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24.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217996

Hessisches Landessozialgericht: Urteil vom 23.07.2020 – L 1 KR 638/18

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landessozialgericht Hessen

Urteil vom 23.07.2020


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juni 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2015 geändert durch Bescheid vom 24. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2016 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 10. Oktober 2015 bis einschließlich 12. Februar 2016 in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 30. September 2015 hinaus hat.

Die 1961 geborene und bis zum 31. Januar 2017 bei der Beklagten versicherte Klägerin war seit 6. September 2012 aufgrund chronischer Schmerzen, Angststörung und Depressionen arbeitsunfähig erkrankt. In dieser Zeit war sie zunächst als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Krankengeld versichert und bezog bis 15. März 2014 (d.h. für einen Zeitraum von 78 Wochen) Krankengeld. In der Zeit vom 16. März 2014 bis 14. Juni 2015 (d.h. bis zur Erschöpfung der Höchstleistungsdauer) bezog sie Arbeitslosengeld I. Vom 21. April 2015 bis zum 29. April 2015 befand sie sich wegen einer schweren depressiven Episode in stationärer Behandlung.

Am 8. Juni 2015 unterzog sich die Klägerin einer Hallux-Valgus-Operation. Mit Erstbescheinigung vom 9. Juni 2015 attestierte Dr. C. Arbeitsunfähigkeit ab 8. Juni 2015 wegen einer Hallux-Valgus-Fußballenentzündung (M20.1 LG). Dr. C. stellte nachfolgend bis einschließlich 28. August 2015 Arbeitsunfähigkeit mit identischer Diagnose fest. Am 27. August 2015 stellte der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin D. Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose M 13.99 (Arthritis, nicht näher bezeichnet, nicht näher bezeichnete Lokalisation) bis 11. September 2015 fest; mit weiterer Bescheinigung vom 11. September 2015 bestätigte er Arbeitsunfähigkeit mit identischer Diagnose bis 2. Oktober 2015. Am 2. Oktober 2015 attestierte der Facharzt für Innere Medizin E. Arbeitsunfähigkeit aufgrund gleicher Diagnose bis einschließlich 9. Oktober 2015. Mit Erstbescheinigung vom 9. Oktober 2015 stellte der Neurologe und Psychiater Dr. F. Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome" (F 33.2) bis einschließlich 19. Oktober 2015 fest; es folgten weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am 23. Dezember 2015 (Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres; F33.3, F42.1, F45.41) und am 20. Januar 2016 (Arbeitsunfähigkeit bis 12. Februar 2016; F33.2G), die der Beklagten vorgelegt wurden. In der Zeit von 14. Oktober bis 23. Dezember 2015 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Katzenelnbogen.

Bereits mit Bescheid vom 3. Juli 2015 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld über den 7. Juni 2015 hinaus ab. Die Klägerin befinde sich laufend wegen der Diagnose F32.2 in ärztlicher Behandlung. Sie habe sogar eine Langzeittherapie beantragt. Die stationäre Behandlung sei vom 21. April 2015 bis zum 5. Juni 2015 erfolgt. Die Arbeitsunfähigkeit wegen des Hallux valgus und der Operation am 8. Juni 2015 habe somit parallel bestanden. Die maßgebliche Blockfrist sei 6. September 2012 bis 5. September 2015. Für die Erkrankung ab dem 8. Juni 2015 bestehe mithin kein Krankengeldanspruch. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 20. Juli 2015 holte die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein. Dieser stellte unter dem 10. September 2015 fest, dass nicht davon auszugehen sei, dass die F32.2 seit der Krankenhausentlassung am 29. April 2015 fortbestehe. Drei Monate nach der Hallux-Valgus-Operation sei wieder mit einem positiven Leistungsvermögen zu rechnen, so dass die Arbeitsunfähigkeit ab sofort beendet werden könne.

Hierauf half die Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2015 unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 2015 dem Widerspruch ab und anerkannte Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 30. September 2015.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte holte erneute Stellungnahmen des MDK ein. Dieser stellte unter dem 3. Dezember 2015 fest, dass die chirurgische Diagnose Ende August/Ende September nicht mehr führend und arbeitsunfähigkeitsbegründend gewesen sei. Unter dem 7. Januar 2016 gab der MDK zudem an, dass der orthopädische Befund (D. vom 1. Dezember 2015) mit dem Leistungsbild für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit Einschränkung stark kniebelastender Tätigkeit vereinbar sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. September 2015 zurück. Die Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld habe nur bis zum 30. September 2015 bestanden. Darüber hinaus sei der Dreijahreszeitraum mit dem 5. September 2015 abgelaufen. Zwischen der erneuten Erkrankung mit der Diagnose "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome" und dem stationären Aufenthalt vom 21. bis 29. April 2015 hätten weniger als 6 Monate gelegen, so dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht erfüllt seien.

