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  • 15.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133557

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 18.09.2013 – 3 Sa 133/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 18.09.2013 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn - 1 Ca 1656 b/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    .-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.

    Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung, die im Wesentlichen auf häufige Kurzerkrankungen gestützt ist.

    Die im Oktober 1965 geborene Klägerin ist seit dem 01.10.1993 als examinierte Altenpflegerin bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Sie erhielt zuletzt monatlich 3.212,-- EUR brutto. Der Einsatz der Klägerin erfolgte im Schichtdienst.

    Die Insolvenzschuldnerin beschäftigte bei Ausspruch der Kündigung rund 100 Arbeitnehmer. Am 01.02.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter eingesetzt.

    Der Kündigung vom 19.09.2012 liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

    Im Jahr 2009 war die Klägerin an 25 Arbeitstagen, verteilt auf 13 Zeiträume, arbeitsunfähig krank.

    Im Jahr 2010 fehlte die Klägerin krankheitsbedingt an 51 Arbeitstagen, verteilt auf 12 Zeiträume.

    Im Jahr 2011 fehlte die Klägerin arbeitsunfähig an 100 Arbeitstagen, verteilt auf 14 Zeiträume. 32 Arbeitsunfähigkeitstagen davon liegt u.a. ein Erschöpfungszustand zugrunde.

    Im Jahr 2012 war die Klägerin im Zeitraum 01.01. bis 24.07.2012 an 84 Arbeitstagen, verteilt auf 12 Zeiträume, arbeitsunfähig krank. Davon beruhen 21 Tage auf einer Knieverletzung und 29 Tage auf einer Reha-Maßnahme wegen Rückenbeschwerden und Depressionen. Aus der Reha-Maßnahme wurde die Klägerin als arbeitsfähig entlassen. Hinsichtlich der Einzelheiten der krankheitsbedingten Fehlzeiten und der diesen zugrunde liegenden Ursachen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 18.12.2012 verwiesen.

    Nach einer erfolgreichen erwirkten einstweiligen Verfügung auf Urlaubserteilung befand sich die Klägerin im Nachgang zu der Reha-Maßnahme bis zum 14.08.2012 im Urlaub.

    Mit Schreiben vom 30.07.2012 forderte der Beklagte die Klägerin zum Nachweis einer verlässlichen Prognose über die künftige Entwicklung krankheitsbedingter Fehlzeiten durch Vorlage eines ärztlichen Attestes auf (Anlage B 1, Bl. 19 - 21 d.A.).

    Mit Schreiben vom 02.08.2012 wies die Gewerkschaft ver.di für die Klägerin die Einholung eines ärztlichen Attestes unter Hervorhebung bestehender Arbeitsfähigkeit der Klägerin zurück. Gleichzeitig wies sie auch auf das Vorliegen betrieblicher Ursachen für die krankheitsbedingten Fehlzeiten hin. Weiter heißt es u.a.:

    "Daher werden wir unserem Mitglied für den Fall, dass Sie nunmehr das Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) einleiten wollen, empfehlen, dieses Gespräch abzulehnen".

    (Anlage B 2, Bl. 22 f d.A.).

    Vom 28.08. bis 31.08.2012 war die Klägerin wegen einer Mittelohr- und Rachenentzündung arbeitsunfähig erkrankt.

    Mit Schreiben vom 11.09.2012 hörte der Beklagte den Betriebsrat zum Ausspruch einer beabsichtigten Kündigung an (Anlage B 4, Bl. 26 ff d.A.). Sodann kündigte er mit Schreiben vom 19.09.2012 (Anlage K 1, Bl. 5 f d.A.) das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31.12.2012. Hiergegen erhob die Klägerin am 02. 10.2012 Kündigungsschutzklage.

