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  • Berufsrecht

    Das Zurückbehaltungsrecht – ein wirksames Mittel zur Durchsetzung von Honorarforderungen

    von Rechtsanwalt Jürgen Gemmer, Fachanwalt für Steuerrecht, Braunschweig

    Das vom Steuerberater ausgeübte Zurückbehaltungsrecht ist häufig Anlass für Streitigkeiten und Regressansprüche. Auch wenn seit Einführung des § 66 Abs. 4 StBerG das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes zumindest an den Handakten anerkannt ist, wird immer wieder über dessen Umfang gestritten. Der Steuerberater darf zwar grundsätzlich Handakten und andere Unterlagen zurückhalten, wenn noch Honorarforderungen gegen den Mandanten offen stehen (§ 273 BGB, § 66 Abs. 4 StBerG). Der Ausübung dieses Rechtes als Druckmittel zur Honorardurchsetzung sind aber Grenzen gesetzt.

    1. Was darf der Steuerberater zurückbehalten?

    Das Zurückbehaltungsrecht besteht sowohl an den Arbeitsergebnissen (BGH 17.2.88, IVa ZR 262/86, GI 88, 117) des Steuerberaters als auch an den Handakten (BGH 3.7.97, IX ZR 244/96, EBE/BGH 97, 286 ff.; KP 11/97, 10 f.). Im Einzelnen:

    • sind Leistungen, die sich in einem „körperlichen Gegenstand“ (z.B. Bilanzen, Steuererklärungen und dergleichen) niedergeschlagen haben.
    • sind die vom Mandanten übergebenen Schriftstücke und Urkunden (Rechnungen, Kontoauszüge, Steuerbescheide aus Vorjahren etc.) und Unterlagen, die der Steuerberater von Dritten erhält (z.B. Steuerbescheide, Schriftverkehr mit Geschäftspartnern des Mandanten).
    • Das Zurückbehaltungsrecht erstreckt sich auch auf die (im Rechenzentrum) gespeicherten Buchhaltungsdaten.

    Nicht zu den Handakten gehören folgende Unterlagen, die daher unabhängig vom Bestehen einer Forderung ebenfalls nicht herausgegeben werden müssen:

    • für interne Zwecke gefertigte Arbeitspapiere (§ 66 Abs. 2 letzter Halbsatz StBerG),
    • Schriftstücke, von denen der Mandant bereits eine Ur- oder Abschrift erhalten hat,
    • der Schriftwechsel zwischen Steuerberater und Mandant.

    2. Welche Einschränkungen sind zu beachten?

    Einschränkungen ergeben sich aus einzelnen gesetzlichen Vorschriften und der Rechtsprechung. Kein Zurückbehaltungsrecht besteht z.B. bei

    • Vollmachtsurkunden (gesetzlicher Ausschluss durch § 175 BGB),
    • Arbeitspapieren der Arbeitnehmer des Mandanten,
    • Ansprüchen auf Rechenschaftslegung und Auskunft (vgl. BGH 3.2.78, NJW 78, 1157).

    Der Steuerberater kann nur diejenigen Mandantenunterlagen nach § 66 Abs. 4 StBerG zurückbehalten, die im Zusammenhang mit der Angelegenheit stehen, für die er die Forderung erhebt – nicht jedoch für Forderungen aus anderen Aufträgen. Es reicht also nicht – wie bei § 273 BGB – dass Anspruch und Gegenanspruch auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen (BGH 3.7.97, BGB/EBE 97, 286 ff.).

    Beispiel

    Die Honorarrechnung für die Erstellung des Jahresabschlusses 1997 nebst Steuererklärungen ist noch offen. Der Steuerberater darf in diesem Fall nicht Mandantenunterlagen, die er für die Erstellung des Jahresabschlusses 1998 und der Steuererklärungen erhalten hat, zurückbehalten, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.

    3. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

    Voraussetzungen für ein wirksames Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters sind:

    a) Wirksamer Steuerberatungsvertrag

    Das Zurückbehaltungsrecht nach § 66 Abs. 4 StBerG kann nur aus einem wirksamen Steuerberatungsvertrag ausgeübt werden. Bei anderen Verträgen (z.B. Treuhandvertrag) ist nur das allgemeine Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB einschlägig.

    b) Fälligkeit bzw. Einforderbarkeit der Vergütung

    § 273 Abs. 1 BGB setzt für das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts einen fälligen Anspruch voraus. Daneben verlangt § 9 Abs. 1 StBGebV eine vom Steuerberater unterzeichnete, ordnungsgemäße und dem Auftraggeber mitgeteilte Berechnung. Demgegenüber reicht es für § 66 Abs. 4 StBerG aus, wenn die Forderung besteht, ihre Fälligkeit ist nicht Voraussetzung (aA Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rz 78 f.). Der Gebührenanspruch entsteht bei jeder einzelnen Angelegenheit (z.B. Jahresabschluss, Einkommensteuererklärung usw.) nach Aufnahme der Tätigkeit in dieser Angelegenheit (vgl. Eckardt/Böttcher, StBGebV § 12 Rz 4; Gerold-Schmidt, BRAGO, § 1 Rz 18).