Den bereits am 8. März 2016 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Sozialgericht Darmstadt mit Beschluss vom 11. April 2016 ab (S 18 KR 128/16 ER). Es könne im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes dahinstehen, ob die Klägerin am 9. Oktober 2015 noch mit Krankengeld versichert gewesen sei oder die Feststellungen der Beklagten zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 30. September 2015 zutreffend seien. Jedenfalls sei der Krankengeldanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit aufgrund der psychischen Erkrankung ab 9. Oktober 2015 wegen des Bezugs von Krankengeld für 78 Wochen in der maßgeblichen Blockfrist erschöpft und lebe auch nicht wieder auf. Zwischen der Arbeitsunfähigkeit aufgrund des stationären Aufenthaltes vom 21. April 2015 bis zum 29. April 2015 wegen Depressionen und der neuen Arbeitsunfähigkeit aufgrund identischer Diagnose ab 9. Oktober 2015 lägen keine 6 Monate, so dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 SGB V nicht erfüllt seien.

Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Hessische Landessozialgericht mit Beschluss vom 11. Mai 2016 zurück (L 1 KR 126/16 B ER). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankengeld über den 9. Oktober 2015 hinaus, denn der Krankengeldanspruch aufgrund der Diagnose "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome" (F 33.2) sei gemäß § 48 Abs. 1 SGB V erschöpft und lebe auch nicht nach § 48 Abs. 2 SGB V wieder auf. Bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 9. Oktober 2015 aufgrund der psychiatrischen Erkrankung sei die Klägerin nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen.

Am 17. Mai 2016 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Sie sei in den letzten 3 Jahren mindestens 17 Monate erwerbsfähig gewesen und erfülle daher die Voraussetzungen gemäß § 48 Abs. 2 SGB V für einen erneuten Anspruch auf Krankengeld wegen Depression. Zudem habe Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer orthopädischen Diagnose bis zum 9. Oktober 2015 vorgelegen. Deshalb sei die Mitgliedschaft nicht nach §§ 190, 192 SGB V mit Ablauf des 30. September 2015 geendet.

