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  • 07.10.2009 | Der praktische Fall

    Seeling-Modell: Der Vorsteuerabzug für die Privatwohnung schließt die Finanzierungslücke

    Beim Bau oder der Herstellung einer Immobilie zeichnet sich im Planungsstadium häufig eine Finanzierungslücke ab. Wie in diesen Fällen von der Seeling-Rechtsprechung des EuGH profitiert werden kann, verdeutlicht der nachfolgende Beitrag.  

    1. Sachverhalt

    Der Mandant Willi Müller ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Müller-GmbH, die zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Er berichtet, dass er ein Haus bauen möchte. Das passende Grundstück befindet sich schon seit Jahren in seinem Eigentum. Das neue Gebäude soll von seiner Familie sowohl zu Wohnzwecken genutzt werden als auch den neuen Sitz der Müller-GmbH darstellen. Willi Müller plant 60 % der Wohnfläche privat zu verwenden und die restlichen 40 % an die GmbH zu vermieten. Die jährliche Netto-Miete soll fremdüblich sein und 6.000 EUR betragen. Die laufenden Kosten für das gesamte Gebäude (Strom, Gas, Schornsteinfeger etc.) beziffert er auf 2.000 EUR (netto). Müller schildert weiter, dass das Haus schlüsselfertig von einem Bauunternehmer erstellt werden soll, der die gesamten Baukosten auf 300.000 EUR (brutto) schätzt. Da die Bank nur 260.000 EUR finanzieren wird und Willi Müller beim Gebäude keine Kompromisse eingehen will, möchte er wissen, wie er die Finanzierungslücke von ca. 40.000 EUR schließen kann.  

    2. Lösung

    Die Finanzierungslücke wäre geschlossen, wenn Willi Müller aus der Rechnung des Bauunternehmers die gesamte Vorsteuer in Höhe von 47.900 EUR ((300.000 EUR/1,19) x 0,19) geltend machen könnte. Die Möglichkeit hierzu bietet die Seeling-Rechtsprechung des EuGH (8.5.03, C-269/00), wonach ein auch für eigene Wohnzwecke genutztes Gebäude im vollen Umfang dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden, wenn es mindestens zu 10 % für unternehmerische Zwecke genutzt wird (§ 15 Abs.1 S. 2 UStG).  

     

    Hinweis

    Die teilweise Nutzung zu privaten Wohnzwecken begründet jedoch keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Nutzung steuerfrei sind (BFH 11.3.09, XI R 69/07, Abruf-Nr. 091456). Der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des gesamten Gebäudes steht dem Unternehmer demnach nur zu, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Nutzung steuerpflichtig sind.  

     

    Um vom Seeling-Modell profitieren zu können, muss Willi Müller bei der Vermietung also auf die Steuerbefreiung verzichten (§§ 9, 4 Nr. 12a UStG).  

     

    Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken unterliegt im Gegenzug der Umsatzsteuer. Da der Gesetzgeber durch das Seeling-Urteil hohe Steuerausfälle befürchtete, wurde die Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung in § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG erhöht. Demnach sind die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gebäudes gleichmäßig auf den Berichtigungszeitraum des § 15a UStG (10 Jahre) zu verteilen. Auf den ertragsteuerlichen Afa-Zeitraum (50 Jahre) kann nur noch für Altfälle abgestellt werden.