begehrte Information für eine Besteuerung im ersuchenden Staat voraussichtlich erheblich ist (EuGH 15.5.17, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373). Für die Vorbereitung einer gleichzeitigen Prüfung wurde dies in § 12 Abs. 1 S. 2 EUAHiG durch den Verweis auf § 4 ausdrücklich geregelt.

     

    Mit dem Tatbestandsmerkmal der voraussichtlichen Erheblichkeit wurde der OECD-Standard (Art. 26 OECD-MA) im EUAHiG übernommen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet (Schwarz in Schwarz/Pahlke, § 1 EUAHiG, Rn. 3). Zugleich soll klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen (Fishing Expeditions) zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind (Begründung zum Entwurf des EUAHiG vom 25.5.12, BR-Drucks. 302/12, S. 66 f.; FG Köln 7.9.15, 2 V 1375/15, EFG 15, 1769; EuGH vom 15.5.17, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373).

     

    Das Tatbestandsmerkmal der voraussichtlichen Erheblichkeit verlangt, dass zum Zeitpunkt des Ersuchens und der Informationsweitergabe eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates besteht, dass die begehrte Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird (EuGH 15.5.17, C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373; FG Köln 7.9.15, 2 V 1375/15, EFG 15, 1769). Darauf, ob die Information nach Übermittlung tatsächlich relevant ist, kommt es nicht an, und dies macht das ursprüngliche Ersuchen nicht unzulässig (Hendricks in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29; Czakert in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 55).

    4. Kein Ermessensfehler und kein Verfahrensfehler

    Die Frage der Angemessenheit von Verrechnungspreisen zwischen der Antragstellerin und im Ausland ansässigen Konzerngesellschaften sowie die Gewinnverteilung ist unzweifelhaft erheblich, um die Besteuerungsgrundlagen in Deutschland ermitteln zu können. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargestellt, weshalb aufgrund der in Hongkong bestehenden Steuerfreiheit von Offshore-Gewinnen ein besonderer Anreiz besteht, Gewinne dorthin zu verlagern. Nach dieser Maßgabe ist die Entscheidung für eine gemeinsame Prüfung ermessensfehlerfrei.

     

    Es liegt auch kein Verfahrensfehler im Hinblick auf eine fehlende Anhörung vor. Gemäß § 117 Abs. 4 S. 3 AO i. V. mit § 91 AO ist der inländische Steuerpflichtige vor Übersendung von Informationen an eine ausländische Finanzverwaltung zwecks Einleitung einer gleichzeitigen Außenprüfung anzuhören, es sei denn, dass der Prüfungserfolg sonst gefährdet würde (§ 12 Abs. 5 EUAHiG).

     

    Nach Ziffer 3.2 des Merkblatts über koordinierte Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten (BMF vom 9.1.17, IV B 6-S 1315/16/10016:002, BStBl I 17, 89) und Ziffer 3.1.1 des Merkblatts zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen (BMF vom 23.11.15, IV B 6-S 1320/07/10004:007, BStBl I 15, 928) ist für die Anhörung die Behörde zuständig, die die Außenprüfung durchführt, vorliegend also das FA für GKBP.

     

    Gemäß § 91 AO steht die Art und Weise der Anhörung im pflichtgemäßen Ermessen des FA (Rätke in Klein, § 91 AO, Rn. 1 m. w. N.). Eine unterbliebene notwendige Anhörung stellt einen Verfahrensfehler dar, die allerdings nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AO bis zum Abschluss eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt und damit geheilt werden kann. In Fällen des europäischen Auskunftsverkehrs wird spätestens durch das Bundeszentralamt für Steuern die Anhörung eines Betroffenen Steuerpflichtigen gewährleistet, wenn diese vor Weiterleitung des Ersuchens an die ausländische Behörde erfolgt (Matthes in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, BeckOK AO, § 117, Rn. 230).

     

    Vorliegend hat das FA für GKBP die A-GmbH darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, eine multilaterale Betriebsprüfung unter Beteiligung mehrerer europäischer Finanzverwaltungen, unter anderem der niederländischen, durchzuführen. Mit einem weiteren Schreiben hat sie darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, eine gleichzeitige Prüfung mit der Finanzverwaltung der Niederlande durchzuführen. Insoweit ist der A-GmbH ausreichend Gelegenheit gegeben worden, Einwendungen gegen die geplante Weitergabe von Informationen vorzubringen. Vor diesem Hintergrund kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei vorab nicht gehört worden.

    5. Fazit

    Bei der Durchführung des Informationsaustausches haben die Finanzbehörden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den gesetzmäßigen Schutz des Steuerpflichtigen unter Wahrung des Steuergeheimnisses sowie die Gegenseitigkeit und die Ausgewogenheit des Informationsaustausches zu wahren (§ 117 Abs. 3 AO). Im Rahmen der zwischenstaatlichen Amtshilfe können neben dem Informationsaustausch auf Ersuchen, dem spontanen und automatischen Informationsaustausch auch koordinierte bi- und multilaterale steuerliche Außenprüfungen durchgeführt werden. Wirkt der Steuerpflichtige nicht ausreichend bei der Prüfung mit und können Sachverhalte mit Auslandsbezug daher nicht aufgeklärt werden, ist eine koordinierte Außenprüfung und die Weitergabe entsprechender Informationen zulässig.

     

    Bei Auslandssachverhalten bestehen nach § 90 sowie § 160 der AO erhöhte Mitwirkungspflichten. Der Steuerpflichtige hat dabei zur Aufklärung alle bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen (§ 90 Abs. 2 S. 2 AO) und ist verpflichtet, die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (§ 90 Abs. 2 S. 1 AO). Die Anfrage des FA kann nur abgelehnt werden, soweit eindeutig nicht steuererhebliche Tatsachen betroffen sind. Hier hat die Finanzbehörde einen großen Ermessensspielraum, welcher durch die Rechtsprechung bestätigt wird (BFH 13.2.68, GrS 5/67, BStBl II 68, 365). Die erforderliche Dokumentation von Sachverhalten mit Auslandsbezug sollte daher beachtet werden, um eine Beweisvorsorge für spätere Betriebsprüfungen zu treffen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Valder, Ungeklärte Einlagen: Umfangreiche Dokumentation bei Auslandssachverhalten erforderlich, PStR 16, 231 f.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 222 | ID 44816677

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