Mit Urteil vom 25. Juni 2018 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2016 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 9. Oktober 2015 Krankengeld zu gewähren. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie wegen Arthritis krankgeschrieben gewesen und habe deshalb Anspruch auf Krankengeld. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Über den 9. Oktober 2015 hinaus sei der Klägerin aufgrund der Diagnose "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode" Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. Der letzte Dreijahreszeitraum habe am 6. September 2012 begonnen und am 5. September 2015 geendet. Innerhalb dieses Zeitraums habe die Klägerin wegen Depression 78 Wochen Krankengeld bezogen. Am 9. Oktober 2015 habe die letzte arbeitsunfähigkeitbegründende Erkrankung wegen Depression aber noch keine sechs Monate zurückgelegen. Die Klägerin sei vom 21. bis 29. April 2015 wegen Depression in stationärer Behandlung gewesen. In diesem Zeitraum sei sie offensichtlich nicht arbeitsfähig gewesen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 48 Abs. 2 SGB V komme es auch nicht darauf an, dass in dieser Zeit für die Erkrankung Krankengeld gezahlt worden sei, sondern allein darauf, ob wegen der gleichen Erkrankung Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Dass die Klägerin im April 2015 kein Krankengeld wegen dieser Erkrankung bezogen habe, sei deshalb nicht entscheidend. Bis zum 29. Oktober 2015 hätte die Klägerin nicht mehr wegen Depression arbeitsunfähig erkranken dürfen, um nach § 48 Abs. 2 SGB V in einem neuen Dreijahreszeitraum einen erneuten Anspruch auf Krankengeld wegen Depression begründen zu können. Im Übrigen brauche die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zwar nicht zusammenhängend zu verlaufen. Der Zeitraum von 6 Monaten beginne jedoch erst zu laufen, wenn die zum Ablauf des Krankengeldanspruchs führende Arbeitsunfähigkeit beendet sei. Auf den Zeitpunkt der Einstellung der Krankengeldzahlung wegen Erschöpfung des Leistungsanspruchs sowie auf den Lauf des Dreijahreszeitraums komme es hingegen nicht an. Entsprechend sei im Fall der Klägerin allein entscheidend, ob sie nach dem stationären Aufenthalt vom 21. bis 29. April 2015 für mindestens 6 Monate nicht wegen Depressionen arbeitsunfähig gewesen sei. Darüber hinaus scheitere ein Wiederaufleben des Anspruchs auf Krankengeld auch daran, dass die Klägerin bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 11. September 2018 zugestellte Urteil am 27. September 2018 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und darauf verwiesen, dass es bei § 48 Abs. 2 SGB V nicht um die letzten 6 Monate gehe. Insbesondere müsse der Zeitraum von 6 Monaten nicht ununterbrochen verlaufen sein. Er könne sich vielmehr auch aus mehreren Teilabschnitten zusammensetzen. Daher sei die stationäre Behandlung im April 2015 nur eine kleine Unterbrechung der Arbeitsfähigkeit gewesen. Sie sei in den letzten 3 Jahren 18 Monaten erwerbsfähig gewesen und erfülle daher den neuen Anspruch auf Krankengeld nach § 48 Abs. 2 SGB V. Für die am 9. Oktober 2015 eingetretene Arbeitsunfähigkeit wegen Depression bestehe daher ein erneuter Anspruch auf Krankengeld. Der Streit um das Krankengeld belaste sie sehr. Sie sei in der Zwischenzeit zwei Mal stationär behandelt worden. Im Anschluss an die stationäre Behandlung vom 14. Oktober bis 23. Dezember 2015 sei ihr bis zum 11. Juli 2017 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden. Dies habe sie auch der Beklagten vorgelegt. Darüber hinaus hat sie darauf verwiesen, dass sie auch gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juni 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2015 geändert durch Bescheid vom 24. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld über den 9. Oktober 2015 hinaus zu gewähren und die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juni 2018 insoweit abzuändern als die Beklagte damit zur Zahlung von Krankengeld verurteilt wurde.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend, soweit damit die Klage abgewiesen wird. Die Mitgliedschaft der Klägerin nach §§ 190 Abs. 12, 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sei mit Ablauf des 30. September 2015 beendet gewesen. Die Klägerin habe danach keinen Krankengeldanspruch mehr gehabt. Bei der Klägerin habe nach den Feststellungen des MDK ab dem 1. Oktober 2015 ein positives Leistungsvermögen bestanden. Die chirurgische Diagnose sei nicht mehr arbeitsunfähigkeitsbegründend gewesen. Ferner sei eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin aufgrund der Diagnose F32.2 seit der Krankenhausentlassung am 29. April 2015 medizinisch nicht mehr begründet gewesen. Der MDK habe am 7. Januar 2016 ein volles Leistungsbild der Klägerin für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestätigt. Schließlich sei der 6-Monatszeitraum gemäß § 48 Abs. 2 SGB V nicht erfüllt. Die Klägerin sei nach dem stationären Aufenthalt vom 21. bis 29. April 2015 nicht mindestens 6 Monate wegen Depressionen nicht arbeitsunfähig gewesen. Im Übrigen sei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20. Januar 2016 (Arbeitsunfähigkeit bis 12. Februar 2016) die letzte Bescheinigung, welche ihr von der Klägerin vorgelegt worden sei. Erst am 3. März 2016 seien ihr im Verfahren S 18 KR 128/16 ER weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 15. März 2016 zugeleitet worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin hat gemäß § 44 SGB V Anspruch auf Gewährung von Krankengeld auch für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis einschließlich 12. Februar 2016. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2015 geändert durch Bescheid vom 24. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2016 sowie das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. Juni 2018 sind entsprechend abzuändern.

