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  • · Fachbeitrag · Nachfolgeregelung

    Treuhandschaft als eine besondere Möglichkeit der Praxisübertragung

    von OStA a.D. Raimund Weyand, St. Ingbert

    | Den Berufsordnungen von Anwälten oder Wirtschaftsprüfern ist dieses exklusive Instrument fremd: Mit einem für maximal drei Jahre bestellten Praxistreuhänder kann eine Steuerberaterpraxis unter bestimmten Umständen leicht auf einen designierten Nachfolger übertragen werden. Einzelheiten regelt § 71 StBerG. |

    Die Grundlagen

    Nach dem Tod eines Berufsangehörigen kann die zuständige Berufskammer einen Praxisabwickler bestellen, der die laufenden Mandate geordnet beenden soll (§ 69 StBerG). Vergleichbare Regelungen existieren auch für Rechtsanwälte (§ 55 BRAO) bzw. für Wirtschaftsprüfer (§ 55c WPO). Darüber hinaus enthält § 71 StBerG eine einzigartige Sonderregelung: Auf Antrag hat die Kammer die Möglichkeit, einen Treuhänder einzusetzen, sofern die Praxis auf eine Person übertragen werden soll, die aktuell noch nicht zu Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Die Regelung gilt nur für die Einzelpraxis. Bei Praxisgemeinschaften können und müssen die Partner entsprechende Bestimmungen im Sozietätsvertrag vereinbaren.

    Die Voraussetzungen

    Nur in drei Fällen ist eine Praxistreuhandschaft möglich:

     

    • Bei Tod des Berufsangehörigen
    • Bei dauerhafter Berufsunfähigkeit (§ 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG)
    • Bei Aufnahme eines Gewerbes bzw. einer Tätigkeit als Angestellter, die mit der Tätigkeit als Steuerberater nicht vereinbar ist (§ 57 Abs. 4 StBerG)

     

    MERKE | Wurde die Bestellung des Berufsangehörigen aus anderen Gründen als der dauerhaften Berufsunfähigkeit widerrufen (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 StBerG), ist die Praxistreuhandschaft nicht möglich.

     

    Ferner muss beabsichtigt sein, die Praxis auf eine bestimmte Person zu übertragen, die auch konkret zu benennen ist. Der Aspirant darf seinerseits noch nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt sein, muss die Befugnis aber innerhalb der nächsten vier Jahre erwerben können, d. h. seine Ausbildung zum Steuerberater, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer innerhalb dieses Zeitraums abschließen.

     

    Als Treuhänder darf angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nur ein Steuerberater oder -bevollmächtigter eingesetzt werden. Alle anderen Berufsgruppen scheiden aus, selbst wenn sie ihrerseits zur uneingeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind.

    Die Bestellung und die Beendigung des Amtes

    Modalitäten der Bestellung

    Die Bestellung erfolgt allein aufgrund eines entsprechenden Antrags der Erben bzw. des berufsunfähig gewordenen Beraters (§ 47 Abs. 2 Nr. 7 StBerG). Die Entscheidung hierüber steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Kammer, wobei gegebenenfalls Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten gesucht werden kann. Regelmäßig ist aber zumindest dann mit entsprechenden positiven Entschließungen zu rechnen, wenn die Praxis auf Nachkommen übertragen werden soll (vgl. etwa VG Karlsruhe 15.3.22, 10 K 554/22). Das Amt des Treuhänders setzt eine förmliche Bestellung durch die Kammer voraus, welche in der Regel schriftlich erfolgt. Wirksam wäre aber auch eine entsprechende mündliche oder fernmündliche Information. Die Treuhandschaft wird für einen Zeitraum bis zu drei Jahren angeordnet, wobei der Zeitraum in Ausnahmefällen ‒ etwa bei unvorhergesehenen Verzögerungen einer Prüfung, z. B. durch Krankheit des Prüflings ‒ auch um ein weiteres Jahr verlängert werden kann.

     

    Frühester Beginn der Bestellung

    Ab wann die Bestellung gilt, regelt das Gesetz nicht explizit. Infrage kommen

    • der Todeszeitpunkt bzw. das Datum der Berufsunfähigkeit,
    • der Termin des Antragseingangs bei der Kammer oder
    • das Datum der Bestellung durch die Kammer.

     

    Obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Thematik lag bislang nicht vor. Nun hat erstmals der VGH Baden-Württemberg (13.4.22, 9 S 803/22) die Frage problematisiert. Nach dessen Auffassung ist für die Fristberechnung allein auf den Todeszeitpunkt abzustellen. Der Senat verweist insbesondere darauf, dass andernfalls durch eine verzögerte Antragstellung oder verspätete Vorlage nötiger Nachweise eine Treuhänderbestellung zeitlich nahezu unbeschränkt hinausgeschoben werden kann mit der Folge, dass der Treuhänder länger als vier Jahre nach außen auftreten könnte. Außerdem enthält § 71 StBerG eine besondere Ausnahmeregelung, die lediglich Härtefälle vermeiden will. Deswegen ist nach Meinung des Gerichts eine möglichst restriktive Handhabung geboten, die eine Bezugnahme auf die weitaus großzügigere Möglichkeit, in Fällen der Praxisabwicklung (§ 70 StBerG) durch sukzessive Verlängerung der jeweils einjährigen Bestellungsfrist die Tätigkeit des Abwicklers zeitlich unlimitiert fortzusetzen, verbietet. Ob sich andere Obergerichte dieser Rechtsauffassung anschließen werden, bleibt abzuwarten.

