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· Fachbeitrag · Verjährung

Wichtige (Verjährungs-)Fristen im Pflichtteilsrecht

von RA Ernst Sarres, FA Erbrecht und Familienrecht, Düsseldorf

| Mit der Erbrechtsreform zum 1.1.2010 haben sich erbrechtliche Verjährungsfristen geändert. Für das Pflichtteilsrecht gilt die neue dreijährige Regelverjährung. Der Beitrag gibt einen Überblick zu wichtigen Verjährungsregeln im Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsrecht. |

1. Verjährung des Pflichtteilsanspruchs

Der ordentliche Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303, 2311 BGB entsteht mit dem Erbfall, da gem. dem Stichtagsprinzip das beim Erbfall (Todestag) vorhandene reale Nachlassvermögen die Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch darstellt. Der Anspruch verjährt nach § 195, § 199 Abs. 1 BGB.

 

  • Beispiel 1: Eindeutige Verjährungsbestimmung

Erblasser (E) stirbt am 10.2.05. Er wird von seiner Frau (F) beerbt. Sohn (S) hat bis zum Tod des E bei seinen Eltern gelebt und den E gepflegt. Das notarielle Testament des E vom 20.12.14 ist dem S bekannt.

 

Lösung: Hier sind sämtliche objektiven und subjektiven Merkmale des § 199 BGB bekannt: Der Erbfall ist am 10.2.05 eingetreten. Der wesentliche Inhalt der Verfügung vom 20.12.14, mit der S enterbt wurde, ist ihm bekannt. S weiß, dass F als Alleinerbin seine potenzielle Anspruchsgegnerin ist. Gem. § 199 BGB beginnt die Verjährungsfrist hier am 31.12.15 und endet zum 31.12.2018.

 
  • Beispiel 2: Schwierige Verjährungsbestimmung

Der 95-jährige Erblasser (E) hat seine Tochter (T) durch privatschriftliches Testament enterbt und deren Schwester (S) zur Alleinerbin eingesetzt. Nach dem Erbfall am 20.10.11 zweifelt T wegen bestimmter Formulierungen im Testament an der Testierfähigkeit von E. Nach mehreren Gutachten zur Testierfähigkeit von E und nach Zeugenvernehmungen entscheidet das AG im Januar 15, dass E testierfähig war und damit das Testament wirksam ist.

 

Lösung: T hatte erst im Januar 15 endgültig Gewissheit, dass das Testament des E wirksam ist, sodass T gem. § 199 BGB erst zu diesem Zeitpunkt die maßgebliche Kenntnis vom notwendigen Inhalt der Verfügung des E erhielt. Die am 31.12.2015 begonnene dreijährige Verjährungsfrist läuft demnach erst am 31.12 2018 ab (zur Kenntnis vom Verfügungsinhalt und Verjährungsfrist (OLG Schleswig ZEV 15, 707).

 

2. Verjährung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch

Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB richten sich die Voraussetzungen der dreijährigen Verjährung ebenfalls nach § 195, § 199 Abs. 1 BGB. Neben der Kenntnis von Erbfall, enterbende Verfügung und vom Anspruchsgegner ist erforderlich, dass der Ergänzungsberechtigte auch von der nachlasskürzenden Schenkung Kenntnis hat (vgl. z. B. BGHZ 103, 333 = FamRZ 88, 716; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2325 Rn. 6). Folge: Schenkungen begründen zu verschiedenen Zeitpunkten Pflichtteilsergänzungsansprüche mit unterschiedlichen Einsatzzeitpunkten und Verjährungsverläufen. Zwingende Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus § 2325 BGB ist im Zweifel immer, dass der Anspruchsteller den Zeitpunkt der nachlassmindernden Schenkung des Erblassers gem. § 516 BGB kennt (Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2317 Rn. 11; ders. § 2325 Rn. 6).

3. Verjährung von Ansprüchen nach § 2329 BGB

Der Ergänzungsberechtigte muss sich an den Beschenkten halten, wenn der Erbe als Schuldner nicht mehr in Betracht kommt („Ausfallhaftung“). Bei diesem Fall im Anspruchsverhältnis Erbe-Beschenkter regelt sich die Verjährung nach § 2332 Abs. 1 BGB. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit dem Erbfall. Der Erbe muss keine Kenntnis davon haben, dass die Verjährung beginnt.

4. Verjährung bei Auskunft und Wertermittlung

Die Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung nach § 2314 BGB unterliegen seit 2010 der Regelverjährung nach § 195, § 199 Abs. 1 BGB. Auch hier beginnt die dreijährige Verjährung am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

5. Späte Kenntnis von weiterem Nachlass

Der BGH hat entschieden, dass es für die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs unerheblich ist, welche Vorstellungen der Berechtigte vom Nachlass hat:

 

A ist Alleinerbin ihres im Februar 03 verstorbenen Vaters (E). Sie wird verurteilt, an ihre Schwester (B) einen Pflichtteilsbetrag zu zahlen. 2009 wurde bekannt, dass der E vor 1978 einen Betrag aus einer Grundstücksveräußerung an A gezahlt hatte. Hieraus fordert B ihre Pflichtteilsquote. A wendet Verjährung ein. Zu Recht?

 

Lösung: Der Pflichtteilsanspruch ist verjährt. Es kommt nicht auf die Vorstellung der B über den beim Erbfall vorhandenen Nachlass und seinen Wert an. Mögliche Fehlvorstellungen und Irrtümer des Pflichtteilsberechtigten über die gegenständliche Zusammensetzung des Nachlasses sowie den Wert der einzelnen Nachlassgegenstände spielen für den Verjährungsbeginn keine Rolle.

Dagegen spricht auch das Stichtagsprinzip in § 2311 Abs. 1 BGB. Hiernach werden der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt, um den Pflichtteil zu berechnen. Daraus folgt, dass nachträgliche Änderungen der Berechnungsgrundlagen die Höhe der Pflichtteilsleistung nicht beeinflussen.

 

PRAXISHINWEIS | Die Verjährungsfrist kann durch Klage gehemmt werden, § 204 BGB. Aber: Isolierte Klagen auf Auskunft und Wertermittlung hemmen die Verjährung nicht, sondern nur eine Leistungs-, Stufen- oder Widerklage.

 
Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 91 | ID 44032654