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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Wiederaufleben der Selbstanzeige nach Abschluss einer Außenprüfung

    von RAin Sophia von Hake, LL.M. und Rechtsreferendar Johann Meyer, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | Nicht jede Steuerverkürzung wird bei einer Außenprüfung aufgedeckt. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon die Steuerquelle als solche nicht offengelegt und ihre Ermittlung bewusst erschwert wird. Die folgenden Ausführungen zeigen, dass auch nach Abschluss einer Außenprüfung eine Selbstanzeige i.S. des § 371 Abs. 1 AO möglich ist und wann diese abgegeben werden sollte. |

     

    Frage des Steuerberaters: Bei meiner Mandantin wird zurzeit eine einkommensteuerliche Außenprüfung für die VZ 2005 und 2006 durchgeführt. Dabei wurden nur geringe Unregelmäßigkeiten festgestellt. Die Schlussbesprechung hat bereits vergangene Woche stattgefunden, die korrigierten Bescheide sind hingegen noch nicht bekannt gegeben worden. Tatsächlich erzielte meine Mandantin in den gegenständlichen VZ erhebliche Mieteinkünfte, die bisher steuerlich nicht deklariert worden sind und bei der Außenprüfung weder festgestellt noch angezeigt wurden. Meine Mandantin überlegt nun, eine strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben. Ist dies möglich und was muss sie dabei beachten?

     

    Antwort des Strafverteidigers: Nach überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung kann der Mandant mit Beendigung der Außenprüfung eine strafbefreiende Selbstanzeige abgeben. Entscheidend ist dabei den richtigen Zeitpunkt für die Abgabe zu wählen. Die Vornahme einer Selbstanzeige hat grundsätzlich nur dann strafbefreiende Wirkung, wenn keine Gründe nach § 371 Abs. 2 AO (Sperrgründe) entgegenstehen. Dazu zählen insbesondere die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO (§ 371 Abs. 2 Nr. 1a AO) sowie das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit (§ 371 Abs. 2 Nr. 1c AO).

     

    Der sachliche Umfang der Sperrwirkung des § 370 Abs. 2 Nr. 1a AO richtet sich nach dem Inhalt der Prüfungsanordnung, sodass das Erscheinen des Amtsträgers einer Finanzbehörde nur für diejenigen Steuerarten und Zeiträume ausgeschlossen ist, auf welche sich die Prüfungsanordnung i.S. des § 196 AO bezieht (BGH 15.1.88, 3 StR 465/87, NJW 88, 3272; BayObLG 23.1.85, RReg 4 St 309/84, DStR 85, 668). Persönlich greift die Sperrwirkung für die Personen, die als Steuerpflichtige geprüft werden, aber auch gegenüber Mitarbeitern, die betriebsbezogene Steuerstraftaten begangen haben (Joecks in FGJ, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 Rn. 148; OLG Düsseldorf 27.5.81, 2 Ss 214/81 - 142/71 III, wistra 82, 119).

     

    Vorliegend führte die Außenprüfung mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung zur Sperrung einer Selbstanzeige bezüglich der Einkommensteuer. Das Gesetz regelt jedoch lediglich den Zeitpunkt, ab dem eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich ist. Offen lässt es, ob die Sperrgründe irgendwann als erledigt gelten können und damit entfallen. Sofern dies bejaht werden kann, ist der Zeitpunkt hierfür gänzlich ungeklärt.

     

    Ursprünglich ging insbesondere die Literatur für den Fall der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung davon aus, dass eine Selbstanzeige nach ihrer Sperrung zeitlich unbeschränkt ausgeschlossen sei (Mattern, NJW 52, 492, 493; Habammer, DStR 10, 2425, 2427). Begründet wurde dies damit, dass ein Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit nicht als „Belohnung“ für eine besonders trickreiche Steuerhinterziehung verstanden werden dürfe, die im Rahmen einer Prüfung nicht aufgefallen sei. Wer den Betriebsprüfer über eine Hinterziehung täusche, könne nicht auch noch mit der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige honoriert werden.

     

    Dem hält die neuere Literatur entgegen, dass eine Selbstanzeige nach erfolgloser Prüfung gerade bei bis dato unbekannten Steuerquellen die autonome Motivation des Steuerhinterziehers zur Rückkehr in die Legalität begründe. Dem Täter komme es nicht darauf an, sich die Vorteile der Hinterziehung zu erhalten, sodass ein Wiederaufleben der Selbstanzeige sachgerecht sei (Joecks in FGJ, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 Rn. 204 m.w.N.). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, der davon ausgeht, dass nach Abschluss der Außenprüfung die Selbstanzeigemöglichkeit wiederauflebt (BGH 23.3.94, 5 StR 38/94, wistra 94, 228; BGH 15.1.88, 3 StR 465/87, NJW 88, 3272).

     

    Nach der überwiegenden Auffassung ist ein Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit somit grundsätzlich denkbar. Dies führt zur umstrittenen Folgefrage, welcher der maßgebliche Zeitpunkt ist, an dem die Selbstanzeige wiederauflebt. Der BGH stellt für die Frage des Wiederauflebens frühestens auf die Bekanntgabe der aufgrund der Außenprüfung erstmals erlassenen oder berichtigten Steuerbescheide oder den Abschluss des Prüfungsverfahrens nach § 202 Abs. 2 S. 3 AO ab (BGH 15.1.88, 3 StR 465/87, NJW 88, 3272, 3273; BGH 23.3.94, 5 StR 38/94, wistra 94, 228).

     

    Die Literatur will hingegen teilweise schon auf den Zeitpunkt der Schlussbesprechung abstellen (Heumann, StBp 63, 296). Dieser Zeitpunkt kommt aber nur in Betracht, wenn eine zulässige Verständigung unter Beteiligung des Veranlagungsfinanzamts vorliegt, sodass weitere Nachermittlungen unwahrscheinlich sind und „die latente Entdeckungsgefahr“, die durch die Außenprüfung begründet wird, wieder beseitigt wurde (Joecks in FGJ, 7. Aufl., § 371 Rn. 206 m.w.N.). An die Ergebnisse des Betriebsprüfers ist das Veranlagungsfinanzamt nämlich nicht gebunden (Brauns, wistra 87, 242). Da es im Einzelfall schwierig sein kann, einen Zeitpunkt vor Bekanntgabe der korrigierten Bescheide zu bestimmen, ab dem die latente Entdeckungsgefahr beseitigt wurde, und Unsicherheiten bestehen, ob die Finanzverwaltung und die Gerichte einen solchen Zeitpunkt akzeptieren werden, ist dem betroffenen Mandanten zu raten, die Selbstanzeige zwar schon vorzubereiten, aber erst nach Bekanntgabe der korrigierten Bescheide abzugeben.

     

    FAZIT | Greifen die Sperrgründe für eine Selbstanzeige aus § 371 Abs. 2 Nr. 1a, Nr. 1c AO, ist diese nicht für alle Zeit ausgeschlossen. Vielmehr kann sie mit strafbefreiender Wirkung wieder aufleben. Für den Fall der Sperrwirkung aufgrund einer steuerlichen Außenprüfung, ist für den Zeitpunkt des Wegfalls des Sperrgrundes für die strafbefreiende Wirkung auf deren Abschluss abzustellen, der spätestens mit Bekanntgabe der korrigierten Bescheide eintritt.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 269 | ID 42942902

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