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· Fachbeitrag · Mietrecht

Eigenbedarf für Pflegeperson muss konkret begründet werden

| Vermieter können Mieter wegen Eigenbedarfs kündigen, um ihre im gleichen Haus lebenden Eltern zu pflegen. Aber sie müssen genau erklären, warum sie wirklich im gleichen Haus bei den zu Pflegenden leben und welche Hilfsleistungen erbracht werden müssen, so das AG Recklinghausen. |

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte die EG-Wohnung an ihre Eltern vermietet. Der Vater war 92 Jahre, die Mutter 78 Jahre alt. Die DG-Wohnung im gleichen Haus war an die Beklagten vermietet. Um ihre Eltern intensiver betreuen zu können, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31.8.15. Die Beklagten widersprachen der Kündigung, sodass die Klägerin Klage erhob. Dem AG Recklinghausen war der geltend gemachte Eigenbedarf nicht hinreichend genug begründet und es wies die Klage ab (3.2.16, 12 C 299/15, Abruf-Nr. 188999).

 

Entscheidungsgründe

Selbst wenn der Vater der Klägerin allgemein Hilfe benötigt, erfordert dies nicht, dass die Klägerin selbst in die begehrte Wohnung einzieht. Vor allem nicht, wenn sie erklärt, dass ihre Mutter täglich den Vater versorge und für ihn koche und damit bereits Unterstützung vorhanden ist. Auch Pflegedienste oder das Angebot Essen auf Rädern wurden bisher nicht genutzt.

 

Vor allem fehlte es bei der Klägerin an einem notwendigen konkreten Inter-esse, die Wohnung baldmöglichst selbst zu nutzen. Dies fordert aber der BGH. Die Klägerin gab an, sie müsse einziehen, weil ihre Mutter ausfallen oder ins Krankenhaus kommen könne und ihr Vater dann versorgt werden müsste. Anhaltspunkte dafür, dass dies absehbar eintreten könnten, nannte sie nicht. Eine „Vorratskündigung“ für mögliche Geschehnisse ist jedoch nicht zulässig. Der eingereichte Arztbericht sprach nur allgemein von einer notwendigen Anpassung der häuslichen Umgebung an die Erkrankungen der Eltern.

 

Relevanz für die Praxis

Ein pflegender Vermieter muss folgende Punkte beachten, wenn er wegen Eigenbedarfs kündigen will:

  • Er muss begründen, warum er im selben Haus wohnen muss. Vor allem, wenn er schon nahe oder zumindest in derselben Stadt wohnt.
  • Darlegen, welche Hilfsleistungen er in welchem Umfang erbringt und
  • den Mieter informieren, wenn schon zu Beginn des Mietverhältnisses ein Eigenbedarf absehbar ist. Ihn trifft insoweit eine Aufklärungspflicht.

 

PRAXISHINWEIS | Zu Beweiszwecken sollte der Vermieter auf den möglichen Eigenbedarf und seine Gründe bereits im Mietvertrag aufmerksam machen bzw. sich vom Mieter schriftlich bestätigen lassen, dass er informiert ist.

 

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht (noch) keine Eigenbedarfskündigung rechtfertigt (23.9.15, VIII ZR 297/14). Dass heißt, der Eigenbedarf muss bereits vorliegen bzw. absehbar bevorstehen. Außerdem ist bereits im Kündigungsschreiben der Grund für den Eigenbedarf sowie die Person anzugeben, für die die Wohnung benötigt wird.

 

PRAXISHINWEIS | Es empfiehlt sich die Angaben zur Pflegebedürftigkeit mit Attesten oder Arztberichten zu untermauern. Aus diesen sollte genau und verständlich hervorgehen, warum die Person, für die der Eigenbedarf geltend gemacht wird, im gleichen Haus ständig anwesend sein muss oder warum dies medizinisch empfehlenswert ist.

 

Was die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 573c Abs. 1 BGB betrifft: Diese bleiben unverändert gültig, wenn wegen Eigenbedarfs gekündigt wird. Und zwar auch, wenn der Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses über den zukünftig möglichen Eigenbedarf informiert wurde.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Pflegegeld bei „Großelternpflege“: Kürzung kann zulässig sein, SR 16, 93
  • So können Sie anfallende Heimkosten rechtfertigen, SR 16, 125
  • Mandanten bei Umbaumaßnahmen richtig beraten, SR 14, 166
Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 169 | ID 44246663