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18.12.2019 · IWW-Abrufnummer 212986

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 20.08.2019 – 3 K 123/18

1. Überträgt ein Großelternteil ein Grundstück schenkweise auf ein Kind und schenkt das bedachte Kind unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Grundstücksteil an das Enkelkind weiter, ohne zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein, liegt schenkungsteuerrechtlich keine Zuwendung des Großelternteils an das Enkelkind vor.

2. Dass die Weiterübertragung in einem gemeinschaftlichen Testament der Großeltern vorgesehen ist, reicht für sich nicht aus, um eine Zuwendung des Großelternteils an das Enkelkind zu begründen.


FINANZGERICHT HAMBURG
20.08.2019

Urteil
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine freigebige Zuwendung der Großmutter an die Klägerin vorliegt oder eine Zuwendung durch die Mutter ... (M)

I.

Die Mutter (M) der Klägerin erhielt von ihrer Mutter (O) mit notariell beurkundetem Vertrag vom 8. Dezember 2006 (URNr. ursprünglich XXX-1, neu: XXX-2) das 1.435 m2große Grundstück, X-Straße, Y-Weg, Flurstück xxx. Dabei behielt sich O für sich und ihren Ehemann (E) auf ihre Lebensenden ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundstück sowie ein Rückforderungsrecht in bestimmten Fällen vor, u.a. für den Fall der Belastung oder Veräußerung des Grundstücks durch M ohne die schriftliche Zustimmung von O und E. Zur Sicherung des Übertragungsanspruchs bewilligte M die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung zugunsten von O und E.

Mit notarieller Urkunde ebenfalls vom 8. Dezember 2006 (URNr. ursprünglich XXX-2, neu: XXX-1) übertrug M einen Teil des ihr überlassenen Grundbesitzes, nämlich den ca. 700 m2 großen hinteren Grundstücksteil, angrenzend an die Straße Y-Weg, auf die Klägerin. Eine Gegenleistung wurde nicht vereinbart. O und E erklärten sich mit der Schenkung einverstanden und bewilligten und beantragten die Löschung des Nießbrauchsrechts und der Rückauflassungsvormerkung für den an die Klägerin verschenkten Grundstücksteil.

In § 5 der notariellen Urkunde wird u.a. ausgeführt:
Von der Grunderwerbsteuer wird Befreiung begehrt, da es sich um Übertragung von der Mutter auf die Tochter handelt."

O und E hatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 16. November 2006 u. a. Folgendes geregelt:
"Mit dem Schenkungsvertrag vom (...) hat unsere ältere Tochter bereits das bebaute Grundstück (...) erhalten. (...).

Ein weiterer Schenkungsvertrag soll im November 2006 mit der jüngeren Tochter [M] beurkundet werden, in dem das bebaute Grundstück X-Straße übertragen wird. Dabei soll ein Nießbrauchsrecht mit einem lebenslangen Wohnrecht für uns beide eingetragen werden. Der Wert der Immobilie in Höhe von ... € vermindert um den Wert des Nießbrauchsrechts wird ebenfalls auf das Erbe angerechnet. (...) Eine abgetrennte Teilfläche von rund 700 m2 soll unserer Enkelin zum Bau eines Einfamilienhauses überlassen werden, wobei diese Teilfläche natürlich ihrer Mutter [M] zugerechnet wird. (...)"

Die beiden notariellen Urkunden vom 8. Dezember 2006 wurden dem Beklagten am 19. Januar 2007 durch die beurkundende Notarin A übermittelt.

M erklärte in ihrer am 18. Oktober 2007 beim Beklagten eingereichten Schenkungsteuererklärung den steuerlichen Wert des von ihr erworbenen Grundvermögens mit ... €. Als übernommene Gegenleistung machte sie die Schenkung an die Klägerin in Höhe von ... € mindernd geltend. Die Nießbrauchsverpflichtung berücksichtigte sie mit ... €.

In einer Anlage zur Schenkungsteuererklärung, die O und E als Absender ausweist, wird ausgeführt:
"Mit dem notariellen Vertrag vom 8. Dezember 2006 haben die Eheleute [O und E] das bebaute Grundstück X-Straße, Grundbuch xxx Flurstück xxx an ihre Tochter [M] mit Auflagen verschenkt. (...)
Mit dem notariellen Vertrag vom 8. Dezember 2006 hat die Beschenkte [M] eine Teilfläche an ihre Tochter verschenkt. Da diese Handhabung von den Eheleuten [O und E] ausdrücklich im Testament vom 16.11.2006 gewollt ist, stellt diese 2. Schenkung eine sonstige Verpflichtung dar."

Mit Bescheid vom 18. Januar 2008 stellte der Beklagte den Grundbesitzwert des gesamten Grundstücks mit ... € fest.

