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· Fachbeitrag · Generalvollmacht

Bei Auftragsrecht besteht Rechnungslegungspflicht

von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

| Oft streiten die Erben mit einem Bevollmächtigten um die Rechnungslegung. Hat der Erblasser den Bevollmächtigten mit einer „Generalvollmacht und Patientenverfügung“ ausgestattet, nach der ausdrücklich das Auftragsrecht gilt, liegt ein Auftragsverhältnis vor. Folge ist für das OLG München: Es besteht ein Auskunftsanspruch, selbst wenn der Bevollmächtigte Miterbe ist. |

Sachverhalt

Die 2015 verstorbene Erblasserin (E) erteilte dem Beklagten (B) eine notarielle Generalvollmacht, die u. a. Folgendes regelt: „Die Vollmacht und das ihr zugrunde liegende Rechtsverhältnis (Grundverhältnis) sollen mit meinem Ableben nicht erlöschen. (...) Das Grundverhältnis richtet sich nach den Auftragsvorschriften. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist der B befreit.“ Zudem erteilte die E dem B eine Kontovollmacht für ein Konto bei der B. Bank. Die E hatte zudem ein Konto bei der F. Bank. Später veräußerte der B in Vertretung der E ihr Wohnanwesen für 565.000 EUR. Zum Todeszeitpunkt der E wies das Konto bei der B. Bank ein Guthaben von 85.360,51 EUR auf. Die Klägerin, die Miterbin (ME), forderte den B auf, Auskunft hinsichtlich seines Gebrauchs der Generalvollmacht zu erteilen. Der ME wurden sämtliche Unterlagen zu den Konten der E bei der B.-Bank und der F.-Bank sowie eine Buchungsübersicht zu den beiden Konten nebst einer von der E unterzeichneten Erklärung aus 2012 übermittelt, wonach der B aus dem Verkaufserlös des Anwesens 500.000 EUR erhalten solle. Die ME erhob erfolgreich Klage gegen den B mit folgenden Anträgen (OLG München 6.12.17, 7 U 1519/17, Abruf-Nr. 199048).

 

  • Klageanträge der ME

... den B zu verurteilen,

  • a) den Miterben ein Bestandsverzeichnis über deren Nachlass (zum Todeszeitpunkt) vorzulegen,
  • b) den Miterben Auskunft über den Stand der Rechtsgeschäfte zu erteilen, die der B in Ausübung der von der E erteilten Vorsorgevollmacht sowie der erteilten Kontovollmacht getätigt hat, insbesondere Auskunft über den Verbleib des Kaufpreises von 565.000 EUR gemäß dem notariellen Kaufvertrag zu erteilen,
  • c) den Miterben eine geordnete und vollständige Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben vorzulegen, die seitens des B in Ausübung der mit dieser Vorsorgevollmacht getätigten Verfügungen erfolgt sind, und
  • d) den Miterben sämtliche hierzu bestehenden Belege und Urkunden in Form von Verträgen, Rechnungen, Auftragsbestätigungen, Kontoauszügen bezüglich aller Konten in geordneter Form herauszugeben.
 

Die dagegen eingelegte Berufung des B ist weitgehend erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin ist als Miterbin gem. § 2039 Abs. 1 BGB prozessführungsbefugt. Sie kann als Miterbin zum Nachlass gehörende Ansprüche und damit auch die hier streitgegenständlichen Auskunftsansprüche aus § 666 BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft in eigenem Namen für die Erbengemeinschaft klageweise geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner zugleich Miterbe ist.

 

Die Klage ist hinsichtlich der mit Nr. 1a bis c des Klageantrags geltend gemachten Auskunftsansprüche begründet. Die Erben haben gegen den B gem. § 666, § 1922 Abs. 1 BGB Anspruch auf Erteilung eines Bestandsverzeichnisses zum Stichtag (Todestag der E).

 

Anspruch auf ein Bestandsverzeichnis

Der der E gem. § 666 BGB zustehende Auskunftsanspruch gegen den B ist im Wege der Universalsukzession gem. § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen. Die E und der B haben in der Generalvollmacht für ihr Verhältnis die „Auftragsvorschriften“ für anwendbar erklärt. Damit bestand zwischen der E und dem B nicht lediglich ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne daraus resultierende Auskunftspflicht, sondern ein rechtlich bindendes Auftragsverhältnis i. S. d. §§ 662 ff. BGB. Die Rechnungslegung gem. § 666 BGB wurde nicht abbedungen. Allein aus der Befreiung des bevollmächtigten B von den Beschränkung des § 181 BGB folgt dies nicht. Denn dadurch wurde nur der Kreis der vom Bevollmächtigten zu tätigenden Geschäfte erweitert. § 181 BGB hat jedoch keinen inhaltlichen Bezug zu den in § 666 BGB normierten Informationsrechten des Auftraggebers. Der Anspruch gem. § 666 BGB umfasst auch die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses i. S. d. § 260 Abs. 1 BGB (MüKo/Krüger, BGB, 7. Aufl., § 260 Rn. 8).