    Die Klägerin hat stets vorgetragen, hinsichtlich künftiger Fehlzeiten liege eine positive Prognose vor. Zudem sei die Kündigung unverhältnismäßig, da zu hohe und vermeidbare Belastungen am Arbeitsplatz für die krankheitsbedingten Ausfallzeiten mit ursächlich seien, kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde und auch ihrem Lebensalter und ihrer langjährigen Betriebszugehörigkeit Rechnung getragen werden müsse.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, das Vorliegen einer negativen Prognose sei bereits zweifelhaft. Es könne auch dahinstehen, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vorliege, denn in jedem Fall sei die Kündigung unverhältnismäßig. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 20.03.2013 verwiesen.

    Gegen diese dem Beklagten am 25.03.2013 zugestellte Entscheidung hat er am 19.04.2013 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 27.06.2013 am Tage des Fristablaufs begründet wurde.

    Der Beklagte ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Seines Erachtens liegt eine negative Zukunftsprognose angesichts der Vielzahl der Fehlzeiten vor. Das ergäbe sich auch daraus, dass die Klägerin nach Ausspruch der Kündigung weiterhin wiederholt arbeitsunfähig krank gewesen sei. Die Fehlzeiten seien weder ganz noch teilweise auf betriebliche Ursachen zurückzuführen. Der Personalschlüssel sei übererfüllt. Die besonderen betrieblichen Belastungen ergäben sich aus den hohen Entgeltfortzahlungskosten, der Insolvenzsituation sowie der Tatsache, dass gerade angesichts des Schichtbetriebes der häufige kurzfristige Ausfall der Klägerin als examinierte Altenpflegerin nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten aufgefangen werden könne. Die Kündigung sei auch verhältnismäßig. Die Klägerin habe ausweislich des Schreibens ihrer Gewerkschaft ver.di ein betriebliches Eingliederungsmanagement abgelehnt. Selbst wenn ein solches durchgeführt worden wäre, hätte es zu keinem anderen Ergebnis geführt. Die Insolvenzschuldnerin arbeitete mit Hilfsmitteln nach dem neuesten Stand. Ein weniger belastender Arbeitsplatz existiere nicht. Der Personalschlüssel sei übererfüllt.

    Der Beklagte beantragt,

    auf die Berufung des Beklagten/Berufungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 20.03.2013 zum Aktenzeichen 1 Ca 1656 b/12 abgeändert und die Klage abgewiesen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Elmshorn vom 20.03.2013, Az. 1 Ca 1656 b/12, zurückzuweisen.

    Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten seien u.a. auf zu hoher Belastung zurückzuführen, entstanden durch personelle Unterbesetzung und hohe Ausfallzeiten anderer Arbeitskollegen. Außerdem sei ihr zu keinem Zeitpunkt ein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten worden. Ein solches habe sie auch nicht von vornherein abgelehnt. Aus dem Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 02.08.2012 lasse sich insoweit nichts herleiten. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einer Empfehlung der Gewerkschaft ver.di zur Ablehnung eines künftigen, noch anzubietenden BEM-Gespräches gefolgt wäre.

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

    Mit ausführlicher überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben und insbesondere darauf abgestellt, dass aufgrund der vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalles im Rahmen der Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die krankheitsbedingte Kündigung unverhältnismäßig ist. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

    1. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist a) die Darlegung häufiger Kurzerkrankungen in der Vergangenheit mit der sich daraus ergebenden Folge einer negativen Zukunftsprognose sowie b) - als Teil des Kündigungsgrundes - das Vorhandensein einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen (BAG vom 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 - zitiert nach [...]). Schließlich ist als dritte Stufe - also c) - eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der zu prüfen ist, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (vgl. BAG vom 23.04.2008 - 2 AZR 1012/06 - zitiert nach [...], Rz. 18).

    2. Nach dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (= dritte Stufe) ist eine krankheitsbedingte Kündigung auch dann ungerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen und der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Sie ist nicht erforderlich, solange der Arbeitgeber nicht alle anderen geeigneten milderen Mittel zur Vermeidung künftiger Störungen ausgeschöpft hat. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb auch das Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, die einen zukünftigen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses möglich erscheinen lassen. Dafür trägt der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast. In diesem Zusammenhang gewinnt die Erforderlichkeit eines BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX Bedeutung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (BAG vom 10.12.2009 - 2 AZR 400/08 - zitiert nach [...], Rz. 16 f). Das BEM ist ein rechtlich regulierter "Suchprozess", der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (Kohte DB 2008, 582, 583; BAG a.a.O. Rz. 20).

