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· Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

Pflegefreibetrag steht auch dem Kind zu

von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

Der Freibetrag für Pflegeleistungen ist auch dann zu gewähren, wenn der Erbe gegenüber dem Erblasser gesetzlich unterhaltsverpflichtet ist, konkret aber wegen fehlender Bedürftigkeit des Erblassers keine Unterhaltsleistungen zu gewähren hat (Niedersächsisches FG 21.3.15, 3 K 35/15, Abruf-Nr. 145422, Revision eingelegt, BFH II R 37/15).

 

Sachverhalt

Die Klägerin K pflegte ihre Mutter M über 11 Jahre bis zu deren Tod 2012. Die Pflegekasse hatte M seit 2001 in die Pflegestufe III eingeordnet und ihr ein Pflegegeld von monatlich 660 EUR bewilligt. M hinterließ erhebliches Vermögen. K war Miterbin. K begehrte den Freibetrag (FB) nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG von 20.000 EUR. Das Finanzamt lehnte dies wegen R E 13.5. Abs. 1 ErbStR ab, da K gegenüber M unterhaltsverpflichtet gewesen sei. Nach Ansicht der K steht ihr der FB zu, da M aufgrund ihres Vermögens nicht unterhaltsbedürftig war.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bleibt ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20.000 EUR steuerfrei, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben. Vorausgesetzt das Zugewendete ist als angemessenes Entgelt anzusehen. M war seit dem Jahr 2001 bis zu ihrem Tod in die Pflegestufe III eingruppiert. Das Pflegegeld von anfangs 660 EUR monatlich (in 2012: 700 EUR) und damit der Wert der Pflegeleistungen über einen Zeitraum von 11 Jahren geht weit über den FB von 20.000 EUR hinaus.

 

Dem FB steht nicht entgegen, dass K nach § 1601 BGB abstrakt verpflichtet ist, ihrer Mutter Unterhalt zu gewähren. Zutreffend an R E 13.5. Abs. 1 ErbStR ist, dass der Ansatz des FB nicht in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige gesetzlich unterhaltsverpflichtet ist. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG soll ein freiwilliges finanzielles und/oder ideelles Opfer honorieren, das der Erbe zugunsten des Erblassers erbracht hat. So verhält es sich im Streitfall aber nicht. Die Inanspruchnahme des gesetzlich Unterhaltsverpflichteten setzt nach § 1602 Abs. 2 BGB die fehlende Leistungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten voraus. M war aber aufgrund ihres Vermögens und des ihr bewilligten Pflegegeldes in der Lage gewesen, selbst für die Pflegekosten aufzukommen. Insofern hat K mit ihren Pflegeleistungen ihrer Mutter gegenüber ein freiwilliges Opfer erbracht, K war nicht unterhaltsverpflichtet.

 

Soll das Pflegegeld nicht zu einer höheren ErbSt führen, zwingt R E 13.5. Abs. 1 ErbStR die Familienangehörigen, das Pflegegeld an den pflegenden Angehörigen weiterzuleiten. Dann wäre das weitergeleitete Pflegegeld nach § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG steuerfrei. Dies entspricht aber nicht der Zwecksetzung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG, der Pflegeleistungen gegenüber dem Erblasser außerhalb vertraglicher Beziehungen begünstigen soll.

 

Praxishinweis

Bereits mit Urteil vom 20.4.12 (3 K 229/11, Abruf-Nr. 122883) hat das Niedersächsische FG entschieden, dass der FB auch Unterhaltsverpflichteten zu gewähren ist, wenn der Unterhaltsberechtigte die Pflegekosten selbst tragen konnte. Die Finanzverwaltung hatte die Revision gegen dieses Urteil (BFH II R 22/12) wieder zurückgenommen.

 

Zur Ermittlung des Werts der vom Erben erbrachten Pflegeleistungen können die für vergleichbare Leistungen zu zahlenden üblichen Vergütungssätze entsprechender Berufsgruppen oder gemeinnütziger Vereine herangezogen werden. Bei Erbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflegeleistungen kann der FB auch in voller Höhe zu gewähren sein, ohne dass es eines Einzelnachweises zum Wert der Pflegeleistungen bedarf (BFH 11.9.13, II R 37/12, Abruf-Nr. 133638).

 

Quelle: Ausgabe 12 / 2015 | Seite 200 | ID 43657957