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· Nachricht · Rente

Finde den Fehler!? Rentner muss Rentenbescheid nicht als falsch erkennen

| Ein Rentenbescheid kann jede Menge Amtsdeutsch, Daten und Zahlenkolonnen enthalten. Muss ein Rentner falsche Berechnungen darin entdecken, wegen denen er zu viel Rente bekommt? Das muss er nicht, sagt das SG Karlsruhe, denn selbst ein möglichst verständlicher Bescheid ist rechtlich komplexer Lesestoff. |

 

Der auf Antrag des Klägers ergangene 34-seitige Altersrentenbescheid enthielt anstatt eines Abschlags einen Zuschlag an Entgeltpunkten, sodass fehlerhaft eine zu hohe Rente gezahlt wurde. Nach seiner Scheidung hatte der Kläger Rentenpunkte an seine Ex-Frau abgeben müssen. Erst nachdem diese ebenfalls Rente beantragte, bemerkte die Beklagte den rechnerischen Fehler im Bescheid des Klägers. Sie klagte auf Rückzahlung von zwei Dritteln der zu viel gezahlten Rente (4.508,05 EUR).

 

Seine Klage auf gegen den Rückzahlungsbescheid war vor dem SG Karlsruhe erfolgreich (17.12.21, S 12 R 1017/21, Abruf-Nr. 228071). Es übersteige regelmäßig die von einem durchschnittlichen Versicherten zu verlangende Sorgfalt, einen umfangreichen und schwer verständlichen Altersrentenbescheid aufmerksam komplett zu lesen. Angehörigen sehr breiter Bevölkerungsschichten stelle sich selbst ein so gut als eben möglich formulierter Rentenbescheid wegen seiner komplizierten Darstellungen als ein „bürokratisches und schlechterdings unbegreifliches Ungetüm“ dar.

 

Angesichts seiner Bildungsbiografie (Schulabgang mit 14 Jahren) und jahrzehntelangen rein körperlichen Tätigkeiten sei von dem Kläger eine verständige Lektüre eines komplexen 34-seitigen Rentenbescheids nebst Hinweisvordruck nicht zu erwarten. Ohne fachkundige und ausführliche mündliche Beratung nach § 14 SGB I blieben dann auch bestens formulierte Rentenbescheide ein Buch mit sieben Siegeln.

 

PRAXISTIPP | Bei der Beurteilung, ob ein Versicherter Fehler in seinem Rentenbescheid erkennen musste, ist stets ein individueller Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Gerichte können durchaus eine grobe Fahrlässigkeit beim Rentenbezieher bejahen. So stellte das LSG Hamburg fest, dass der dortige Kläger durchaus in der Lage war, für Laien schwer verständlichen oder schwer nachvollziehbaren Ausführungen zur Berechnung aufmerksam zu folgen und diese zu verstehen (30.7.19, L 3 R 64/18). Der Kläger hatte zudem angegeben, seinen Rentenbescheid nebst Anlagen sehr genau und aufmerksam durchgelesen zu haben, da für ihn gerade der Versorgungsausgleich sehr wichtig gewesen sei. Daher ist im Einzelfall zu argumentieren, warum der Mandant einen Fehler im Rentenbescheid nicht erkennen konnte (Bildungshintergrund, Krankheit, mangelndes Textverständnis etc.).

 

Weiterführende Hinweise

  • Gesetzliche Renten: Werden sie in verfassungswidriger Weise doppelt besteuert?, SR 20, 71
  • Wird Rente bezogen, besteht kein Anspruch auf Krankengeld, SR 20, 145
Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 56 | ID 48095856