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· Fachbeitrag · Maklerwechsel

Muss ein Versicherer dem bisherigen Makler bei Maklerwechsel Gegenmaßnahmen ermöglichen?

| Muss ein Versicherer dem bisherigen Makler bei einem Maklerwechsel Gegenmaßnahmen ermöglichen, um wechselwillige Kunden zu halten bzw. zurückzugewinnen? WVM beantwortet diese Frage. |

 

Frage: Einer unserer Kunden beauftragte einen anderen Makler. Der Kunde hat aber weder das Maklermandat mit uns gekündigt noch die Maklervollmacht widerrufen noch uns über den Wechsel informiert. Der Underwriter des Versicherers teilte uns noch im Januar 2020 mit, dass die beiden einjährigen Versicherungsverträge des Kunden unverändert fortgeführt würden.

 

Später erfuhren wir, dass der neue Makler sein Mandat beim „falschen“ Versicherer (beides fast namensgleiche Unternehmen beim selben Konzern) angezeigt hatte, weswegen der Underwriter vom neuen Makler zunächst nichts wusste. Im März 2020 erhielten wir vom (richtigen) Versicherer die Information, dass die beiden Versicherungsverträge am 18.02.2020 rückwirkend per 31.12.2019 aufgehoben worden sind. Da dies ohne Rücksprache mit uns erfolgte, konnten wir keine Gegenmaßnahmen einleiten. Haben wir nun Anspruch auf Courtage für 2020 bzw. Schadenersatz gegen den Versicherer?

 

Antwort: Sie haben keinen Anspruch auf Courtage für 2020 bzw. Schadenersatz. Denn der Makler steht nicht im Lager des Versicherers. Der Versicherer ist nicht verpflichtet, dem Makler Gegenmaßnahmen zu ermöglichen, um den Kunden bei einem von ihm selbst gewünschten Maklerwechsel halten bzw. zurückgewinnen zu können. Insofern gelten die einschlägigen Regelungen im HGB zur Stornogefahrmitteilung bzw. Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge in Bezug auf einen Versicherungsvertreter nicht auch für Versicherungsmakler. Besondere Umstände, die ausnahmsweise etwas anderes zur Folge hätten, sind vorliegend nicht gegeben.

HGB-Normen für Vertreter nicht auf Makler anwendbar

Wird ein Versicherungsvertrag, den ein Versicherungsvertreter vermittelt hat, notleidend, weil die Gefahr einer Stornierung durch den Kunden besteht, oder der Einzug der Versicherungsprämien scheitert oder zu scheitern droht, muss der Versicherer „Maßnahmen zur Stornogefahrabwehr“ ergreifen. Der Versicherer kann eigene Maßnahmen durchführen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter mit Hilfe einer Stornogefahrmitteilung die Möglichkeit zu geben, den Vertrag nachzubearbeiten und dadurch selbst zu „retten“ (BGH, Urteil vom 28.06.2012, Az. VII ZR 130/11, Abruf-Nr. 122324).

 

Dieser Grundsatz, der sich auf § 87a Abs. 3, § 92 Abs. 2 HGB stützt, findet im Maklerrecht jedoch keine unmittelbare Anwendung. Diese Schutznormen können daher nicht ohne Weiteres/analog von einem Versicherungsmakler eingefordert werden. Denn der Versicherungsmakler ist in Bezug auf seine ihn beauftragenden Kunden lt. ständiger Rechtsprechung deren Bundesgenosse und Sachwalter. Daher ist der Makler von Seiten des Gesetzgebers nicht ebenso schutzwürdig wie ein Versicherungsvertreter, der aufgrund eines Auftragsverhältnisses für seinen Versicherer tätig wird.

 

PRAXISTIPP | Der vom BGH aufgestellte Grundsatz zur Stornogefahrmitteilung und Nachbearbeitung gemäß § 87a Abs. 3, § 92 Abs. 2 HGB gilt jedoch im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen Makler und seinem/seinen Untervertreter/n.

 

Ausnahme: Stornogefahrmitteilungen an Makler im Einzelfall

Der BGH bejaht nur im konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht des Versicherers, notleidende Verträge nachzubearbeiten und Stornogefahrmitteilungen zu versenden: Wenn der Makler in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein Vertreter ist (BGH, Urteil vom 01.12.2010, Az. VIII ZR 310/09, Abruf-Nr. 110310). Dafür sprechen vor allem

  • laufend gezahlte Courtagevorschüsse,
  • die Einbindung in die Organisationsstruktur des Versicherers und
  • die Zahlung eines Organisationszuschusses sowie eines Bestandspflegegelds.

 

Bereits das OLG Hamm stellte auf die Geschäftsbeziehung des Versicherers und des Maklers ab: Ist der Makler in die Außenorganisation ähnlich eingebunden wie die abhängigen Vermittler (OLG Hamm, Urteil vom 21.01.1999, Az. 18 U 109/98, Abruf-Nr. 99447), kommt die analoge Anwendung des § 87a Abs. 3 HGB in Betracht. Insbesondere dann, wenn

  • der Versicherer für den Makler ein Agenturkonto führt,
  • der Versicherer und der Makler in einer regelmäßigen und nicht nur gelegentlichen Geschäftsbeziehung stehen,
  • der Makler vorschüssig Courtagen erhält und
  • die Courtagezahlungen des Versicherers einen wesentlichen Anteil an den Courtageeinkünften des Maklers ausmachen.

