Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Sonderthema: Personenbedingte Kündigung

    Basiswissen kompakt: Die 7 wichtigsten Fragen zur personenbedingten Kündigung

    von VRiLAG Dr. Wilfried Berkowsky, Halle

    | Dies ist der erste Beitrag des Sonderthemas „Personenbedingte Kündigung“. Hier stellen wir die Grundlagen vor, auf denen alle Fälle der personenbedingten Kündigung basieren. |

    1. Welche Vorgaben gibt das Gesetz?

    Eine Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 KSchG u.a. sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person des ArbN liegen, bedingt ist. Da das Gesetz nur einen unbestimmten Rechtsbegriff zur Verfügung stellt, wird der Prozess um eine solche Kündigung zu einem Risikospiel mit ungewissem Ausgang. Einerseits verlangt eine gerechtfertigte Kündigung, dass ein bestimmter Umstand in der Person des ArbN für den Kündigungsentschluss des ArbG kausal geworden - „bedingt“ - ist. Das allein rechtfertigt eine personenbedingte Kündigung aber noch nicht. Hinzukommen muss, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines personenbedingten Umstands erforderlich ist. Das ist nur der Fall, wenn der personenbedingte Umstand dazu führt, dass das durch den Arbeitsvertrag begründete Verhältnis von Leistung und Gegenleistung so gestört wird, dass ein „verständiger ArbG“ die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus diesem Grund in Betracht ziehen würde.

    2. Welche Kriterien gibt die einschlägige Rechtsprechung?

    Um die Geeignetheit personenbedingter Umstände als hinreichenden Kündigungsgrund mit einiger Sicherheit abschätzen zu können, muss auf die einschlägige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Auch die Literatur hat sich bemüht, die wenig konkreten gesetzlichen Vorgaben anhand einzelner Fallgestaltungen für die Praxis handhabbar zu machen (z.B. Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl., insbes. § 4 ff.).

     

    Erste Voraussetzung einer wirksamen personenbedingten Kündigung ist, dass der personenbedingte Kündigungsgrund zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der nach dem Arbeitsvertrag vorausgesetzten Leistung führt. Da Menschen aber unterschiedlich leistungsfähig sind, können Leistungsunterschiede, jedenfalls solche, die sich in einem gewissen Toleranzbereich bewegen, schon von vornherein keine Kündigung begründen. Das Leistungsdefizit darf auch nicht auf einem relativ kurzfristig zu behebenden Umstand beruhen. Es muss vielmehr eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erst dann kommt eine sozial gerechtfertigte personenbedingte Kündigung überhaupt in Betracht.

    3. Wie ist zur betriebsbedingten Kündigung abzugrenzen?

    Die verhaltensbedingte und die personenbedingte Kündigung kann man zunächst unter dem Begriff der „arbeitnehmerbedingten Kündigung“ oder auch der „personenbezogenen Kündigung“ - in klarer Abgrenzung zur betriebsbedingten Kündigung - zusammenfassen. Während also betriebsbedingte Kündigungsgründe stets aus der Sphäre des ArbG kommen (also auf Umständen beruhen, die aus der betrieblichen Organisation heraus die Kündigung bedingen), kommen die verhaltens- und die personenbedingten Kündigungsgründe aus der Sphäre des ArbN. Während die betriebsbedingte Kündigung darauf beruht, dass der ArbG den ArbN nicht mehr beschäftigen kann, ist die personenbezogene Kündigung dadurch charakterisiert, dass der ArbG für den betreffenden ArbN durchaus Beschäftigungsbedarf hat, dieser aber die erforderliche Leistungsfähigkeit nicht (mehr) erbringt.

     

    Innerhalb dieser personenbezogenen Kündigungsgründe unterscheiden sich personenbedingte von verhaltensbedingten Kündigungsgründen dadurch, dass sich der ArbN bei den verhaltensbedingten Kündigungsgründen vertragsgerecht verhalten könnte, es aber nicht tut. Bei den personenbedingten Kündigungsgründen möchte er sich vertragsgerecht verhalten, kann es aber aus in seiner Person liegenden Gründen nicht.

    4. Ist Verschulden erforderlich?

    Weil die personenbedingte Kündigung dadurch charakterisiert wird, dass sich der betroffene ArbN eben nicht vertragsgerecht verhalten kann, ist kein Verschulden des ArbN an seinem Leistungsdefizit erforderlich. Es genügt, dass die Leistungsbeeinträchtigung objektiv vorliegt. Es kommt nicht darauf an, ob sie der ArbN schuldhaft herbeigeführt hat oder nicht. Auch wenn die Leistungsbeeinträchtigung auf einem Schicksalsschlag beruht (z.B. auf einem unverschuldeter Unfall), schließt das eine Kündigung nicht aus.

