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  • 01.12.2005 | Spekulationsgewinne

    Die sieben häufigsten Fragen über die Verfassungswidrigkeit von Spekulationsgewinnen

    von RAin / FAinStR Alexandra Kindshofer, München

    Mit Urteil vom 9.3.04 entschied das BVerfG (PStR 04, 74, Abruf-Nr. 040672), dass die Besteuerung von Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften von Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 verfassungswidrig ist. Diese Entscheidung des BVerfG löste heftige Reaktionen aus. Insbesondere taucht immer wieder die Frage auf, wie Spekulationsgewinne in den Jahren vor 1997 und nach 1998 zu behandeln sind. In folgender Übersicht wird auf die häufigsten Fragen im Zusammenhang mit der verfassungswidrigen Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren i.S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b EStG Stellung genommen. 

     

    Checkliste Spekulationsgewinne

    Frage 

    Antwort 

    1.Ist die Besteuerung von Gewinnen für die Jahre ab 1999 ebenfalls verfassungswidrig?

    Eine höchstrichterliche Rechtsprechung liegt noch nicht vor. Allerdings gibt es zahlreiche finanzgerichtliche Entscheidungen: Das FG Brandenburg entschied am 24.5.05 (EFG 04, 1852), dass die Besteuerung von Spekulationsgewinnen für die Jahre ab 1999 zweifelhaft sei. Dieses Verfahren liegt nunmehr dem BFH in einem Revisionsverfahren zur Überprüfung vor (BFH IX B 88/04). Auch die Entscheidungen des FG Niedersachsen (16.5.03, EFG 03, 1093) und des FG Düsseldorf (27.7.04, DStRE 04, 957) sind beim BFH anhängig. Betreffend das Jahr 1999 erging am 9.6.05 zusätzlich ein Beschluss, in dem der BFH das BMF zum Beitritt in das Revisionsverfahren auffordert (DStRE 05, 812). 

     

    Zudem bat der BFH mit Vorlagebeschluss vom 16.12.03 (DStRE 04, 199, Abruf-Nr. 040341) das BVerfG um eine Entscheidung darüber, ob § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG i.V. mit § 52 Abs. 39 S. 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.99 mit dem Grundgesetz vereinbar sei, und zwar insoweit, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.98, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von 2 Jahren bereits abgelaufen war, übergangslos der ESt unterworfen werden (BVerfG 2 BvL/04).  

    2.Ist die Besteuerung von Gewinnen aus den Jahren vor 1997 verfassungswidrig?

    Das FG Münster richtete inzwischen zwei Vorlagebeschlüsse an das BVerfG (13.7.05, EFG 05, 1542, BVerfG 2 BvL 12/05; 5.4.05, DStRE 05, 1077, BVerfG 2 BvL 8/05) mit der Frage, ob die Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. Nr. 1b EStG in der für die VZ 1994 bis 1996 maßgeblichen Fassung des EStG vom 7.9.90 mit Art. 3 GG vereinbar sei, soweit sie bestimmt, dass Veräußerungen von Wertpapieren als Spekulationsgeschäfte steuerlich zu erfassen sind. 

    3.Welche Verwaltungsanweisungen sind relevant?

    Mit BMF-Schreiben vom 31.1.05 (BStBl I, 345) und vom 19.7.04 (BStBl I, 610) wurde die Finanzverwaltung angewiesen, 

    • Einkommensteuerbescheide für die Jahre ab 2000 mit einem Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 AO) zu versehen,
    • für die Jahre ab 1999 AdV zu gewähren und
    • die Verfahren ruhen zu lassen.
    4.Was ist zu tun, wenn Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind oder der Vorläufigkeitsvermerk aufgehoben werden soll?

    Entsprechende Steuerbescheide sind unbedingt offen zu halten, der Eintritt der Bestandskraft muss verhindert werden. Folgende Alternativen sind denkbar: 

    • Einspruch gegen den Steuerbescheid bzw. gegen die Aufhebung des Vorläufigkeitsvermerks einlegen,
    • AdV und/oder
    • das Ruhen des Verfahrens unter Verweis auf die o.g. anhängigen und offenen Verfahren beantragen.
    5. Welche Konsequenzen ergeben sich bei Bestandskraft der Steuerbescheide?

    Bei Bestandskraft kommt der Steuerpflichtige nur in Ausnahmefällen in den Genuss der Entscheidung des BVerfG: Hat der Steuerpflichtige die bestandskräftig festgesetzte Steuer noch nicht bezahlt, so kann er nicht mehr dazu gezwungen werden (§ 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG). In seltenen Fällen gibt es für den Steuerpflichtigen die Begünstigungsmöglichkeit, die ihm die § 177 bzw. § 351 Abs. 1 AO ermöglichen (Seipl/Wiese, Stbg 05, 389 ff.).  

    6. Können bestandskräftige ESt-Bescheideim Rahmen eines Erlasses nach § 227 AO korrigiert werden?

    Hierzu führt das BMF mit Schreiben vom 19.3.04 (DStR 04, 604) aus: „Bestandskräftige ESt-Bescheide können auf Grund des BVerfG-Urteils vom 9.3.04 nicht geändert werden (§ 79 Abs. 2 BVerfGG). Der gesetzliche Ausschluss der Änderungsmöglichkeit verbietet die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO .“ 

     

    Da dieses Schreiben für die Finanzverwaltung verbindlich ist, muss angeführt werden, dass ein Antrag auf Erlass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt wird. In einem solchen Fall kann dann nur noch der Rechtsweg – Einspruch und Klage vor dem FG – beschritten werden. 

    7. Inwieweit können Spekulationsgewinne, die im Rahmen der Amnestie nacherklärt wurden, reklamiert werden?

    Hierbei ist zu unterscheiden, ob der Steuerpflichtige im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes oder im Rahmen des Einspruchs seine Rechtsposition, Spekulationsgewinne seien nicht steuerpflichtig, verfolgt. Hat der Steuerpflichtige nämlich sein Begehren in einem Einspruchsverfahren dargelegt, kann er seine Rechtsposition auch weiter in diesem Einspruchsverfahren verfolgen. Wurde bisher nur pauschal gegen eine strafbefreiende Erklärung Einspruch eingelegt, so kann im Verlauf des Einspruchverfahrens auch Sachvortrag dahingehend geleistet werden, Spekulationsgewinne seien nicht steuerpflichtig. Das gilt nicht für den einstweiligen Rechtsschutz: Denn die Regelungen über den einstweiligen Rechtsschutz (§ 69 FGO) sind nach § 10 Abs. 4 StraBEG ausdrücklich ausgeschlossen. Ein entsprechendes gerichtliches Verfahren ist daher unzulässig (FG Baden-Württemberg 4.3.05, EFG 05, 1147). 

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2005 | Seite 292 | ID 90324

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