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  • · Fachbeitrag · Vereinbarungen für den Fall der Fälle

    Rückzahlungsklausel für Fortbildungskosten

    von RA Hans-Günther Gilgan, Münster

    | Die Mitarbeiterbindung gewinnt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung immer mehr an Bedeutung. Ein Instrument der Mitarbeiterbindung ist die Übernahme der Fortbildungskosten für Mitarbeiter durch Steuerberater, z.B. die Fortbildung vom Steuerfachgehilfen zum Steuerfachassistenten. Damit verbunden ist in der Regel die Erwartung, dass diese Mitarbeiter nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildungsmaßnahme in den Diensten der Kanzlei verbleiben. Nicht selten wird diese Erwartung jedoch enttäuscht, der Arbeitgeber hat das Nachsehen.  |

    Zulässigkeit von Rückzahlungsvereinbarungen

    Vielfach werden Vereinbarungen zwischen Steuerberatern und Mitarbeitern geschlossen, die für den Fall einer vorzeitigen Beendigung die Rückzahlung der Ausbildungs- oder Fortbildungskosten durch den Arbeitnehmer vorsehen. Derartige Rückzahlungsvereinbarungen sind im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig, und zwar unter folgenden Voraussetzungen:

     

    • 1.Der Arbeitnehmer erhält mit der Fortbildung eine angemessene Gegenleistung. Die durch die Fortbildung erworbenen Kenntnisse müssen für den Arbeitnehmer auch außerhalb des Betriebs verwertbar sein und/oder seine Karrieremöglichkeiten generell verbessern.

     

    • Dient die Fortbildungsmaßnahme dagegen ausschließlich innerbetrieblichen Zwecken, ist eine Rückzahlungsvereinbarung unzulässig (BAG 15.5.85, 5 AZR 161/84, BB 86, 65 = AP Nr. 9 zu § 611 BGB).

     

    • 2.Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Rückzahlungsvereinbarung. Das ist nur dann der Fall, wenn es dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, die für ihn aufgewendeten Ausbildungskosten durch Betriebstreue abzugelten. Hat der Arbeitgeber aber keinen Bedarf an der Arbeitsleistung des auf seine Kosten qualifizierten Arbeitnehmers oder ist er außerstande, dem Arbeitnehmer eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit zuzuweisen, wäre ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung der Rückzahlungspflicht nicht mehr durch das berechtigte Interesse des Arbeitgebers gedeckt BAG, 5.12.02, 6 AZR 537/00 (Lexetius.com/2002,2815 [2003/2/232]).

     

    • 3.Die Rückzahlungsauslöser sind in der Rückzahlungsvereinbarung genannt. Dies sind:

     

      • Eigenkündigung des Arbeitnehmers vor Ablauf der Bindungsfrist,
      • Ordentliche/außerordentliche Arbeitgeberkündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers,
      • Abbruch der Ausbildung, wenn der Arbeitnehmer ausreichend Zeit zum Kennenlernen der Ausbildung und damit die Abbruchmöglichkeit ohne Rückzahlungsverpflichtung hatte oder
      • Aufhebungsvertrag auf Wunsch des Arbeitnehmers.

     

    • Keine Rückzahlungsauslöser sind:
    •  
      • Betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung,
      • Arbeitgeberkündigung während der Probezeit,
      • Insolvenz des Arbeitgebers oder
      • Arbeitgeberkündigung aus personenbedingten Gründen.

     

    Dem Arbeitnehmer muss also eine wirtschaftliche, den Marktwert seiner Arbeitskraft erhöhende Ausbildung zugeflossen sein, und die Rückzahlungsvereinbarung darf nicht zu einer unangemessenen Bindung des Arbeitnehmers führen oder in sein Grundrecht, den Arbeitsplatz frei zu wählen, eingreifen.

     

    • 4.Die Bindungsdauer ist angemessen. Das BAG hat sich in seinen Urteilen vom 15.12.93, 5 AZR 279/93, BB 94, 433 und vom 14.1.09, 3 AZR 900/07, NJW 09, 2557 ausführlich mit der Angemessenheit der Bindungsdauer von Rückzahlungsklauseln auseinandergesetzt. Sie richtet sich insbesondere nach der Dauer der Fortbildungsmaßnahme und der Qualität der dadurch erworbenen Qualifikation. Grundsätzlich gilt danach Folgendes:

     

    • Grundsatz
    Fortbildungsdauer …
    Bindungsdauer …

    von bis zu 1 Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge

    bis zu 6 Monaten

    von bis zu 2 Monaten

    1 Jahr

    von 3 bis 4 Monaten

    2 Jahre

    von 6 Monaten bis 1 Jahr

    bis zu 3 Jahren

    mehr als 2 Jahre

    5 Jahre

     

     

    Abweichungen davon sind jedoch möglich. Eine verhältnismäßig lange Bindung kann auch bei kürzerer Ausbildung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt. Es geht nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind.

