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· Fachbeitrag · Haftung

OLG Saarbrücken: Haftung des Vertreters bei Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung

von Rechtsanwalt Jens Reichow, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte, Hamburg

| Bei der Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung müssen Sie umfangreiche Pflichten erfüllen, wenn Sie den Versicherungsnehmer (VN) beraten. Sie sollten die Haftungsrisiken kennen, die hier lauern. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Saarbrücken. |

Beratung über Berufsunfähigkeitsschutz

Der VN im Urteilsfall hatte zum Zeitpunkt der Beratung bereits eine Berufsunfähigkeitsversicherung (monatliche Brutto-Prämie von 124,04 Euro). Diese sicherte ihn jedoch nicht bis zum gewünschten Renteneintrittsalter ab. Deshalb ließ er sich von einem Versicherungsvertreter beraten.

 

Empfehlung von Kündigung und Neuabschluss

Der Vertreter empfahl, die Berufsunfähigkeitsversicherung zu kündigen und neu abzuschließen. Er argumentierte, dass die neue Berufsunfähigkeitsversicherung eine längere Laufzeit habe und mit 93,38 Euro monatlich (netto) deutlich günstiger sei als der Altvertrag.

 

Der VN folgte der Empfehlung des Vertreters,

  • die bestehende Versicherung zu kündigen sowie
  • bei der ihm empfohlenen Folgeversicherung einen neuen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu stellen.

 

BU-Folgevertrag mit Risikoausschlüssen

Der Vorversicherer bestätigte die Kündigung des Versicherungsvertrags. Der Folgeversicherer nahm den Antrag auf Abschluss einer neuen Berufsunfähigkeitsversicherung an, aber nur mit erheblichen Risikoausschlüssen. Dies begründete er damit, dass er bei der Antragsprüfung erfahren habe, dass massive Vorerkrankungen bestanden, die der VN im Antrag nicht angegeben hatte.

 

Der VN nahm daraufhin den Vertreter in Haftung. Das OLG Saarbrücken hat dem entsprochen. Es sah die Pflichten des Vertreters bei Umdeckung der Berufsunfähigkeitsversicherung in doppelter Hinsicht verletzt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.04.2017, Az. 5 U 36/16, Abruf-Nr. 196947).

OLG sieht Pflichtverletzungen des Vertreters

Zunächst stellte das OLG Saarbrücken fest, dass § 63 VVG eine Schadenersatzpflicht des Versicherungsvermittlers normiert. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Haftung. Es komme daher nicht auf den Abschluss eines gesonderten Beratungsvertrags zwischen Vertreter und VN an. Auch sei nicht entscheidend, in wessen Namen der Vertreter aufgetreten sei.

 

Das OLG Saarbrücken betont die besonderen Beratungs- und Aufklärungspflichten. Bei einem Wechsel des Berufsunfähigkeitsversicherers unter Kündigung des Altvertrags gehe es um einen existenziell bedeutsamen Bereich. Der Versicherungsschutz könne insbesondere wegen des Erfordernisses einer Gesundheitsprüfung nicht ohne weiteres erlangt werden. Aus dem Grund seien die Anforderungen an den Vertreter an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung hoch: Er müsse beachten, dass der VN weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen wolle. Gegen diese Pflichten hätte der Vertreter in doppelter Hinsicht verstoßen.

 

Fehler 1: Vergleich Netto-Prämie mit Brutto-Prämie

Die Prämie hat erhebliche Bedeutung beim Wechsel des Versicherers. Daher muss der Vermittler diejenigen Daten ermitteln, die einen Vergleich ermöglichen, sie auswerten und damit eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage schaffen. Auf dieser Basis kann der VN einschätzen, inwieweit etwaige Differenzen mit Blick auf Verbesserungen oder Verschlechterungen im Versicherungsschutz angemessen und für ihn ggf. hinnehmbar sind.

 

Wichtig | Konkret hätte der Vertreter daher die Brutto-Prämie des Vorvertrags mit der Brutto-Prämie des Folgevertrags vergleichen müssen. Indem der Vertreter jedoch der Brutto-Prämie des Vorvertrags die Netto-Prämie des Folgevertrags gegenüberstellte, verglich er quasi „Äpfel mit Birnen“.

 

Fehler 2: Kündigung des Altvertrags vor Annahme des Folgeversicherers

Auch die Empfehlung zugunsten der Kündigung der Vorversicherung, bevor der Folgeversicherer die Annahme des neuen Vertrags erklärt hatte, sah das OLG als Fehler. Begründung: Der Vertreter müsse dem VN bei einer Umdeckung deutlich vor Augen führen, dass eine vorzeitige Kündigung mit gravierenden Nachteilen verbunden sein könne ‒ von einer Einschränkung des Versicherungsschutzes bis hin zum vollständigen Verlust. Der Vertreter

  • hätte empfehlen müssen, die bestehende Versicherung erst zu kündigen, sobald gewährleistet sei, dass der angestrebte Versicherungsvertrag mit den gewünschten Konditionen zustande komme;
  • hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Angabe des VN in der Beratung, sein Gesundheitszustand sei unproblematisch, richtig sei und daher die Umdeckung des Berufsunfähigkeitsrisikos erfolgversprechend wäre.

 

Als erfahrener Vermittler wusste er, dass das keine ausreichende Beurteilungsgrundlage sein konnte. Er wusste, dass das Zustandekommen des neuen Vertrags und sein konkreter Inhalt jedenfalls so lange nicht gesichert waren, bis der Folgeversicherer seine Risikoprüfung abgeschlossen haben würde.

Vertreter zu Schadenersatz in zweierlei Hinsicht verurteilt

Der Vertreter haftet dem VN gegenüber auf Schadenersatz. Er muss

  • den Prämienschaden ersetzen. Basis ist ein fiktiver Vertrag beim neuen BU-Versicherer mit einer der Vorversicherung entsprechenden Laufzeit, ansonsten aber identischen Konditionen. Dieser würde 10,10 Euro mehr kosten als der frühere Vertrag;
  • für die Lücken im Versicherungsschutz einstehen.
Quelle: Ausgabe 02 / 2018 | Seite 5 | ID 45059777