    3. Hat der Arbeitgeber kein BEM durchgeführt, darf er sich durch seine dem Gesetz widersprechende Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen. In diesem Fall darf er sich nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer bzw. es gebe keine "freien Arbeitsplätze", die der erkrankte Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung noch ausfüllen könne. Es bedarf vielmehr eines umfassenderen konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz einerseits und warum andererseits eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem (alternativen) anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden könnte (BAG vom 23.04.2008 - 2 AZR 1012/06 - zitiert nach [...], Rz. 26).

    4. Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte. Die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gehört zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines BEM. Sie soll dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er ihm zustimmt oder nicht. Die Initiativlast für die Durchführung eines BEM trägt der Arbeitgeber (BAG vom 24.03.2011 - 2 AZR 170/10 - zitiert nach [...], Leitsatz 3 und Rz. 23 m.w.N.).

    5. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die streitbefangene Kündigung unwirksam.

    a) Angesichts der unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung von der Klägerin erfolgreich und mit Arbeitsfähigkeit abschließenden Reha-Maßnahme dürfte schon bereits das Vorliegen einer negativen Zukunftsprognose zu verneinen sein. Die Klägerin war auch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung arbeitsfähig. Dass sie später im Laufe des Rechtsstreits erneut wiederholt arbeitsunfähig erkrankt ist, hat unberücksichtigt zu bleiben. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung.

    b) Selbst wenn jedoch zu Gunsten des Beklagten das Vorliegen einer negativen Zukunftsprognose sowie das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen in Form von nachhaltigen Betriebsablaufstörungen und wirtschaftlichen unzumutbaren Belastungen unterstellt wird, scheitert die Wirksamkeit der Kündigung an der Nichtbeachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

    aa) Der Beklagte hat kein BEM durchgeführt. Das ist unstreitig.

    bb) Der sich daraus ergebenden Verpflichtung zu einem umfassenden konkreten Sachvortrag zum Nichtvorliegen leidensgerechter ggf. alternativer Einsatzmöglichkeiten für die Klägerin hat der Beklagte nicht hinreichend substantiiert Rechnung getragen. Er hat vielmehr lediglich pauschal vorgetragen, der Personalschlüssel sei übererfüllt, so dass keine zu hohen Arbeitsbelastungen vorlägen. Ferner erfolgte lediglich der abstrakte, nicht ansatzweise konkretisierte Vortrag, die verwendeten Hilfsmittel seien auf dem neuesten Stand und ein weniger belastender Arbeitsplatz existiere nicht. Dieses gesamte Vorbringen des Beklagten ist nicht einlassungsfähig und auch keinem Zeugenbeweis zugänglich. Die Durchführung einer Beweisaufnahme hieße, einen unzulässigen Ausforschungsbeweis durchzuführen.

    Die Klägerin hat zudem detailliert vorgetragen, durch die Nichtbesetzung von Stellen seien sie und ihre Kolleginnen und Kollegen kontinuierlich einer zu hohen Belastung ausgesetzt gewesen. Das habe nicht nur bei ihr, sondern auch bei anderen Kolleginnen und Kollegen zu hohen, ständig Vertretungsbedarf auslösenden Ausfallzeiten geführt. So sei eine Endlosschleife anhaltender, krank machender Überforderung entstanden, die zunächst bei ihr zu erhöhter Krankheitsanfälligkeit und letztendlich zu burn out geführt habe. Bereits hierzu hätte es eines substantiierten Vorbringens des Beklagten bedurft.