 

Der Auskunftsanspruch der Erben ist nicht nach § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der Vorlage eines Bestandsverzeichnisses untergegangen. Die Auskunftserteilung ist nur unmöglich, wenn alle dem Auskunftspflichtigen zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten versagen und er alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat (Staudinger/Herzog, BGB, 2015, § 2314 Rn. 93). Der B muss ggf. bei den kontoführenden Banken die erforderlichen Unterlagen beschaffen und darauf gestützt das Bestandsverzeichnis erstellen. Da der Stichtag in 2015 liegt, sind die Kontodaten bei den beiden Banken auch noch verfügbar. Dass dem B hierdurch möglicherweise Kosten entstehen, ist für die Frage der Unmöglichkeit ohne Belang.

 

Der B hat den Anspruch der Erben auf Erteilung eines Bestandsverzeichnisses nicht erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Er hat bislang kein Bestandsverzeichnis erstellt. Ein Bestandsverzeichnis i. S. d. § 260 Abs. 1 ist die übersichtliche Darstellung der Aktiv- und Passivposten zu einem bestimmten Zeitpunkt (BGH NJW 61, 602). Die Auskünfte des B genügen diesen Anforderungen nicht. Bei den überreichten Unterlagen (Kontounterlagen bei den beiden Banken nebst Buchungsübersichten sowie das von der E unterschriebene Schreiben aus 2012 hinsichtlich der Verwendung des Verkaufserlöses) enthalten keine geordnete Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva zum Todestag der E.

 

Anspruch auf Auskunft des Stands der Rechtsgeschäfte

Der Anspruch der Erben nach § 666, § 1922 Abs. 1 BGB umfasst einen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich des Stands der Rechtsgeschäfte, die der B in Ausübung der Generalvollmacht und/oder der gesonderten Kontovollmacht für das Konto bei der F-Bank tätigte. Denn der Anspruch aus § 666 BGB umfasst nach § 259 Abs. 1 BGB auch die Rechenschaftslegung (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 259 Rn. 4). Rechenschaftslegung ist eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Sie muss nicht nur den Zustand zum Stichtag, sondern die Entwicklung zu ihm aufzeigen. Die Angaben müssen so detailliert und verständlich sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 259 Rn. 8). Auch wenn die Rechenschaftslegung mit Aufwand und Kosten verbunden ist, wird sie für den Beklagten dadurch nicht unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB.

 

Der Rechenschaftslegungsanspruch der Erben ist auch nicht nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen, da die vom B erteilten Auskünfte nicht Anforderungen an eine Rechenschaftslegung genügen. Die überreichten Kontounterlagen sind keine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Auch die Buchungsübersichten führen nicht zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs. Die Buchungsübersichten enthalten keine hinreichend konkreten Angaben. Denn die Erklärungen zu den einzelnen Buchungsvorgängen sind in vielen Fällen aus sich heraus nicht nachvollziehbar. Dies gilt für folgende Begriffe: „Schuldentilgung“, „Auftragsüberweisung Enkel“, „Renovierungsarbeiten“, „Barauszahlung“, „Ausgleich Auslagen“, „Auslagenersatz“ und „Umbuchung Sparkonto“ sowie „Landesjustizkasse“. Aus diesen Buchungstexten ist nicht ersichtlich welchen rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergrund diese Überweisungen hatten. Das Schreiben der E aus 2012 ist schon deshalb keine Rechenschaftslegung über die Verwendung des Verkaufserlöses des Hauses, da es sich dabei nicht um eine Erklärung des B als Auskunftsverpflichtetem, sondern um eine Erklärung der E handelt.

 

Belegvorlage

Der Anspruch der ME auf Belegvorlage (Ziffer 1d des Klageantrags) ist teilweise unbegründet. Die Erben haben zwar gem. §§ 666, 259 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB Anspruch gegen den B auf Vorlage von Belegen, da der Anspruch nach § 666 BGB auch die Vorlage von Belegen umfasst (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 260 Rn. 15), soweit diese sich auf den Inhalt der zu erteilenden Auskunft beziehen. Der B hat der ME die Belege bezüglich der Konten der E bei der B- und bei der F-Bank aber überreicht und den Anspruch damit erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

Relevanz für die Praxis

Entscheidend ist die rechtliche Einordnung. Wenn ein Auftragsverhältnis vorliegt gibt es grundsätzlich die Auskunftsansprüche. Wenn aber nur ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, gibt es diese nicht. Das OLG Köln geht grundsätzlich nur von einem besonderen Vertrauensverhältnis als Gefälligkeitsverhältnis aus, wenn ein naher Angehöriger (hier: Kind) sich um einen Verwandten (hier: Mutter) regelmäßig gekümmert und dabei auch mit dessen Vollmacht die Bankgeschäfte für ihn besorgt (FamRZ 18, 61).

Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 97 | ID 45302916