     

    Ist eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, führt dies grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt; ein Rückzahlungsanspruch besteht dann nicht.

    Transparenzgebot

    Soweit sich Fortbildungsvereinbarungen in Anstellungsverträgen finden, sind die Regelungen der §§ 305 ff. BGB zu den Allgemeinen Auftragsbedingungen zu beachten. Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 21.8.12 (3 AZR 698/10, NJW 13, 410 ff.) mit der Rückzahlungsklausel unter dem Aspekt des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB befasst.

     

    In der einschlägigen Klausel hieß es:

    „Kommt es durch Umstände zum Abbruch der Ausbildung, die der Lehrgangsteilnehmer zu vertreten hat, oder besteht der Lehrgangsteilnehmer die erforderliche Abschlussprüfung endgültig nicht, so haftet dieser gegenüber dem Arbeitgeber mit den Kosten der Ausbildung. In diesem Fall beziffert der Arbeitgeber die angefallenen Ausbildungskosten entsprechend der erfolgten Leistungen und gegebenenfalls nach billigem Ermessen. Hierzu gehören in jedem Fall die Lehrgangskosten, die Fahrzeugkosten, die Übernachtungskosten sowie die Kosten im Zusammenhang mit der praktischen Ausbildung, soweit diese nicht durch Förderungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit übernommen worden sind.“

     

    Diese Klausel ist nach der Entscheidung des BAG unwirksam, weil sie nicht erkennen lässt, welche finanziellen Belastungen - ggf. in welcher Größenordnung - auf den Betroffenen zukommen können.

     

    Beachte | Die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel berührt nicht die Wirksamkeit der Fortbildungsvereinbarung. Sie bleibt wirksam. Für Auszubildende beachte aber § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG.

     

    Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt nach Auffassung des BAG, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vertragsbestimmung so genau beschrieben werden müssen, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Voraussetzungen und Umfang der Leistungspflicht müssen so bestimmt oder zumindest so bestimmbar sein, dass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. „auf ihn zukommt“. Dazu sei es notwendig, dass die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angegeben sind.

     

    Dabei sei der Verwender der Klausel zwar nicht verpflichtet, die Kosten der Ausbildung bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung in der Höhe exakt zu beziffern. Jedoch müssten die Angaben so beschaffen sein, dass das Rückzahlungsrisiko abgeschätzt werden könne. Dazu sei es notwendig, Art und Berechnungsgrundlagen der zu erstattenden Kosten anzugeben. Dazu zählen z.B.

     

    • Lehrgangsgebühren
    • Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten
    • Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten.

    Bedeutung für die Praxis

    Angesichts der klaren Vorgaben sollte sich die Praxis für die Dauer der Betriebsbindung im Anschluss an die Fortbildungsmaßnahme an die obige Tabelle (Ziffer 4) halten.

     

    Das Transparenzgebot gilt, wenn und soweit es sich bei der Fortbildungsvereinbarung um AGB nach § 306 BGB handelt, d.h. um eine Vereinbarung, die in einer Mehrzahl von Fällen Anwendung finden soll. Neben einer angemessenen Bindungsdauer ist in solchen Vereinbarungen erforderlich, dass die Rückzahlungskosten so bestimmt oder bestimmbar sind, dass der Verpflichtete sein Zahlungsrisiko abschätzen kann.

     

    Sollen die Risiken aus dem Transparenzgebot vermieden werden, empfiehlt es sich, von der Verwendung vorformulierter Vertragsbedingungen abzusehen.

     

    Die Vereinbarung über die Verpflichtung Auszubildender, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen, ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG unwirksam, es sei denn, der Auszubildende verpflichtet sich innerhalb der letzten sechs Monate des Berufsausbildungsverhältnisses dazu, nach dessen Beendigung mit dem Ausbildenden ein Arbeitsverhältnis einzugehen.

    Pflichten des Arbeitgebers bei Rückforderung

    • Der Arbeitgeber kann nur den Betrag zurückverlangen, den er tatsächlich aufgebracht hat, im Falle der Vereinbarung eines Betrags höchstens den vereinbarten Betrag.

     

    • Er hat im Einzelnen konkret darzulegen, wie sich seine Forderung zusammensetzt, auch im Falle der Vereinbarung eines bestimmten Betrags 
(BAG 16.3.94, 5 AZR 339/92, DB 94, 1726).

     

    • Ferner hat er die beruflichen Vorteile des Arbeitnehmers darzulegen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 103 | ID 38120330

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