    5. Ist eine Abmahnung erforderlich?

    Eine Abmahnung hat den Zweck, den ArbN zu vertragsgemäßem Verhalten anzuhalten (vgl. BAG 19.4.12, 2 AZR 186/11, AA 13, 39). Das setzt voraus, dass der betreffende ArbN sich überhaupt anders, also vertragsgerecht verhalten kann. An dieser Voraussetzung fehlt es bei den personenbedingten Kündigungsgründen. Deshalb ist grundsätzlich eine Abmahnung vor einer personenbedingten Kündigung nicht erforderlich.

     

    Das BAG verlangt aber in besonders gelagerten Fällen doch eine vorherige Abmahnung. Ein Leistungsdefizit eines ArbN kann nämlich auch gleichsam „auf der Grenze“ zwischen der verhaltens- und der personenbedingten Kündigung liegen. Das ist der Fall, wenn nicht klar festzustellen ist, ob der ArbN nicht doch mehr leisten könnte, als er es tut, oder ob er dies wirklich nicht kann. In solchen Grenzfällen ist es ratsam, den ArbN vor einer Kündigung erst einmal abzumahnen und zur vertragsgemäßen Leistung anzuhalten.

    6. Ist eine Interessenabwägung erforderlich?

    Auch bei personenbedingten Kündigungsgründen ist stets eine Abwägung der beiderseitigen Interessen erforderlich. Diese darf aber nicht in eine allgemeine und konturenlose Billigkeitsabwägung münden, die dem Arbeitsgericht quasi einen unbegrenzten Entscheidungsspielraum eröffnete. Wesentlich sind insoweit

    • die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
    • das Alter des ArbN,
    • seine Unterhaltspflichten (umstritten),
    • die Frage, ob die Leistungsminderung ursächlich mit den betrieblichen Arbeitsbedingungen zu tun hat und
    • eine Schwerbehinderung (umstritten).

    7. Wann ist ein BEM erforderlich?

    Nach § 84 Abs. 1 SGB IX muss der ArbG bei krankheitsbedingten Fehlzeiten, die zur Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen, also den hier maßgeblichen Zeitraum von sechs Wochen pro Jahr überschreiten, möglichst frühzeitig die dort genannten Stellen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) einschalten. Ein Unterlassen dieser Verpflichtung führt zwar nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Es bewirkt aber, dass erhöhte Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des ArbG im Kündigungsschutzprozess gestellt werden. Der ArbG muss dann von sich aus darlegen und ggf. beweisen, dass unter keinem denkbaren Aspekt eine leidensgerechte Beschäftigung möglich ist (LAG Hamm 26.4.13, 10 Sa 24/13; BAG NZA 11, 992).

     

    Der ArbG hat die Initiative für die Durchführung des BEM. Das bedeutet, dass er mit den zuständigen Stellen wie Krankenkasse, ggf. (Betriebs-)Arzt, Betriebsrat und eventuell Integrationsamt klären muss, ob der Arbeitsplatz leidensgerecht umgestaltet und erhalten werden kann (LAG Schleswig-Holstein 18.9.13, 3 Sa 133/13, Abruf-Nr. 133557, AA 13, 206). Lehnt der ArbN aber jede Mitwirkung beim BEM ab, ist das Verfahren (schon) zu Ende. Dem ArbG entstehen aus der Nichtdurchführung keine Nachteile.

     

    Checkliste / Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung

    • Sind beim ArbN Leistungsdefizite festzustellen - welche?
    • Sind diese Leistungsdefizite objektivier- und quantifizierbar?
    • Beruhen die Leistungsdefizite auf einem Grund in der Person des ArbN?
    • Ist das Leistungsdefizit steuerbar oder nicht?
      • der ArbN könnte sich vertragsgerecht verhalten, tut es aber nicht (verhaltensbedingt),
      • der ArbN möchte sich vertragsgerecht verhalten, kann es aber nicht (personenbedingt).
    • Ist (ausnahmsweise) eine Abmahnung angezeigt?
    • Wie ist die individuelle Interessenabwägung zu beurteilen?
    • Ist der Betriebsrat gesetzmäßig beteiligt worden (§ 102 BetrVG)?
    • Bei evtl. Schwerbehinderung: Ist die Zustimmung des Integrationsamts nach §§ 85 ff. SGB IX eingeholt worden?
    • Ist das BEM (ordnungsgemäß) durchgeführt worden?
     

    Weiterführender Hinweis

    • Im nächsten Beitrag zum Sonderthema „Personenbedingte Kündigung“ beantworten wir die wichtigsten Fragen zur krankheitsbedingten Kündigung.
    Quelle: ID 43313398