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· Fachbeitrag · Betriebliche Altersversorgung

Ungefragt besteht keine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung

von Dr. Claudia Veh, SLPM Schweizer Leben PensionsManagement GmbH, Garching bei München

| In der Praxis herrschte punktuell Unsicherheit bei Arbeitgebern hinsichtlich etwaiger Informations- und Hinweispflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung ( § 1a BetrAVG ). Es war nicht klar, ob sie - aufgrund ihrer Fürsorgepflicht - verpflichtet sind, ihre Arbeitnehmer auf diesen Rechtsanspruch hinzuweisen. Diese wichtige Frage hat das BAG nun verneint. |

Der rechtliche Hintergrund

Seit 1. Januar 2002 existiert für alle in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung in Höhe von vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze West. Der Arbeitnehmer kann von seinem Arbeitgeber verlangen, Teile seines Bruttoentgelts in eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen umzuwandeln. Viele Arbeitnehmer, vor allem in kleinen Unternehmen, sind über diese rechtliche Möglichkeit nicht informiert.

Klage eines Arbeitnehmers auf Schadenersatz

Im Fall, den das BAG jetzt entschieden hat, hatte ein im Jahr 1964 geborener Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber auf Schadenersatz verklagt, weil er ihn nicht auf den Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung hingewiesen hatte.

 

Die Argumentation des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer war vom 2. Mai 2000 bis zum 30. Juni 2010 bei diesem Arbeitgeber beschäftigt gewesen. Seine damalige Frau hatte den Arbeitgeber mehrfach auf vermögenswirksame Leistungen und das Vorhandensein einer betrieblichen Altersversorgung angesprochen. Die Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen hatte der Arbeitgeber abgelehnt, auf die Frage nach der bAV ist er nicht eingegangen.

 

Hätte der Arbeitnehmer Kenntnis über den § 1a BetrAVG gehabt, hätte er - so behauptet er - monatlich 215 Euro in eine Direktversicherung umgewandelt. Anhand eines Versicherungsvorschlags mit Beginn 1. Januar 2010 dokumentierte er eine Kapitalleistung inklusive Überschüsse in Höhe von 47.801 Euro, heruntergerechnet auf seine tatsächliche Beschäftigungszeit in Höhe von 28.680 Euro. Unter Berücksichtigung von ersparten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sei ihm ein Schaden von 14.380,38 Euro entstanden. Er verlangte daher Schadenersatz in dieser Höhe zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

 

Die Gegenargumente des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber wehrte sich. Es bestünde keine Hinweispflicht für ihn gegenüber den Arbeitnehmern in Bezug auf § 1a BetrAVG. Der Arbeitnehmer habe sich ausschließlich nach einer arbeitgeberfinanzierten bAV erkundigt. Zudem wäre er wirtschaftlich gar nicht in der Lage gewesen, monatlich 215 Euro seines Bruttoentgelts in bAV umzuwandeln.

 

Nachdem der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg hatte, ging er beim BAG in Revision und kam wieder nicht durch (BAG, Urteil vom 21.1.2014, Az. 3 AZR 807/11; Abruf-Nr. 140276).

Keine Hinweispflichten des Arbeitgebers

Laut BAG hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Schadenersatz aus positiver Forderungsverletzung und aus § 241 Abs. 2 BGB mit § 280 Abs. 1 BGB.

 

  • Der Arbeitgeber hat keine Hinweispflichten verletzt. Diese ergeben sich weder aus § 1a BetrAVG noch aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht.
  • Er hat dem Arbeitnehmer auch keine unvollständigen oder fehlerhaften Auskünfte erteilt.

 

Kein Schadenersatz für die Zeit vor dem 1. Januar 2002

Zunächst ist die Klage insofern unbegründet, als der Arbeitnehmer auch Schadenersatz für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 verlangt, weil zu dieser Zeit der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung noch gar nicht existierte.

 

Für die Zeit danach besteht ebenfalls kein Schadenersatzanspruch. Es kommt ganz klar nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer den Schaden schlüssig darlegt oder ob er wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre, die unterstellten 215 Euro Entgeltumwandlung zu machen.

 

Keine Hinweispflichten aus Gesetzestext

Eine Hinweispflicht hat der Gesetzgeber in § 1a BetrAVG nicht verankert. Da an anderer Stelle (§ 4a BetrAVG) Hinweis- und Informationspflichten verankert sind (§ 2 Abs. 6 BetrAVG alter Fassung bzw. § 4a BetrAVG neuer Fassung), legt dies nahe, dass - hätte der Gesetzgeber eine Hinweispflicht im Zusammenhang mit dem § 1a BetrAVG gewünscht - er dies auch im § 1a BetrAVG geregelt hätte.

 

Der § 1a BetrAVG ist auch im Wortlaut eindeutig, als der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber „verlangen“ kann, Teile seines Entgelts in eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen umzuwandeln. Das heißt: Zunächst muss der Arbeitnehmer sein Verlangen kundtun, dann können den Arbeitgeber Informationspflichten treffen, etwa über den im Unternehmen bislang gewählten Durchführungsweg oder den Versorgungsträger.

 

Wichtig |Falsch ist es, aus der Tatsache, dass der Arbeitgeber den Versorgungsträger auswählen darf, schlusszufolgern, es bestünde eine Hinweispflicht des Arbeitgebers in Bezug auf den Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung.

 

Keine Hinweispflichten aus arbeitsvertraglichen Nebenpflichten

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gehalten, die mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Parteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Dies gilt auch für die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers.

 

Nach Aussage des BAG beschränken sich die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitgebers zwar nicht darauf, den Arbeitnehmern keine falschen und unvollständigen Auskünfte zu erteilen. Der Arbeitgeber kann zur Vermeidung von Rechtsnachteilen auch verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Allerdings hat grundsätzlich jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen und sich Klarheit über die Folgen ihres Handelns zu verschaffen. Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung. Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind stets zu beachten. Hierbei hängt das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie und dem Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Vorhersehbarkeit ab.

 

Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich laut BAG aus der Fürsorgepflicht grundsätzlich keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf seinen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung hinzuweisen.

 

  • Das BAG konnte im Hinblick auf den § 1a BetrAVG kein Kompetenz- und/oder Informationsgefälle feststellen, welches nach Treu und Glauben eine Aufklärung erwarten lassen könnte.

 

  • Die Regelung zum § 1a BetrAVG ist gleichermaßen für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer zugänglich und ohne weiteres verständlich. Dass im Öffentlichen Dienst gesteigerte Hinweis- und Informationspflichten hinsichtlich bestehender Zusatzversorgungsmöglichkeiten bestehen, beruht darauf, dass der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst im Allgemeinen über die bestehenden Versorgungssysteme nicht hinreichend unterrichtet ist, der Arbeitgeber jedoch über die nötigen Kenntnisse verfügt. Dies ist außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht so.

 

Keine unvollständigen oder fehlerhaften Informationen

Da die Parteien über Entgeltumwandlung nicht gesprochen hatten, kann der Arbeitgeber keine unvollständigen oder fehlerhaften Auskünfte gegeben haben. Schadenersatzansprüche aufgrund unvollständiger oder fehlerhafter Informationen bestehen also auch nicht.

 

Weiterführende Hinweise

  • Beitrag „Gestaltungselemente bei den Altersgrenzen einer arbeitgeberfinanzierten Altersversorgung“, WVM 6/2014, Seite 18
  • Beitrag „Die bAV beim Arbeitgeberwechsel: Neue Entwicklungen erfordern neue Überlegungen“, WMV 8/2013, Seite 19
Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 18 | ID 42768913