    cc) Gleiches gilt in Bezug auf sein allgemein gehaltenes Vorbringen, alternative Einsatzmöglichkeiten bestünden nicht und es seien auch bereits alle möglichen Hilfsmittel vorhanden. Substantiiertes Vorbringen ist insoweit unerlässlich. Das hingegen fehlt. Es ist schon nicht feststellbar, was unter einem Vorhandensein von "Hilfsmitteln nach dem neuesten Stand" verstanden werden soll. Vor allem aber ist nichts dazu vorgetragen, mit welchen konkreten Hilfsmitteln die Klägerin konkret arbeitet bzw. warum sie damit nicht arbeitet und warum diese keine Arbeitserleichterungen für die Klägerin bringen können, die Nichtdurchführung eines BEM also unschädlich gewesen sein soll. Gerade die Durchführung eines BEM soll die konkretisierte Erörterung und Spezifizierung in Bezug auf den erkrankten Arbeitnehmer und dessen Krankheitsursachen ermöglichen. Ein diesbezüglicher spezifizierter Vortrag des Beklagten fehlt jedoch gänzlich.

    dd) Die Klägerin hat u.a. vorgetragen, sie sei aufgrund der langandauernden Überlastung infolge der Nichtbesetzung von Stellen und der dadurch fehlenden bzw. vermeidbaren eingeschränkten Regenerationsmöglichkeit in einen nachhaltigen Erschöpfungszustand und letztlich in einen "Burn-out" geraten. Es wäre nun Sache des Beklagten gewesen, dem mit tatsächlichem, spezifiziertem Vorbringen entgegenzutreten und darzulegen, vor welchem tatsächlichen Hintergrund kein tatsächlich denkbares positives Ergebnis möglich gewesen sein soll. Denkbar wäre allein schon die Möglichkeit der Erörterung einer - ggf. nur vorübergehenden - Teilzeitbeschäftigung zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin nach erfolgreicher Durchführung der Reha-Maßnahme. All das ist ebenso wenig geschehen, wie die Suche nach arbeitsentlastenden spezifischen Hilfsmitteln oder einer anderen Arbeitsorganisation oder Arbeitsverteilung.

    c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Gewerkschaft ver.di für die Klägerin während derer urlaubsbedingten Abwesenheit geschrieben hat, sie empfehle dieser im Falle eines entsprechenden Angebotes nicht die Durchführung des BEM.

    aa) Festzuhalten ist insoweit, dass der Beklagte der Klägerin tatsächlich noch keinerlei BEM angeboten hat, so dass sich die Klägerin nicht in der Situation befand, eine eigene Meinung in Bezug auf die angekündigte Empfehlung der Gewerkschaft ver.di zu bilden. Die Klägerin hat weder ein BEM-Angebot erhalten noch ihre Einwilligung zur Durchführung eines solchen verweigert.

    bb) Selbst wenn jedoch zugunsten des Beklagten unterstellt würde, das außergerichtliche Schreiben vom 30.07.2012 enthalte indirekt ein Angebot zur Durchführung eines BEM, wäre dieses "indirekte Angebot" nicht geeignet, den Beklagten von der erweiterten Darlegungslast zu entbinden. Das Unterlassen eines BEM ist, wie bereits oben unter 4. dargelegt, nur dann "kündigungsneutral", wenn der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte. Ein derartiger Hinweis ist dem Schreiben des Beklagten vom 30.07.2012 auch nicht ansatzweise zu entnehmen.

    d) Vor diesem Hintergrund ist auch zweitinstanzlich dem Arbeitsgericht zu folgen, dass der Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, weshalb auch bei einer Durchführung eines BEM eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht möglich gewesen wäre. Unter Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin, die bereits 19 Jahre lang im Betrieb der Insolvenzschuldnerin als examinierte Altenpflegerin beschäftigt ist, und ihres Lebensalters ist die unmittelbar nach der Reha-Maßnahme ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung unverhältnismäßig. Die Kündigung ist daher unwirksam.

    6. Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag begründet. Der Klage ist zu Recht stattgegeben worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

    Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

    Verkündet am 18.09.2013

    Vorschriften§ 72 a ArbGG, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, § 84 Abs. 2 SGB IX, § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, § 97 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG