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· Fachbeitrag · Eltern im Heim

Ehegatte muss auch Taschengeld für den Elternunterhalt einsetzen

von RA Michael Thoennissen, Waltrop

| Grundsätzlich ist das Taschengeld eines Ehegatten für den Elternunterhalt einsetzbar. Ausgenommen davon ist ein Betrag von fünf bis sieben Prozent des Mindestselbstbehalts des Unterhaltspflichtigen. Darüber hinaus muss dem Unterhaltspflichtigen in etwa die Hälfte des darüberhinausgehenden Taschengelds verbleiben. Der folgende Beitrag zeigt, wie nach den neuen Grundsätzen des BGH der für den Elternunterhalt einzusetzende Taschengeldbetrag richtig ermittelt wird. |

1. Der Fall des BGH 12.12.12, XII ZR 43/11

Die Mutter der Ehefrau lebt in einem Pflegeheim. Da sie die Kosten des Heims lediglich teilweise aufbringen kann, erhält sie Sozialhilfe. Die Ehefrau ist nicht erwerbstätig. Sie bewohnt mit ihrem berufstätigen Ehemann eine lastenfreie Eigentumswohnung. Das Sozialamt vertritt die Auffassung, die Ehefrau sei aufgrund des ihr gegen ihren Ehemann zustehenden Taschengeldanspruchs in der geforderten Höhe leistungsfähig. Die Ehefrau ist dagegen der Auffassung, dass ihr das Taschengeld zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse verbleiben müsse. Das AG hat der Klage weit überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Ehefrau hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert. Auf die Revision und Anschlussrevision hat der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen (12.12.12, XII ZR 43/11, Abruf-Nr. 130308).

 

Für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit hatte das OLG die Berechnungsweise zugrundegelegt, die der BGH bei einer Fallgestaltung für sachgerecht hält, bei der der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte verfügt als sein Ehegatte (BGH 28.7.10, XII ZR 140/07, Abruf-Nr. 102782).

 

MERKE | Der Selbstbehalt beim Elternunterhalt beträgt seit dem 1.1.13 für den

  • Unterhaltspflichtigen 1.600 EUR und den
  • Ehepartner 1.280 EUR.
 
  • Unterhaltspflichtiger hat höheres Einkommen als Ehegatte

Einkommen des Unterhaltspflichtigen

3.000 EUR

Einkommen des Ehepartners

1.000 EUR

Familieneinkommen

4.000 EUR

abzüglich Familienselbstbehalt

2.880 EUR

(1600 EUR +1280 EUR)

1.120 EUR

abzüglich zehn Prozent Haushaltsersparnis

112 EUR

1.008 EUR

davon ½

504 EUR

+ Familienselbstbehalt

2.880 EUR

Individueller Familienbedarf

3.384 EUR

(zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen.)

Anteil des Unterhaltspflichtigen entsprechend 
seinem Anteil am Familieneinkommen (75 Prozent)

2.538 EUR

Einkommen des Unterhaltspflichtigen

3.000 EUR

Differenz für den Elternunterhalt einsetzbar

462 EUR

 

Ob diese Berechnungsmethode auch anzuwenden ist, wenn der Unterhaltspflichtige über geringere Einkünfte als sein Ehepartner verfügt, hat der BGH in dieser Entscheidung offen gelassen. Nach wohl h.M. in der Literatur lassen sich auch in dieser Konstellation sachgerechte und angemessene Ergebnisse erzielen. Die Ehefrau erzielt indessen kein Einkommen, das auf Familienunterhalt einerseits und Elternunterhalt andererseits aufgeteilt werden könnte. Ihr steht lediglich Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB gegenüber ihrem verdienenden Ehemann zu. Dieser Anspruch ist im Übrigen in der Regel nicht auf Gewährung einer Geldrente gerichtet.

 

Zutreffend geht das OLG davon aus, dass Taschengeld als Bestandteil des Familienunterhalts für Unterhaltszwecke in Betracht kommt. Das gilt auch für Elternunterhalt. In der Rechtsprechung wird in der Regel fünf bis sieben Prozent des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens veranschlagt.