     

    • Stellungnahme zu VGH Baden-Württemberg (13.4.22, 9 S 803/22)

    Die Auffassung des VGH überzeugt ‒ auch angesichts der fehlenden Rechtsprechung ‒ nicht. Der Wortlaut des § 71 Abs. 1 S. 1 StBerG zur Frage, ab wann der Fristlauf für den erforderlichen Antrag beginnt, ist nicht eindeutig. Er lässt tatsächlich mehrere Auslegungen für den Beginn der Bestelldauer zu: Man kann ‒ wie vom Gericht ausgeführt ‒ alternativ auf den Todeszeitpunkt, den Termin der Antragstellung oder das Datum des Bestellungsakts abstellen. Gerade im Hinblick auf die Unwägbarkeiten der möglichen Nachfolgeregelung, vor allem bezüglich möglicher (im Einzelfall nicht absehbarer, z. B. berufsprüfungsbedingter) Verzögerungen in der Ausbildung des designierten Praxisnachfolgers, scheint es sinnvoller, auf den Termin der Antragstellung zu rekurrieren.

    Dass der Antrag nicht beliebig herausgezögert werden kann, ist schon angesichts des gebotenen Schutzes von Mandanten zwar offenkundig. Eine Prüfungs- und Überlegungsfrist muss den Erben aber erlaubt sein. Insoweit scheint ein Zeitraum von maximal zwölf Monaten nach dem Todesfall angemessen. Gefahren für die Mandanten bestehen dabei nicht. Die Berufskammer bestellt regelmäßig einen Praxisabwickler, sobald ein Berater verstirbt (§ 70 StBerG). Dieser kann die laufenden Mandate problemlos ‒ maximal für ein Jahr (§ 70 Abs. 2 StBerG) ‒ betreuen, sodass eine umfassend adäquate Beratung und Vertretung der Klienten in diesem Zeitraum umfassend gesichert ist. Zudem überwacht die Berufskammer die Tätigkeiten des Abwicklers umfassend. Dem potenziellen Übernehmer würde so ein Zeitraum von höchstens fünf Jahren zur Verfügung stehen, um die Voraussetzungen für seine berufliche Zulassung zu schaffen.

     

    Ende der Bestellung

    Die Treuhandschaft endet jedenfalls mit dem Ablauf des genehmigten Zeitraums, d. h. nach maximal vier Jahren. Sie kann überdies widerrufen werden (§ 71 Abs. 7 StBerG), etwa dann, wenn der designierte Nachfolger die berufliche Qualifikation früher erwirbt, seine Ausbildung unwiderruflich abbricht oder ‒ bei mehreren antragsberechtigten Erben ‒ Streitigkeiten entstehen, die eine weitere ordnungsgemäße Abwicklung gefährden oder unmöglich machen. Auch hier trifft die Kammer eine Ermessensentscheidung.

    Die Rechtsstellung des Treuhänders

    Der Praxistreuhänder führt sein Amt eigenverantwortlich und unterliegt keinen Weisungen oder Vorgaben durch die Erben. Er hat die Treuhandschaft nach außen kenntlich zu machen, sinnvollerweise vor allem durch einen Vermerk auf den Kanzleibriefköpfen. Der Treuhänder muss alle berufsrechtlichen Vorgaben uneingeschränkt beachten. Organisatorische Vereinbarungen mit den Erben, z. B. zur Beschäftigung von Mitarbeitern, sind zulässig, desgleichen Absprachen zur eigenen (angemessenen) Vergütung. Im Zweifelsfall richtet sich der Honoraranspruch nach dem billigen Ermessen der Beteiligten (§§ 315 ff. BGB). Der Treuhänder betreibt die Praxis für Rechnung der Erben. Diese erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nicht aber aus selbstständiger Tätigkeit (s. bereits BFH 15.4.75, VIII R 43/70).

     

    Gegenüber Dritten tritt der Treuhänder in eigenem Namen auf. Die Beziehung zu den Erben betrifft allein das Innenverhältnis zwischen den Beteiligten. Er kann, anders als der Praxisabwickler, der weitere Aufträge nur limitiert übernehmen darf (§ 70 Abs. 3 S. 2 StBerG), auch unbeschränkt neue Mandate akquirieren. Regressansprüche von Mandanten treffen ausschließlich den Treuhänder. Bei Fehlleistungen tritt allein die Berufshaftpflichtversicherung des Treuhänders ein. Rechtsbeziehungen zwischen den Erben und den Mandanten bestehen schon deswegen nicht, weil der Hinterbliebene regelmäßig nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Die Treuhänderbestellung durch die Steuerberaterkammer dient allein dem Erhalt und der Fortführung der Kanzlei, damit auch den Interessen der Mandanten an einer gesetzlich zulässigen steuerlichen Betreuung und Beratung. Die mandatsbezogenen Obliegenheiten treffen nur den Treuhänder (OLG Stuttgart 24.8.99, 12 U 105/99, Koslowski, StBerG, § 71 Rz. 16 m. w. N.; a. A. OLG Oldenburg 5.6.81, 11 U 73/80 und OLG Karlsruhe 15.12.98, 4 U 37/98). Der BGH hat sich zu dieser Frage bislang nicht geäußert.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 86 | ID 48630231

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