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· Fachbeitrag · Elementarschadenversicherung

Kein Versicherungsschutz bei hochwasser-bedingter Beschädigung eines Granitwehrs

von RiOLG a. D., RA Dr. Dirk Halbach, Köln

| Die hochwasserbedingte Beschädigung eines Granitwehrs innerhalb eines Flussbetts fällt nicht unter das Risiko der Überschwemmung im Sinne der Elementarschadenversicherung. Das hat das OLG Frankfurt am Main entschieden und dabei eine für Versicherungsmakler relevante Aussage zur Beratung getroffen, wenn eine gewerbliche Gebäudeversicherung um Elementarschadengefahren erweitert wird. |

VN erweitert Gebäudeversicherung um Elementarschaden

Der Versicherungsnehmer (VN) betreibt ein Wasserkraftwerk. Hierzu gehört ein Granitwehr, das im Flussbett steht. Es leitet einen Teil der Wassermassen zur Energiegewinnung zum Kraftwerk. Der VN ließ rückwirkend das Granitwehr in den gewerblichen Gebäudeversicherungsschutz des Kraftwerks einbeziehen, den die Versicherungsmaklerin vermittelt hatte. Zusätzlich erweiterte der VN den Versicherungsschutz um das Risiko der Elementarschadendeckung.

 

Mit Nachtrag zum Versicherungsschein einigte sich der VN mit dem Versicherer darauf, die Versicherungssumme auf 2 Mio. Euro zu erhöhen. Im Jahr 2011 wurde der Vertrag neu geordnet und den „Allgemeinen Bedingungen der Gewerbe Gebäude-Versicherung“ (ABXGG 2008) unterworfen. Darin hieß es zur Überschwemmung:

 

  • Begriff der „Überschwemmung“ in Ziffer 4.1.1 ABXGG 2008
  • a) Überschwemmung ist die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch
  • aa) Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern,
  • bb) Witterungsniederschläge,
  • cc) Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge von aa) oder bb).
 

Hochwasserbedingter Schaden am Granitwehr

Im Juni 2013 war der Fluss bei Hochwasser auf das 40-fache seiner normalen Menge angestiegen und beschädigte das Granitwehr. Durch die vielfach erhöhte Fließgeschwindigkeit und den damit erhöhten Druck brach die Krone des Granitwehrs teilweise weg. Der VN bezifferte den Instandsetzungsaufwand mit ca. 1,2 Mio. Euro und verlangte vom Versicherer Regulierung.

 

Der Versicherer lehnte dies ab. Es liege kein versicherter Überschwemmungsschaden vor. Das Wehr stehe bestimmungsgemäß dauerhaft im Wasser.

 

Das LG Frankfurt am Main hat die Klage des VN abgewiesen. Die geltend gemachten Schäden beruhten nicht auf einer Überschwemmung des versicherten Grundstücks, da die Schäden an dem Granitwehr innerhalb des Flussbetts eingetreten seien. Die Berufung des VN vor dem OLG hatte keinen Erfolg (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 01.11.2017, Az. 7 U 53/16, Abruf-Nr. 199709).

Hochwasser innerhalb Flussbetts ‒ keine Überschwemmung

Auch das OLG vertrat die Ansicht, dass die Hochwasserschäden an dem Granitwehr nicht unter das von der Elementarschadendeckung erfasste Risiko der „Überschwemmung“ fallen.

 

Bestimmung des Umfangs des Versicherungsschutzes

Der Umfang des Versicherungsschutzes sei durch Auslegung der AGB zu bestimmen. Maßstab sei, wie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs die Bedingungen verstehen müsse.

 

  • Ein durchschnittlicher VN wird nach dem Wortlaut des Begriffs Überschwemmung in Ziffer 4.1.1 ABXGG 2008 erkennen, dass der Versicherungsvertrag ihn nicht gegen jegliche durch Wasser verursachte Schäden am versicherten Gebäude absichert. Vielmehr soll der Versicherungsvertrag ihn nur vor den nachteiligen Auswirkungen elementarer Schadensereignisse schützen.

 

  • Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen VN liegt eine „Überschwemmung“ vor, wenn
    • das Wasser nicht auf normalem Weg abfließt, sondern auf sonst nicht in Anspruch genommenem Gelände in Erscheinung tritt und dieses überflutet;
    • eine normalerweise trocken liegende Bodenfläche des versicherten Grundstücks von erheblichen Wassermassen bedeckt wird.

