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  • · Nachricht · Landgericht Aachen

    Taschengeld als Anstandsgeschenk ohne Rückforderungsrecht

    | Grundsätzlich ist der Sozialhilfeträger berechtigt, Ansprüche des Leistungsempfängers nach § 528 BGB auf Rückforderung von Geschenken auf sich überzuleiten und gegen den Beschenkten geltend zu machen. Das gilt aber nach Auffassung des LG Aachen nicht bei früheren monatlichen Taschengeldzahlungen des Leistungsempfängers an seine Enkelin in angemessener Höhe - etwa 50 EUR monatlich. Hier handelt es sich vielmehr um Anstandsschenkungen i. S. von § 534 BGB |.

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin - ein Sozialhilfeträger - macht aus übergeleitetem Recht Ansprüche gegen die Beklagte nach § 528 BGB wegen Verarmung des Schenkers geltend. Der Großvater hatte seiner Enkelin seit 1998 monatlich 100 DM und seit 2002 monatlich 51,13 EUR überwiesen. Der Großvater ist pflegebedürftig und kann seine Pflege nicht mehr vollumfänglich bezahlen. Die Klägerin fordert nun nach Überleitung der Ansprüche gemäß § 93 SGB XII das Geschenkte von der beklagten Enkelin zurück. Die Enkelin wendet ein, es habe sich um Anstandsschenkungen gehandelt.

     

    Das AG hatte die Enkelin dazu verurteilt, 3.511,40 EUR zu zahlen. Die Enkelin wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung ist zulässig und begründet (LG Aachen 14.2.17, 3 S 127/16). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 3.511,40 EUR. Der Anspruch ist vorliegend nach § 534 BGB ausgeschlossen. Bei den Zuwendungen des Großvaters an die Beklagte handelte es sich um Anstandsschenkungen.

     

    Anstandsschenkungen beruhen im Vergleich zu den Pflichtschenkungen zwar auf einer geringeren moralischen Verpflichtung, ihr Unterlassen würde jedoch gegen die Anschauungen der sozialen Kreise des Schenkers verstoßen und einen Verlust an Achtung und Ansehen für ihn mit sich bringen. Maßstab für die Bestimmung des Anstands und gegebenenfalls für die Begrenzung des Umfangs eines Geschenks sind daher die Personen, die aus den sozialen Kreisen des Schenkers stammen; diese lassen sich - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - anhand der örtlichen und sozialen und standesgemäßen Verkehrssitte bestimmen. Auch wenn die Anstandsgeschenke im Wert geringer sind als Pflichtschenkungen, müssen sie mit Hinblick auf einen möglichen Ansehensverlust gerade geboten sein (Staudinger/Tiziana J. Chiusi, BGB, § 534 Rn. 15).

     

    Das LG teilt die Auffassung der beklagten Enkelin, dass es heute üblich ist, dass Großeltern ihren Enkeln ein monatliches Taschengeld zukommen lassen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall bei Beginn der Zuwendungen nicht absehbar war, dass der Großvater der Beklagten einmal pflegebedürftig werden würde. Auch dies wurde von der Klägerin nicht konkret in Abrede gestellt.

     

    Relevanz in der Praxis

    Maßgeblich sind die Gepflogenheiten sozial Gleichgestellter: Im Streitfall hätte es für den Großvater einen Ansehensverlust in seinem sozialen Umfeld bedeutet, wenn die monatlichen Zahlungen an die Enkelin ausgeblieben wären. Soweit trotz uneingeschränkter finanzieller Möglichkeiten ein übliches Taschengeld nicht zugewandt worden wäre, hätte das im Bekanntenkreis und sozialen Umfeld des Großvaters ein schlechtes Licht auf ihn geworfen. In der Literatur werden als Anstandsschenkungen insbesondere Geburtstags-, Weihnachts- und Hochzeitsgeschenke genannt.

     

    Das LG ist jedoch der Auffassung, dass Taschengeldzahlungen der Großeltern jedenfalls im Streitfall den vorgenannten Geschenken gleichzustellen sind. Dass die Beklagte das Geld gespart hat, sodass im Laufe der 16 Jahre eine ansehnliche Summe zusammen gekommen ist, lässt nicht darauf schließen, dass es sich um eine Art Sparvertrag handele. Es war der Beklagten freigestellt, über ihr Geld zu verfügen.

    Quelle: ID 44810758

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