Das Sozialgericht hat zutreffend einen Krankengeldanspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. bis 9. Oktober 2015 bejaht. Der Klägerin war ab dem 27. August 2015 bis zum 9. Oktober 2015 wegen Arthritis Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden. Die Beklagte hat hierauf bis zum 30. September 2015 Krankengeld gewährt. Soweit die Beklagte sich (mit der erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Anschlussberufung) gegen das streitgegenständliche Urteil mit der Begründung wendet, dass die Klägerin bereits zum 1. Oktober 2015 arbeitsfähig gewesen sei, ist dem nicht zu folgen. Die Stellungnahme des MDK vom 10. September 2015 erwähnt die bei der Klägerin diagnostizierte Arthritis nicht. Vielmehr ist sie auf die Feststellung beschränkt, es sei nicht davon auszugehen, dass die F32.2 seit der Krankenhausentlassung am 29. April 2015 fortbestehe und dass 3 Monate nach der Hallux-Valgus-OP wieder ein positives Leistungsvermögen zumindest für eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben sei (Bl. 35 f der Verwaltungsakte). Auch in der Stellungnahme vom 3. Dezember 2015 bezieht sich der MDK nicht auf die diagnostizierte Arthritis, sondern stellt unter Bezugnahme auf den Bericht des Operateurs vom 14. August 2015 fest, dass die chirurgische Diagnose Ende August/Ende September nicht mehr führend und arbeitsunfähigkeitsbegründend gewesen sei. Damit ist für den Senat nicht ersichtlich, weshalb trotz ärztlicher Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Arthritis (und entsprechender Krankengeldzahlung bis einschließlich 30. September 2015) diese im o.g. Zeitraum nicht vorgelegen haben sollte.

Die Klägerin war am 1. Oktober 2015 auch mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Bis einschließlich 14. Juni 2015 war sie wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld I gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Nach Erschöpfen der Leistungshöchstdauer, d.h. ab dem 15. Juni 2015 setzte sich das Mitgliedschaftsverhältnis der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufgrund des Bezugs von Krankengeld fort. Nach dieser Vorschrift bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht oder bezogen wird. Da die Klägerin aufgrund der Hallux-Valgus-Operation bereits ab 8. Juni 2015 arbeitsunfähig erkrankt war und sich diese Arbeitsunfähigkeit über den 15. Juni 2015 hinaus bei Krankengeldbezug fortsetzte, blieb die Mitgliedschaft nachfolgend gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrechterhalten. Die fortbestehende Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhält den Status des Versicherten aufrecht, an den sie anknüpft (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 1 KR 20/08 R, juris Rn. 14 m.w.N.), hier also eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld. Die im Beschluss vom 11. Mai 2016 (L 1 KR 126/16 B ER) vertretene Auffassung hält der Senat nicht aufrecht.

Die Klägerin hat auch über den 9. Oktober 2015 hinaus einen Anspruch auf Krankengeld. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie der Klägerin bereits 78 Wochen wegen eine psychiatrischen Erkrankung Krankengeld gezahlt hat. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V wird Krankengeld grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung gewährt. Für den Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruht, besteht ein Anspruch auf Krankengeld allerdings nicht ohne zeitliche Begrenzung, sondern lediglich für 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V).

Für die Zeit ab dem 10. Oktober 2015 liegen die Voraussetzungen gemäß § 48 Abs. 2 SGB V vor, so dass die Klägerin aufgrund von Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnose "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome" (F 33.2) einen Anspruch auf Krankengeld hat.

Gemäß § 48 Abs. 2 SGB V gilt: "Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate 1. nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und 2. erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen."

Die Klägerin war wegen der o.g. psychiatrischen Erkrankung ab dem 9. Oktober 2015 arbeitsunfähig. Dies folgt für den Senat aufgrund der entsprechenden Bescheinigungen des Facharztes Dr. F. ab dem 9. Oktober 2015 sowie der entsprechenden stationären Behandlung der Klägerin in der Zeit vom 14. Oktober 2015 bis 23. Dezember 2015.

Wie bereits oben ausgeführt, war die Klägerin auch mit Anspruch auf Krankengeld versichert.

Die Klägerin war zudem in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig (§ 48 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Sie stand in der Zeit vom 16. März 2014 bis 14. Juni 2015 mit Ausnahme der stationäre Behandlung in der Zeit vom 21. bis 29. April 2015 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und war in dieser Zeit - soweit ersichtlich - nicht arbeitsunfähig.