 

Hinsichtlich der konkreten Berechnung gab es in diesem Fall eine Besonderheit. Das OLG hat einkommensmindernd berücksichtigt, dass der Ehemann als zusätzliche Altersvorsorge monatlich 400 EUR zur Seite legt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass ein Unterhaltspflichtiger Altersvorsorge betreiben darf. Insoweit werden fünf Prozent des Bruttojahreseinkommens anerkannt. Der BGH weist jedoch zu Recht darauf hin, dass eine solche Fallgestaltung hier nicht vorliegt, da der Ehemann nicht der Mutter der Beklagten unterhaltspflichtig ist, sondern seiner Ehefrau im Rahmen des Familienunterhalts. Die in diesem Rechtsverhältnis maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse richten sich nach den für die allgemeine Lebensführung verfügbaren Einkünfte der Ehegatten. Angemessene Beträge für die Vermögensbildung dienen nicht mehr der Befriedigung der laufenden Lebensbedürfnisse und sind damit grundsätzlich der Unterhaltsbemessung entzogen. Bei einem bereinigten Nettoeinkommen von über 3.000 EUR im konkreten Fall sind Beträge in Höhe von 400 EUR monatlich für die Altersvorsorge angemessen und bleiben demgemäß für die Unterhaltsbemessung außer Betracht.

 

Im Ergebnis ging das OLG davon aus, die Beklagte könne aus dem ihr zur Verfügung stehenden Einkommen aus Familienunterhalt, Wohnvorteil und Taschengeld den Unterhalt unter Beachtung des Selbstbehalts von damals 1.400 EUR aufbringen.

2. Neue Berechnungsmethode des BGH

Nach dem BGH begegnet diese Annahme bereits deshalb Bedenken, weil das Taschengeld dem Familienunterhalt hinzugerechnet worden, aber als Bestandteil des Familienunterhalts in diesem enthalten ist. Konkret blieben der Ehefrau nur sechs EUR mehr als der Selbstbehalt. Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB findet die Verpflichtung zur Zahlung von Verwandtenunterhalt ihre Grenze dort, wo der Unterhaltspflichtige bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt des Berechtigten zu leisten. Dieser Betrag ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse zu ermitteln, die bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt vorliegen. Der Senat hat es grundsätzlich gebilligt, wenn bei der Ermittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden Einkommens allein auf einen - etwa hälftigen - Anteil des Betrags abgestellt wird, der den an sich vorgesehenen Mindestselbstbehalt übersteigt. Die Angemessenheit hängt jedoch auch von der konkreten Vermögenssituation ab.

 

PRAXISHINWEIS |  

Für die Berechnung der Leistungsfähigkeit im Rahmen des Elternunterhalts sind folgende Erwägungen zu beachten:

  • Zunächst ist darauf zu achten, dass die Fünf-Prozent-Grenze für Altersvorsorge nur für den Unterhaltspflichtigen selbst gilt. In Bezug auf den Ehepartner ist im Rahmen der Berechnung des Familienunterhalts ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend ist der Lebensstandard, der nach dem Einkommen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus angemessen erscheint. Im Einzelfall kann es also angemessen sein, dass ein Ehepartner mehr als fünf Prozent seines Jahresnettoeinkommens für die Altersvorsorge zur Seite legt.
  • Im Übrigen macht der BGH deutlich, dass im Rahmen der Berechnung des Elternunterhalts Angemessenheitsvoraussetzungen zu berücksichtigen sind:
    • Der Unterhaltspflichtige muss nur die Hälfte des den Mindestselbstbehalt übersteigenden Einkommens für den Elternunterhalt einsetzen.
    • Wenn wie hier im Fall das Einkommen lediglich aus Taschengeld besteht, muss dem Pflichtigen die Hälfte des den Sockelbetrag als Mindesttaschengeld übersteigenden Taschengeldes verbleiben.

Daraus folgt eine neue Berechnungsmethode beim Elternunterhalt für die Konstellation, in der das unterhaltspflichtige Kind über kein eigenes Einkommen verfügt, jedoch Ansprüche auf Familienunterhalt gegenüber dem Ehepartner hat:

 
  • Unterhaltspflichtiger Ehegatte hat kein eigenes Einkommen

bereinigtes Einkommen des Ehepartners

5.000 EUR

davon ½

2.500 EUR

(Familienunterhalt, Halbteilungsgrundsatz)

Fünf Prozent Taschengeld

125 EUR

abzüglich Sockelbetrag Taschengeld

80 EUR

(Fünf Prozent von 1600 EUR)

Differenz

45 EUR

Nach BGH die Hälfte für den Elternunterhalt einsetzbar

22,50 EUR

Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 3 | ID 42334404