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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 24.06.2010 – 6 K 12181/08

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit der Gebühr für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft.

    Die Kläger wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Schreiben vom 14. September 2007 beantragten sie bei dem hierfür zuständigen Finanzamt (FA) die Erteilung einer verbindlichen Auskunft über die einkommensteuerliche Beurteilung eines genau bestimmten, aber noch nicht verwirklichten Sachverhalts zur Frage „der Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom sog. gewerblichen Grundstückshandel”. Den Gegenstandswert der verbindlichen Auskunft gaben die Kläger dabei mit 250.000 € an. Das FA erteilte die verbindliche Auskunft mit Bescheid vom 26. September 2007 und setzte gleichzeitig gegenüber den Klägern eine Gebühr in Höhe von 1.756 € fest. Diesen Betrag hatte das FA unter Ansatz des von den Klägern angegebenen Gegenstandswerts in entsprechender Anwendung des § 34 Gerichtskostengesetz (GKG) ermittelt.

    Gegen die Gebührenfestsetzung legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung machten sie geltend, die Gebührenfestsetzung sei verfassungswidrig. Sie verwiesen zudem auf ein zu dieser Rechtsfrage vor dem FG Baden-Württemberg anhängiges Verfahren Az. 1 K 46/07 (inzwischen erledigt mit Urteil vom 20. Mai 2008, EFG 2008, 1342) und beantragten das Einspruchsverfahren bis zum Abschluss des Musterverfahrens ruhen zu lassen.

    Der Einspruch hatte keinen Erfolg; das FA wies den Einspruch durch Einspruchsbescheid vom 18. Juni 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die Gebühr sei dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden. Die Vorschriften des § 89 Abs. 3 - 5 der Abgabenordnung (AO) seien verfassungsgemäß. Die Einführung der Gebührenpflicht für die Erteilung der verbindlichen Auskunft mit dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878; BStBl I 2007, 28) sei als moderate Regelung zur Abschöpfung von Sondervorteilen für die Inanspruchnahme der Verwaltung durch den Steuerpflichtigen vor dem Hintergrund zunehmenden Verwaltungsaufwands nach der Normierung der verbindlichen Auskunft (durch das Föderalismus-Begleitgesetz vom 5. September 2006, BGBl I 2006, 2098; BStBl I 2006, 506) gerechtfertigt. Dass die Gebühr für die Bearbeitung ihres Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft im konkreten Streitfall gegen die Verfassung verstoßen könnte, hätten die Kläger weder dargelegt, noch lägen Hinweise hierauf nach Aktenlage vor.

    Das Einspruchsverfahren gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen zu lassen, sei nicht zweckmäßig. Die Anhängigkeit eines finanzgerichtlichen Verfahrens zu dieser Rechtsfrage stelle allein keinen wichtigen, ein Ruhen des Einspruchsverfahrens zweckmäßig erscheinen lassenden Grund dar. Der Abschluss des Einspruchsverfahrens diene der Schaffung von Rechtssicherheit. Diese habe Vorrang vor einer möglichen Klärung der Rechtsfrage in einem finanzgerichtlichen Parallelverfahren, wenn das FA - wie im Streitfall - nach Prüfung der Einspruchsgründe bereits einen eindeutigen Rechtsstandpunkt vertrete.

    Hiergegen haben die Kläger am 26. Juni 2008 Klage erhoben, mit der sie weiterhin geltend machen, die gesetzliche Regelung über die Gebühr für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft sei verfassungswidrig. Des Weiteren vertreten sie sinngemäß die Auffassung, das FA sei verpflichtet gewesen, das Verfahren über den am 16. Oktober 2007 eingelegten Einspruch ruhen zu lassen, bis die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der neu eingeführten Gebühr geklärt sei. Sie weisen ergänzend auf ein Verfahren beim FG Münster hin.

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    den Einspruchsbescheid vom 18. Juni 2008 aufzuheben und das Verfahren ruhen zu lassen, bis die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der neu eingeführten Gebühr geklärt sei sowie

    hilfsweise,

    den Gebührenbescheid vom 26. September 2007 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2008 aufzuheben.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es hält an seiner bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest, dass die Vorschriften des § 89 Abs. 3 - 5 AO verfassungsgemäß seien. Die Gebühr sei nach Maßgabe dieser Vorschriften zutreffend festgesetzt worden.

    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; Schriftsatz der Kläger vom 2. August 2008, Blatt 12 der Gerichtsakte; Schriftsatz des Beklagten vom 17. Juli 2008, Blatt 11 der Gerichtsakte).

    I. Der erkennende Senat konnte in der Sache entscheiden. Der Umstand, dass (möglicherweise) dieselbe Rechtsfrage Gegenstand eines Rechtsstreits beim FG Münster bzw. beim Bundesfinanzhof ist, hindert den Senat nicht daran, dieses Verfahren durch Urteil zu entscheiden. Denn diese Verfahren sind keine vorgreiflichen Rechtsverhältnisse i.S. des § 74 FGO, die eine Aussetzung der Verfahrens rechtfertigen könnten. Ebenfalls kommt die Anordnung des Ruhens des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung bereits mangels übereinstimmender Anträge der Beteiligten nicht in Betracht.

