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· Fachbeitrag · Erbrecht

Stichtag 17.8.15: Das europäische Nachlasszeugnis

| In wenigen Wochen wird das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) eingeführt (Art. 62-73 EU-ErbVO). Es ist anwendbar auf Todesfälle, die ab dem 17.8.15 eintreten. Nachstehend werden wichtige Grundzüge dargestellt sowie die Bedeutung der Wahlmöglichkeit des anzuwendenden Erbrechts erklärt, das für ältere Mandanten sehr wichtig ist. |

1. Was ist das ENZ?

Das ENZ (European Certificate of Succession, ECS) ist ein im EU-weiten Rechtsverkehr anerkannter, verbindlicher Rechtsnachweis und wird erteilt, damit Erben ihre Rechtsstellung in anderen EU-Ländern nachweisen können. Das ENZ wird in 25 EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Lediglich das Vereinigte Königreich, Dänemark und Irland sind ausgenommen. Es ist sechs Monate gültig, kann jedoch verlängert werden.

 

PRAXISHINWEIS | Das ENZ verdrängt oder ersetzt nicht den deutschen Erbschein. In allen Erbfällen ohne Auslandsbezug, also wenn ein deutscher Erblasser in Deutschland lebt und sich auch sein Nachlass vollständig dort befindet, genügt der Erbschein und dessen unveränderte rechtliche Funktion zur Legitimation der Erben. Erbschein und ENZ können aber auch parallel gemeinsam beantragt werden.

 

2. Die wesentlichen Erleichterungen

Die EU-ErbVO harmonisiert das Kollisionsrecht, also die verbindliche Bestimmung, welches nationale Erbrecht in einem internationalen Erbfall Anwendung findet. Zuvor konnte ein Erbfall schwierig gelagert und Erben gezwungen sein, in jeweils verschiedenen Ländern Erbscheine zu beantragen bzw. eine sogenannte Nachlassspaltung zu berücksichtigen. Diese Nachlassspaltung führte dazu, dass unterschiedliche Erbrechtsregelungen galten (z.B. für Grundbesitz das Recht des Landes, in dem das Grundstück liegt, während für vererbtes Vermögen das Recht des Landes mit dem Wohnsitz des Erblassers).

 

Das ENZ gilt für den gesamten Nachlass, auch wenn dieser sich anteilig in verschiedenen EU-Ländern befindet. Es kann nicht auf bestimmte Teile des Nachlasses beschränkt werden. In Deutschland werden Erben das Zeugnis über das Nachlassgericht oder durch einen Notar beantragen können.

 

PRAXISHINWEIS | Ab dem 17.8.15 richtet sich die Erbfolge nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers (Art. 21 EU-ErbVO). Verstirbt ein deutscher Staatsangehöriger nach mehrjährigem Aufenthalt in Spanien, so ist auf den Erbfall spanisches Recht anzuwenden. Jedoch hat der Erblasser ein Wahlrecht, um das im Todesfall geltende Recht selbst zu bestimmen.

 

3. Anwendung deutschen Rechts sicherstellen

Menschen die im Ausland leben oder dort gepflegt werden, gehen oft davon aus, dass im Fall ihres Todes auch deutsches Erbrecht gilt. Haben Ihre Mandanten bereits ein Testament oder einen notariellen Erbvertrag errichtet, sind diese inhaltlich zu prüfen, ob der Erblasser die Anwendung deutschen Rechts wünscht (Wahl des Erbstatuts, Art. 22 EU-ErbVO). Diese Frage ist vor allem bedeutsam, wenn Mandanten Ihnen gegenüber signalisieren, dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum in einem anderen EU-Land leben zu wollen. Bestehende Verfügungen sind dann hinsichtlich des Wahlrechts anzupassen. Wichtig ist dabei auch zu prüfen, wie das nationale Erbrecht des EU-Landes ausgestaltet ist, in dem die Mandanten leben wollen und welche ggf. unerwünschten Folgen hieraus resultieren können.

 

Auf dem Erbrechtsportal des europäischen Notariats (www.successions-europe.eu) ist ein Überblick über das nationale Erbrecht von jeweils 27 EU-Mitgliedstaaten auch in Deutsch einzusehen.

 

 

 

PRAXISHINWEIS | Das Kollisionsrecht ist EU-weit gerade im Bereich des Güter- und Personenstandsrechts noch nicht harmonisiert. Die Existenz einer Ehe oder einer Lebenspartnerschaft kann in einem anderen Staat anders beurteilt werden. Dies kann enorme Auswirkungen auf Erbquote und/oder Pflichtteilsrechte haben. In Deutschland stellt sich zudem das Problem des pauschalierten Zugewinnausgleichs im Todesfall eines in Zugewinngemeinschaft verheirateten Ehegatten gem. § 1371 BGB. Es kann zu unterschiedlichen Erbquoten in Abhängigkeit der jeweiligen internationalen Zuständigkeit zur Nachlassabwicklung und auch im Rahmen der Erteilung des ENZ kommen.

Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 103 | ID 43422104