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  • · Fachbeitrag · Urlaubsabgeltung

    Urlaubsabgeltung auch bei Tod des ArbN?

    von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

    Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG steht einer Auslegung des § 7 Abs. 4 BUrlG entgegen, wonach ein Urlaubsabgeltungsanspruch untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des ArbN endet. Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des ArbN, entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch und geht auf die Erben über (EuGH 12.6.14, C-118/13, Abruf-Nr. 141844).

     

    Sachverhalt

    Die Erbin des ArbN hat einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen den vormaligen ArbG geltend gemacht. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Tod des ArbN beendet, der zu diesem Zeitpunkt noch einen Anspruch auf Gewährung von Resterholungsurlaub hatte.

     

    Der ArbG verweigerte die Abgeltung des Urlaubs, da der Urlaub mit dem Tod des ArbN untergehe und daher auch kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe. Diese Argumentation entsprach der Rechtsprechung des BAG, welches noch in jüngerer Vergangenheit diese Rechtsfrage entsprechend entschieden hatte (BAG 12.3.13, 9 AZR 532/11, Abruf-Nr. 132233 in AA 13, 131).

     

    Das in der Berufungsinstanz zuständige LAG Hamm sah in dieser Rechtsansicht des BAG einen Verstoß gegen Europarecht (LAG Hamm 14.2.13, 16 Sa 1511/12) und legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Das LAG Hamm wollte im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Regelungen entgegensteht, wonach der Anspruch auf Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

     

    Entscheidungsgründe

    Der EuGH hat diese Frage bejaht. Er hat damit die Rechtsprechung des BAG für europarechtswidrig erklärt. Nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88 EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder ArbN einen bezahlten Jahresurlaub von vier Wochen erhält. Hieraus folge ein Anspruch jedes ArbN auf bezahlten Mindesturlaub, der einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Union darstelle. Von diesem Grundsatz dürfe nicht abgewichen werden.

     

    Dazu gehöre auch ein finanzieller Ausgleich für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird und ein bestehender Resturlaubsanspruch daher nicht mehr gewährt werden konnte. Ein Wegfall aller Rechte sei im Lichte der oben genannten Richtlinie unzulässig, wenn dies zu einer Verkürzung der Urlaubsansprüche führe. Für das Entstehen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs seien folglich nur zwei Voraussetzungen erforderlich. Erstens eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zweitens das Vorliegen von Resturlaub zum Zeitpunkt der Beendigung. Eine Differenzierung nach verschiedenen Beendigungstatbeständen dürfe nicht erfolgen. Werde das Arbeitsverhältnis durch den Tod des ArbN beendet, entsteht folglich ein Urlaubsabgeltungsanspruch, der nach § 1922 BGB auf dessen Erben übergehe.

     

    Praxishinweis

    Der EuGH stellt deutlich fest, dass die einschränkende Auslegung des § 7 Abs. 4 BUrlG zur Urlaubsabgeltung beim Tod des ArbN durch das BAG europarechtswidrig ist. Überraschen kann dieses Ergebnis nicht, da die bisherige Auslegung des BAG bereits dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG selbst widerspricht. Nach der Formulierung im deutschen Recht bleibt kein Raum für einen Wegfall des Urlaubsanspruchs beim Tod des ArbN.

     

    Die Argumentation des BAG zur Höchstpersönlichkeit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nach § 613 BGB und der daraus angeblich folgenden Höchstpersönlichkeit des Urlaubsanspruchs, der mit dem Tod des ArbN wegfalle, ist damit nicht mehr haltbar. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein geldwerter Anspruch, der als solcher durch jede Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen kann und vererblich ist. Das eindeutige Urteil lässt keine weiteren Interpretationen zu, sodass die bisherige Rechtsprechung des BAG obsolet ist.

     

    Die Auswirkungen auf die tatsächliche Abwicklung von Arbeitsverhältnissen dürften jedoch überschaubar sein. Stirbt ein ArbN, gehen alle seine Vermögenswerte, also auch alle entstandenen Ansprüche nach § 1922 BGB im Wege der Universalsukzession auf seine Erben über. Dies hat zur Folge, dass eine endgültige Abrechnung für den verstorbenen ArbN erfolgen muss, die alle entstandenen Ansprüche zur Auszahlung bringt.

     

    Nach dem Urteil des EuGH kommt ein weiterer Anspruch des verstorbenen ArbN hinzu. Der ArbG muss den vorhandenen Resturlaub als weitere Position in Form eines Urlaubsabgeltungsanspruchs in die Abrechnung aufnehmen. Der zusätzliche Aufwand ist zu bewältigen. Für die finanzielle Belastung des ArbG dürfte das gleiche gelten.

     

    Die Entscheidung bezieht sich zunächst nur auf den Mindesturlaub von vier Wochen. ArbG könnten aber zwischen Mindesturlaub und (tarif-)vertraglichen Urlaubsansprüchen differenzieren. Insoweit bleibt abzuwarten, ob eine solche Differenzierung der gerichtlichen Überprüfung standhält. Für den ArbG stellt sich indes die betriebswirtschaftlich zu beantwortende Frage, ob der Aufwand einer Differenzierung unterschiedlicher Urlaubsansprüche überhaupt in einem vertretbaren Aufwand zu den aufgezeigten Folgen steht.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Urlaubsabgeltung und Tod des ArbN: BAG in AA 13, 131
    • Kein Urlaubsanspruch während Ruhens des Arbeitsverhältnisses bei „Kurzarbeit Null“: EuGH in AA 13, 98
    • Aufgabe der Surrogationstheorie: BAG in AA 13, 22
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 136 | ID 42776696