    II. Die Klage ist nicht begründet.

    Der angefochtene Gebührenbescheid vom 26. September 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    1. Das FA hat ermessensfehlerfrei das Begehren der Kläger abgelehnt, das Einspruchsverfahren über den Einspruch der Kläger gegen den Gebührenbescheid über die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft bis zum Abschluss des beim Finanzgericht Baden-Württemberg anhängigen Verfahren Az. 1 K 46/07 gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen zu lassen.

    Nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde das Verfahren mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhen lassen, wenn das aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Bei der Anordnung des Ruhens nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BStBl II 1996, 20; BFH-Beschluss vom 6. Juli 1999 IV B 14/99, BFH/NV 1999, 1587), bei der in die Zweckmäßigkeitserwägungen die materiellen Interessen des Einspruchsführers und die Interessen der Finanzverwaltung an einem ökonomischen Verfahren einzubeziehen sind. Der Senat kann daher bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Weigerung des FA nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des FA setzen. Er darf nach § 102 FGO die Ermessensausübung durch das FA vielmehr nur daraufhin überprüfen, ob das Ermessen des FA im Streitfall auf Null geschrumpft war und die Kläger daher ausnahmsweise einen Anspruch auf Ruhen des Verfahrens hatten oder ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und ermessensfehlerfrei ausgeübt worden sind.

    a) Das Ermessen des FA war nicht so (auf Null) geschrumpft, dass nur eine Anordnung des Ruhens des Einspruchsverfahrens rechtmäßig gewesen wäre.

    Das bloße Interesse, den Steuerfall offenzuhalten, stellt keinen wichtigen Grund i.S. des § 363 Abs. 2 Satz 1 AO dar. Der Einspruch ist ebenso wie die Klage grundsätzlich kein Instrument zum bloßen Offenhalten des Steuerfalles wegen möglicher zukünftiger Entwicklungen der Rechtsprechung in Verfahren anderer Steuerpflichtiger. Er dient vielmehr dazu, möglichst zügig eine Entscheidung in der eigenen Sache herbeizuführen. Das FA handelt deshalb nicht ermessensfehlerhaft, wenn es in einem derartigen Fall den Einspruch nicht ruhen lässt, sondern über ihn entscheidet (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BStBl II 1996, 20; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Beschluss vom 16. Oktober 1996 2 BvR 2956/95, Steuer-Eildienst 1996, 798). Selbst wenn das Einspruchsverfahren teilweise von Gesetzes wegen ruht, weil wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO), ist das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO fortzusetzen, wenn die Finanzbehörde dies dem Einspruchsführer mitteilt. Der Steuerpflichtige hat somit selbst dann keinen Anspruch auf ein Ruhen des Einspruchsverfahrens, wenn er den Einspruch auf ein bereits anhängiges und ihm bekanntes Musterverfahren bei einem der in § 363 Abs. 2 Satz 2 AO aufgeführten Gerichte stützt. Um so weniger besteht ein derartiger Anspruch, wenn ein solches Verfahren noch nicht anhängig ist.

    b) Es sind auch keine Ermessensfehler ersichtlich, die im Streitfall die Weigerung des FA, das Ruhen des Einspruchsverfahrens anzuordnen, unrechtmäßig erscheinen lassen. Die Erwägungen des FA lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen. Das FA hat bei der Weigerung weder gesetzliche Grenzen des Ermessens überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

    Es hat bei der Ermessensabwägung dem Interesse der Kläger am Ruhen des Verfahrens die nach seiner Auffassung bestehenden geringen Erfolgsaussichten des Einspruchsverfahrens gegenübergestellt und dabei der Schaffung der Rechtssicherheit durch den Abschluss des Einspruchsverfahrens größere Bedeutung zugemessen als der Möglichkeit der Klärung der Rechtsfrage in einem finanzgerichtlichen Parallelverfahren. Dabei hat das FA zutreffend dem Umstand Bedeutung zugemessen, dass es nach Prüfung der vom Einspruchsführer vorgebrachten Gründe einen eindeutigen Rechtsstandpunkt vertreten hat. Zusätzlich hat das FA berücksichtigt, dass sich die Kläger im Wesentlichen nur auf das Musterverfahren berufen und keine eigenen Gründe für die Verfassungswidrigkeit der Gebührenpflicht geltend gemacht hatten. Diese Erwägungen widersprechen nicht dem Zweck der Ermächtigung zur Ermessensausübung in § 363 Abs. 2 AO.