    Bei § 66 Abs. 4 StBerG muß der Steuerberater eine Vorausrechnung erteilen, damit der Mandant in die Lage versetzt wird, durch Zahlung das Zurückbehaltungsrecht zu beseitigen. Die Leistung einer Sicherheit – zum Beispiel durch Hinterlegung – reicht zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechts nach § 66 Abs. 4 StBerG nicht aus, während dies nach § 273 Abs. 3 BGB möglich ist.

    Beispiel

    Der Steuerberater kann die Herausgabe der Mandantenunterlagen, die er im Rahmen der noch andauernden Jahresabschlussarbeiten erhalten hat, unter Hinweis auf den noch nicht fälligen Gebührenanspruch verweigern, wenn er vom Mandanten einen Honorarvorschuss gemäß § 8 StBGebV vergeblich angefordert hat.

    c) Kein Verstoß gegen den Grundsatz von „Treu und Glauben“

    Generell hat die Rechtsprechung die Grenze des Zurückbehaltungsrechts dort gezogen, wo seine Ausübung treuwidrig wäre. Dies ist der Fall, wenn

    • die Zurückbehaltung zu einer besonders schweren Beeinträchtigung des Mandanten führt (BGH 3.7.97, BGH/EBE 97, 286 ff.);
    • nur eine verhältnismäßig geringe Forderung geltend gemacht wird;
    • ausreichende Sicherheiten für den Honoraranspruch bestehen;
    • das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, um eine Honorarerhöhung durchzu-setzen.

    4. Zurückbehaltungsrecht bei verjährten Honoraransprüchen

    Auch ein bereits verjährter Anspruch begründet in analoger Anwendung des § 390 S. 2 BGB ein Zurückbehaltungsrecht, wenn die Verjährung des Honoraranspruches noch nicht eingetreten war, als der Herausgabeanspruch des Mandanten entstand (BGHZ 48, 116; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberatung, Rz 79).

    Wird dem Mandanten vor Ablauf der für Honoraransprüche des Steuerberaters geltenden zweijährigen Verjährungsfrist (§ 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB i.V.m. § 201 BGB) eine Honorarabrechnung erteilt, besteht an den herausverlangten Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht.

    Beispiel

    Steuerberater A hat gegen seinen Mandanten X Honoraransprüche. Wegen dessen schlechter wirtschaftlicher Situation hat A davon abgesehen, seine Honorarforderungen gerichtlich geltend zu machen. Die Honorarforderungen sind inzwischen verjährt. Nunmehr verlangt der Mandant die Herausgabe von Belegen und Arbeitsergebnissen.

    5. Zurückbehaltungsrecht im Insolvenzfall

    Höchstrichterliche oder obergerichtliche Rechtsprechung liegt auf der Grundlage der seit dem 1.1.99 in Kraft getretenen Insolvenzordnung nicht vor. Bislang gibt es lediglich Entscheidungen auf der Grundlage der Konkursordnung. Die Ergebnisse sind aber auch auf die Insolvenzordnung übertragbar, weil die einschlägigen Vorschriften gemäß §§ 23, 17 KO und §§ 116, 115, 103 InsO jedenfalls im Kernbereich identisch sind.

    Auf der Grundlage des alten Konkursrechts hatte die Rechtsprechung wie folgt differenziert:

    • darf der Steuerberater auch im Falle des Konkurses zurückbehalten (BGH 25.10.88, GI 89, 37).
    • Ein Zurückbehaltungsrecht an Mandantenunterlagen haben bisher verschiedene Oberlandesgerichte ausgeschlossen (z.B. OLG Düsseldorf, Stbg 84, 50; OLG Hamm, ZIP 87,1330).

    Quelle: Kanzleiführung professionell - Ausgabe 01/2000, Seite 5

    Quelle: Ausgabe 01 / 2000 | Seite 5 | ID 104167

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