 

Auch eine an Treu und Glauben orientierte Auslegung der Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsmakler kann im Ausnahmefall eine Pflicht des Versicherers zu Stornogefahrmitteilungen begründen (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 18.04.1997, Az. 24 U 115/95, Abruf-Nr. 99424).

 

PRAXISTIPP | Sind Sie ‒ ähnlich einem Versicherungsvertreter ‒ in die Organisationsstruktur des Versicherers eingebunden, können Sie als Makler einen Anspruch auf Stornogefahrmitteilungen haben. Auch aus den vertraglichen Regelungen ‒ etwa in seiner Courtag-Vereinbarung ‒ kann sich ergeben, dass der Versicherer eine Pflicht Ihnen gegenüber zur Stornogefahrmitteilung hat, um Ihnen im Falle eines Maklerwechsels die Nachbearbeitung zu ermöglichen.

 

Maklerusancen bei einem einjährigen Versicherungsvertrag

Bei den beiden in Rede stehenden Versicherungsverträgen handelt es sich um einjährige Verträge. Hinsichtlich der Maklerusancen ist diesbezüglich Folgendes zu beachten:

 

  • Die Vorlage der aktuellen Vollmacht beim Versicherer wirkt wie eine Änderungskündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt, sprich zum Ablauf des Versicherungsvertrags. Da der neue Makler mit seiner Vollmacht den Versicherungsvertrag auch hätte kündigen und umdecken können, regeln die Maklerusancen, wie mit dem Courtageanspruch bei Fortbestehen des Versicherungsvertrags verfahren werden soll.

 

  • Wird der Maklerwechsel vom neuen Makler bei einem einjährigen Versicherungsvertrag beim Versicherer erst nach dem 30.09. angezeigt, also z. B. zwischen dem 01.10. und dem 31.12., so behält der „abgebende“ Versicherungsmakler den Courtageanspruch auch ab der Fälligkeit 01.01. für den gesamten Jahresbeitrag. Der Courtageanspruch geht erst ein Jahr später auf den neuen Makler über, weil er mit seiner Vollmacht den Vertrag zum 01.01. nicht hätte kündigen können.

 

Zurück zu Ihrem Fall: Hier hat der neue Makler den Maklerwechsel beim falschen Versicherer angezeigt. Daher erlangte der richtige Versicherer erst nach dem 30.09. Kenntnis vom Maklerwechsel. Da beide Versicherer eigenständige Rechtssubjekte sind, kann der angezeigte Maklerwechsel beim falschen Versicherer keine (heilende) Rechtswirkung in Bezug auf den richtigen Versicherer entfalten. Daraus folgt für Sie als bisherigen Makler, dass das Versehen des neuen Maklers nicht zu Ihren Lasten geht. Allerdings kommt es auf diesen Umstand vorliegend insgesamt nicht an, wenn ‒ wie üblicherweise ‒ der Schicksalsteilungsgrundsatz Anwendung findet.

Schicksalsteilungsgrundsatz der Courtage

Sofern keine anderslautenden speziellen Regelungen in der Courtagevereinbarung enthalten sind, wird in der Regel auf den Schicksalsteilungsgrundsatz Bezug genommen. Mit der Zahlung der Prämie durch den Versicherungsnehmer ist die Courtage (ggf. anteilig) verdient. Der Schicksalsteilungsgrundsatz gilt im Guten wie im Bösen: Zahlt der Versicherungsnehmer die Prämie nicht, so fällt der eigentlich aufschiebend bedingt entstandene Courtageanspruch auflösend bedingt wieder weg. Folglich ist die vorschüssig empfangene Courtage zurückzuzahlen. Dasselbe gilt, wenn der Versicherungsvertrag nichtig ist oder ‒ wie hier ‒ rückwirkend aufgehoben wird.

 

Der Courtageanspruch bleibt nur bestehen, wenn Kunde und Versicherer arglistig zusammengewirkt und gegen Treu und Glauben die Entstehung des Prämienanspruchs verhindert haben. In diesem Fall können beide den Courtageanspruch des Versicherungsmaklers aufgrund des Aufhebungsvertrags nicht vereiteln. Das arglistige Zusammenwirken bzw. die treuwidrige Courtagevereitelung muss allerdings der Makler beweisen. Ein solcher Beweis dürfte für ihn jedoch nur schwer zu erbringen sein.

 

Weiterführende Hinweise

  • Sonderausgabe „Courtage: Die wichtigsten Regeln im Umgang mit der Maklercourtage“ auf wvm.iww.de → Abruf-Nr. 39325510
  • Beitrag „Was geschieht mit der laufenden Courtage nach den Maklerusancen bei einem Maklerwechsel?“, WVM 8/2019, Seite 5 → Abruf-Nr. 45900333; Beitrag „Rückzahlung von Courtage nach Widerspruch eines Lebensversicherungsvertrags?“, WVM 3/2020, Seite 5 → Abruf-Nr. 46290734
Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 5 | ID 46900262