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· Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht

Ausscheiden des Vertreters - Werbeanrufe der Versicherer bei Kunden sind wettbewerbswidrig

von Rechtsanwalt Bernhard Schleicher, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth und Kollegen, München

| Das Problem taucht immer wieder auf: Die Versicherer schreiben die Kunden an und teilen den Wechsel des Vertreters mit. Danach werden die Kunden auch noch angerufen, angeblich, um den Kunden das nochmal mitzuteilen. Das ist nicht nötig und sogar wettbewerbswidrig, hat das LG Nürnberg-Fürth jetzt befunden. |

Versicherer teilt Wechsel der Agentur mit

Der Versicherer hatte seiner langjährigen Ausschließlichkeitsagentur ordentlich gekündigt. Diese machte nach Vertragsende als Maklergesellschaft weiter, stand somit also in Konkurrenz zum Ausschließlichkeitsvertrieb der Versicherung.

 

1. Schritt: Rundschreiben

Der Versicherer informierte hierüber - wie üblich - die Kunden der Agentur per Rundschreiben und teilte mit, dass die Kundendaten auf die Nachfolgeagentur übertragen werden, wenn der Kunde dem nicht binnen 14 Tagen widerspricht.

 

2. Schritt: Telefonat

Nach dem Versand dieser Rundschreiben widersprachen einige Kunden ausdrücklich der Datenübertragung. Daraufhin setzte sich der Versicherer sowohl über Innendienstmitarbeiter als auch über die Nachfolgeagentur telefonisch mit diesen Kunden in Verbindung. Er teilte unter anderem nochmals mit, dass die ehemalige Versicherungsvertretung ausgeschieden sei und eine optimale Betreuung des Kunden in Zukunft nur möglich wäre, wenn diese Ihren Widerspruch zurücknehmen würden.

Ex-Agentur schreitet ein

Die mittlerweile als Maklergesellschaft tätige ehemalige Agentur verlangte daraufhin Unterlassung dieser Anrufe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Neben anderen eindeutig wettbewerbswidrigen Äußerungen auch deswegen, weil der Versicherer bei den Kunden angerufen hatte, ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung erhalten zu haben, womit ein Verstoß gegen c§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorlag.

 

Der Versicherer argumentierte, dass die Kunden nur allgemein darüber informiert wurden, dass ein Betreuungswechsel stattfände, wozu er zur Erfüllung seiner vertraglichen Informationsobliegenheiten gegenüber den Kunden sogar verpflichtet sei; die Anrufe hätten also keinen werbenden Charakter gehabt, womit sie auch nicht unter das gesetzliche Verbot fielen.

Einmalige schriftliche Information reicht

Das Argument des Versicherers ließ das Gericht nicht gelten mit folgender Begründung (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21.11.2014, Az. 4 HKO 7707/14; Abruf-Nr. 143612; rechtskräftig).

 

  • Begründung

Ohne Erfolg berufen sich die Verfügungsbeklagten darauf, die Anrufe hätten keine Werbung zum Inhalt gehabt. Entsprechend den obigen Ausführungen ging es bei den Telefonaten nicht in erster Linie darum, die Versicherungsnehmer über den Wechsel der Versicherungsagentur und die Datenweitergabe zu unterrichten, da dies bereits schriftlich geschehen war. Vielmehr ging es insbesondere darum, einen Wechsel der Versicherungsnehmer von der Verfügungsklägerin zur Verfügungsbeklagten zu 3 (Nachfolgeagentur, Anmerkung des Autors) herbeizuführen; es erfolgte eine Werbung gegenüber den Versicherungskunden, um diese durch die streitgegenständlichen Äußerungen dazu zu bewegen, den Kundenbestand des Verfügungsbeklagten zu 3 zu erhöhen und damit den Bestand der Verfügungsklägerin zu verringern.

 

Oder anders: Warum sollte telefonisch noch einmal etwas erläutert werden, was bereits schriftlich mitgeteilt wurde?

 

Wichtig | Die Entscheidung ist rechtskräftig und wird vom Versicherer auch als endgültige Regelung akzeptiert.

 

PRAXISHINWEISE |  

  • Die Rundschreiben der Versicherer an die Kunden bei Ausscheiden eines Versicherungsvertreters sind gang und gäbe.
  • Neu ist, dass sich die Versicherungswirtschaft ab 1. Januar 2014 sogar dazu verpflichtet hat, die Kunden anzuschreiben, um den datenschutzrechtlichen Bestimmungen Genüge zu tun. Das hat zur Folge, dass es nun auch bei jedem Agenturwechsel zu solchen Rundschreiben an die Kunden kommt.
  • Aufgrund der Nürnberger Entscheidung wird das Argument des Versicherers quasi immer ins Leere gehen. Die ausgeschiedene Agentur, die weiterhin im Versicherungsbereich tätig ist, kann sich also mit guter Aussicht auf Erfolg hiergegen wehren.
 

 

Weiterführende Hinweise

  • Beitrag „Nachvertraglicher Wettbewerb - Konkurrenz durch andere Vertreter oder Makler erlaubt“, WVV 12/2011, Seite 5
  • Beitrag „LG München I stärkt ausgeschiedene Vertreter im Wettbewerb um ihre Alt-Kunden“, WVV 3/2011, Seite 7
  • Beitrag „Wettbewerbsrechtlich zulässiges Verhalten nach dem Ausscheiden bei einem Versicherer“, WVV 9/2007, Seite 10
Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 5 | ID 43142274