    2. Die Klage ist auch hinsichtlich des Hilfsantrags unbegründet.

    Die Gebührenfestsetzung in Höhe von 1.756 € ist rechtmäßig erfolgt. Das FA hat auf den Antrag der Kläger hin eine verbindliche Auskunft über die steuerliche Beurteilung eines von den Klägern hinreichend genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalts erteilt (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO). Für die Bearbeitung des Antrags auf Erteilung der verbindlichen Auskunft hat das FA als zuständige Finanzbehörde eine Gebühr erhoben (§ 89 Abs. 3 Satz 1 AO). Die Gebühr hat es zutreffend nach dem pauschalierten Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für die Kläger hatte, nämlich nach dem von den Klägern bezeichneten Gegenstandswert in Höhe von 250.000 € (§ 89 Abs. 4 Sätze 1 - 3 AO). Dabei hat das FA die Gebühr in entsprechender Anwendung des § 34 GKG bestimmt (§ 89 Abs. 5 Satz 1 AO). Über diesen Gegenstandswert und die daraus folgende Höhe der Gebühr besteht zwischen den Beteiligten im Übrigen auch kein Streit.

    Der Senat sieht in der gesetzlichen normierten Gebührenpflicht für die den Klägern erteilte verbindliche Auskunft weder dem Grunde noch der Höhe nach einen Verstoß gegen das Grundgesetz.

    Entgegen der Auffassung der Kläger und einzelner Stimmen im Schrifttum (vgl. Simon, DStR 2007, 557; Hans, DStZ 2007, 421; Stark, DB 2007, 2333; Keß/Zillmer, DStR 2008, 1466) vertritt der erkennende Senat die Ansicht, dass die Gebühr - als Entgelt für eine besondere Leistung der Finanzverwaltung und damit zum Ausgleich eines besonderen Vorteils des Steuerpflichtigen, begründet in der Rechtssicherheit durch die verbindliche Auskunft - die Anforderungen an den verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff erfüllt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 12. Februar 1992 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337, NJW 1992, 1673, vom 7. November 1995 2 BvR 413/88, 1300/93, BVerfGE 93, 319 und vom 19. März 2003 2 BvL 9/98, 10/98, 11/98, 12/98, BVerfGE 108, 1). Sie ist durch die mit der Auskunft verursachten Kosten und den mit ihr verbundenen, individuell zurechenbaren Vorteil sachlich legitimiert (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17. März 2010 1 K 661/08, juris; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO, Tz. 64; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 89 Rz. 322 - 325; Birk, NJW 2007, 1325; Baum, NWB Fach 2, 9725).

    Der Gesetzgeber hat mit der Auskunftsgebühr erkennbar das Ziel verfolgt, den durch die Erteilung der verbindlichen Auskunft entstehenden Verwaltungsaufwand zu decken und den durch diese Dienstleistung dem Steuerpflichtigen zuteil werdenden Vorteil auszugleichen. Die gegenteilige Ansicht verkennt, dass die Auskunftserteilung zu Fragen des materiellen Rechts als quasi steuerberatende Tätigkeit gerade nicht Bestandteil der Aufgabe der Finanzverwaltung im Rahmen der Steuerfestsetzung und -erhebung ist, sondern erst als besondere Leistung durch das Föderalismus-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (a.a.O) in § 89 Abs. 2 AO normiert wurde.

    Die Auskunftsgebühr ist im Falle der Klägerin auch ihrer Höhe nach verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Neben der Erhebung der Gebühr dem Grunde nach ist die Festsetzung einer solchen Gebühr auch in ihrer Höhe rechtfertigungsbedürftig. Auch die Bemessung der Gebühr bedarf im Verhältnis zur Steuer einer besonderen, unterscheidungskräftigen Legitimation (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. März 2003 2 BvL 9/98, 10/98, 11/98, 12/98, a.a.O.). Um die dem Grunde nach durch die Kosten und den individuellen Vorteil der Auskunft gerechtfertigte Gebühr zu bemessen, durfte sich der Gesetzgeber an dem pauschalierten steuerlichen Wert der Auskunft orientieren. Die Gebührenbemessung wäre verfassungsrechtlich erst dann nicht sachlich gerechtfertigt, wenn sie in einem „groben Missverhältnis” zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stünde (BVerfG-Urteil vom 19. März 2003 2 BvL 9/98, 10/98, 11/98, 12/98, a.a.O.).

    Das ist indessen nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat mit seiner Anlehnung an das GKG einen vertretbaren Gebührenmaßstab gewählt und umgesetzt (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17. März 2010 1 K 661/08, a.a.O., m.w.N. zur Literatur; Söhn, a.a.O., § 89 Rz. 327). Auch im Streitfall steht die Höhe der Gebühr von 1.756 € nicht außer Verhältnis zum Verwaltungsaufwand und zum Wert des steuerlichen Interesses der Kläger in Höhe von 250.000 € und ist damit nicht zu beanstanden.

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte von grundsätzlicher Bedeutung ist.

    VorschriftenAO § 89 Abs. 3

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