 

Schaden ist auf erhöhte Fließgeschwindigkeit zurückzuführen

Der Schaden an dem im Flussbett stehenden Granitwehr ist infolge der durch das Hochwasser verursachten erhöhten Fließgeschwindigkeit und des damit einhergehenden höheren Wasserdrucks entstanden. Das Risiko „Überschwemmung“ hat sich also nicht realisiert.

 

Die Ansicht der Versicherungsmaklerin, dass eine Überschwemmung von Grund und Boden bereits vorliege, wenn sich die Wassermenge erheblich ändere, teilte das OLG nicht.

Folge für die Beratungspflicht des Versicherungsmaklers

Für den VN stand im Urteilsfall bei der Erweiterung des Versicherungsschutzes um Elementargefahren gerade der Hochwasserschutz im Vordergrund. Andere Ursachen für Schäden am Granitwehr waren so gut wie ausgeschlossen. Aufgabe der Versicherungsmaklerin wäre daher gewesen

  • zu prüfen, inwieweit das Elementarschadenrisiko sinnvollerweise versicherbar sei,
  • auf Deckungslücken nach den Vertragsbedingungen hinzuweisen und
  • die Intention des VN gegenüber dem Versicherer eindeutig zum Ausdruck zu bringen und für diesen hinreichend erkennbar zu machen.

 

PRAXISHINWEIS | Entscheidungen zum Hochwasserrisiko werden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Schützen Sie sich vor möglichen Regressforderungen Ihrer Maklerkunden, indem Sie Ihrer Beratungspflicht nachkommen. Ziehen Sie evtl. einen Spezialisten hinzu, um das Risiko zu bewerten.

 

Rechtsprechungsübersicht zu Überschwemmungsschäden

Das Urteil entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Überschwemmung. Nachfolgend eine Übersicht über (aktuelle) Urteile.

 

  • Rechtsprechungsübersicht: Überschwemmungsschaden
Sachverhalt
Überschwemmung
Entscheidung
Ja
Nein

Seewasser im Keller durch Pegelanstieg

Durch Niederschläge steigt das Wasser eines Sees und breitet sich auf einem Grundstück in einer Höhe von bis zu zwei Metern aus. Wegen der Hanglage erreichte der Wasserspiegel zwar nicht die Kelleraußenwand, es dringt jedoch Wasser zwischen Bodenplatte und Estrich in den Keller.

X

BGH, Urteil vom 20.04.2005, Az. IV ZR 252/03, Abruf-Nr. 051597

Regenwasser im Keller

Durch Regen sammelt sich Wasser auf dem gefliesten Absatz vor der Kelleraußentür. Dieses dringt mit dort liegenden schmelzenden Schneeresten durch die Kelleraußentür in das Hausinnere ein und verursacht Schäden an Mauerwerk und Türstöcken.

X

LG Nürnberg-Fürth,

Urteil vom 26.07.2012,

Az. 8 O 9839/10, Abruf-Nr. 123171

Schaden am Granitwehr in Flussbett

Granitwehr steht dauerhaft in Flussbett. Schaden an dem Wehr innerhalb des Flussbetts eingetreten.

X

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 01.11.2017, Az. 7 U 53/16, Abruf-Nr. 199709

Hochwasserschäden durch Einsturz einer Befestigungsmauer

Durch die starke Hochwasser-Strömung im Bachbett stürzt eine Uferbefestigungsmauer ein.

X

OLG Bamberg, Urteil vom 11.03.2013,Az. 1 U 161/12, Abruf-Nr. 200662

Niederschlagwasser in einem Lichtschacht

Eine unzureichende Entwässerung führt zu einem Aufstauen von Niederschlagswasser in einem Lichtschacht.

X

OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.09.2011, Az. 12 U 92/11, Abruf-Nr. 113513

Schnee-Tauwasser auf Gebäudedach

Aus dem Schnee auf dem Dach wird Tauwasser, das in das Gebäude eindringt und dort Schäden verursacht.

X

LG Dortmund, Urteil vom 04.07.2012, Az. 2 O 452/11, Abruf-Nr. 122769

 
Quelle: Ausgabe 05 / 2018 | Seite 16 | ID 45185218