Mit den ab 1. Januar 1989 aufgrund des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen verschärften Bedingungen für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Versicherte auch künftig das Krankengeld als eine nur unterbrochene Dauerleistung mit Rentenersatzfunktion in Anspruch nehmen (vgl. BT-Drucks 11/2237, S. 181 zu § 47 Abs. 2. des Gesetzentwurfs). Deshalb soll nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums künftig ein Anspruch auf Krankengeld nur dann bestehen, wenn zwischen dem Ablauf des Krankengeldbezuges nach 78 Wochen und dem erneuten Eintritt von Arbeitsunfähigkeit ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegt, in dem die besonderen, unter § 48 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V genannten Bedingungen erfüllt sind (BSG, Urteil vom 3. November 1993, 1 RK 10/93, juris Rn. 13).

Der Zeitraum von sechs Monaten muss nicht zusammenhängend verlaufen (Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK § 48 SGB V Rn. 33; Gerlach in: Hauck/Noftz, § 48 Rn. 54; Knittel in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 48 SGB V Rn. 21). Es genügen vielmehr mehrere Teilabschnitte (Schifferdecker in: KassKomm § 48 SGB V Rn. 41). Die neue Arbeitsunfähigkeit braucht auch nicht innerhalb des neuen Dreijahreszeitraums einzutreten; sie kann vielmehr noch während des letzten Dreijahreszeitraumes begonnen haben (Gerlach, a.a.O.).

Der Zeitraum von sechs Monaten beginnt erst zu laufen, wenn die zum Ablauf des Krankengeldanspruchs führende Arbeitsunfähigkeit beendet ist; auf den Zeitpunkt der Einstellung der Krankengeldzahlung wegen Erschöpfen des Leistungsanspruchs (78 Wochen) sowie auf den Lauf des Dreijahreszeitraums kommt es hingegen nicht an (vgl. Gerlach, a.a.O.; Knittel, a.a.O.).

Ferner muss der Zeitraum von sechs Monaten nicht unmittelbar (und zusammenhängend) vor der erneuten und für den streitigen Krankengeldanspruch maßgebliche Arbeitsunfähigkeit liegen. Vielmehr genügt es, dass zwischen dem Ablauf des Krankengeldbezuges nach 78 Wochen und dem erneuten Eintritt von Arbeitsunfähigkeit ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegt, in dem die besonderen, unter § 48 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V genannten Bedingungen erfüllt sind (BSG, a.a.O.). Etwas anders folgt weder aus dem Wortlaut der Norm noch dem o.g. Gesetzeszweck (anders wohl Greiner in: Gesundheitsrecht, SGB V/SGB XI, hrsg. Berchtold/Huster/Rehborn, 2. Aufl., § 48 SGB V Rn. 16; Gerlach, a.a.O.). An der im Beschluss 11. Mai 2016 (L 1 KR 126/16 B ER) vertretenen Auffassung hält der Senat nicht fest.

Vor diesem Hintergrund steht dem Krankengeld nicht entgegen, dass sich die Klägerin wegen der psychiatrischen Erkrankung in der Zeit vom 21. bis 29. April 2015 in stationärer Behandlung befand und anschließend bis zum 9. Oktober 2015 keine 6 Monate vergangen sind.

Die Klägerin erfüllt schließlich auch die Voraussetzung gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 2 SGB V, da sie Klägerin in der Zeit vom 16. März 2014 bis 14. Juni 2015 - mit Ausnahme der stationäre Behandlung in der Zeit vom 21. bis 29. April 2015 - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hat.

Über den 12. Februar 2016 hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch auf Krankengeld, da sie der Beklagten entsprechende Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen nicht rechtzeitig vorgelegt hat. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Dies ist vorliegend über den 12. Februar 2016 hinaus nicht der Fall. Nach den Angaben der Beklagten ist ihr (zunächst) letztmalig die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20. Januar 2016 (Arbeitsunfähigkeit bis 12. Februar 2016) rechtzeitig vorgelegt worden. Erst im Verfahren S 18 KR 128/16 ER sind ihr am 3. März 2016 weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 15. März 2016 zugeleitet worden. Soweit die Klägerin anführt, dass sie der Beklagten rechtzeitig durchgehend weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hat, ist dies nicht nachgewiesen. Dies geht zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Klägerin und steht einem Anspruch auf Krankengeld über den 12. Februar 2016 hinaus entgegen. Damit bestand die Mitgliedschaft der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld nicht über den 12. Februar 2016 hinaus fort.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das jeweils teilweise Obsiegen der Beteiligten.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebietSGB VVorschriften§ 48 Abs. 1 S. 1 1. Halbs. SGB V