Mit Schreiben vom 5. August 2008 wies der Beklagte M darauf hin, dass er davon ausgehe, dass eine Weitergabeverpflichtung vorliege, so dass M keinen eigenen Entscheidungsspielraum gehabt habe, was den weiter zu verschenkenden Grundstücksteil angehe. Damit liege eine nicht zulässige Kettenschenkung vor, so dass für Zwecke der Schenkungsteuer davon auszugehen sei, dass die Klägerin den Grundstücksteil direkt von O erhalten habe. Die Auflage sei bei M mit dem anteiligen Bodenwert anzusetzen und betrage ... € ( ... € x 700 m2 = ... €, gerundet ... €).

Die Klägerin erklärte in ihrer am 23. September 2008 beim Beklagten eingereichten Steuererklärung eine Zuwendung von Grundvermögen im Wert von ... € durch ihre Mutter M (Wertermittlung: ... € * 700 m2 / 1.435 m2)
Mit Bescheid vom 8. Dezember 2008 stellte der Beklagte den auf die Klägerin entfallenden Grundbesitzwert des Grundstücks mit ... € fest.

M teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 mit, dass sie bzgl. der Verwendung des hinteren Grundstücksteils den vollen Entscheidungsspielraum gehabt habe. Sie sei nicht zur Weitergabe an die Klägerin verpflichtet gewesen. Folglich lägen zwei Schenkungen vor, jeweils von der Mutter an Tochter (O an M und M an Klägerin).

Mit Bescheid vom 3. Juli 2009 stellte der Beklagte den Grundbesitzwert bezgl. des auf M entfallenden Grundstücktsteils auf ... € fest.

Der Beklagte setzte mit Schenkungsteuerbescheid vom 7. Juli 2009 die Schenkungsteuer ggü. M auf 0 € fest (Wert des Erwerbs: ... € abzgl. ... € Freibetrag).

Ebenfalls mit Schenkungsteuerbescheid vom 7. Juli 2009 setzte der Beklagte die Schenkungsteuer ggü. der Klägerin auf ... € fest (Wert des Erwerbs: ... € abzgl. ... € Freibetrag, 11 % Steuersatz bei Steuerklasse I)

Dagegen legte die Klägerin am 6. August 2009 Einspruch ein. Nachdem die Klägerin am 30. Dezember 2009 das gemeinschaftliche Testament eingereicht hatte, wurde der Einspruch durch den Beklagten zunächst nicht weiter bearbeitet. M wurde nicht hinzugezogen.

Mit Schreiben vom 12. März 2018 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass M in ihrer Entscheidung, den hinteren Grundstücksteil an sie, die Klägerin, zu übertragen, nicht frei gewesen sei. Es habe sich um eine Anordnung von O gehandelt. Dies sei dem Testament zu entnehmen sowie der Schenkungsteuererklärung der M, in der diese ausdrücklich eine Weitergabeverpflichtung erklärt habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2018 wies der Beklagte unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 12. März 2018 den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 10. Juli 2018 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, es habe keine zwingende Weitergabeverpflichtung für ihre Mutter M bestanden, vielmehr habe sie, M, den vollen Entscheidungsspielraum bzgl. der Verwendung des gesamten Grundstücks gehabt. Mit der Formulierung bzgl. der hinteren Grundstückshälfte im Testament von O und E sei lediglich die Zustimmung mit der Weiterschenkung an sie, die Klägerin, bzw. der entsprechende Wunsch ausgedrückt worden. Eine diesbezügliche Verpflichtung sei dadurch aber nicht begründet worden.

Die Klägerin beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom 7. Juli 2009 in Gestalt der Einpruchsentscheidung vom 8. Juni 2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf die Formulierungen im gemeinschaftlichen Testament von O und E vom 16. November 2006 Bezug und trägt vor, dass die Klägerin dadurch bereits einen Anspruch auf die Übertragung der Teilfläche erlangt habe. Es sei im Grunde von einem Vermächtnis zugunsten der Klägerin auszugehen, auch wenn es nicht ausdrücklich als solches bezeichnet worden sei. Wenn O vor dem 8. Dezember 2006 verstorben wäre, dann hätte M nicht frei über den hinteren Grundstücksteil verfügen können, sondern sei zur Weitergabe an die Klägerin verpflichtet gewesen. Nichts anderes könne vorliegend gelten.

Im Übrigen hätten O und E in der notariellen Urkunde für den 700 m2 großen Grundstücksteil auch auf das ihnen ansonsten eingeräumte Nießbrauchsrecht verzichtet.
Schließlich habe M in ihrer Schenkungsteuererklärung die Weitergabeverpflichtung an die Klägerin als Auflage behandelt und in der Anlage zu ihrer Schenkungsteuererklärung erklärt, zur Weitergabe aufgrund des Testaments verpflichtet gewesen zu sein.

Die Notarin Dr. B, die die Akten der Notarin a.D. A verwahrt, hat mit Schreiben vom 3. April 2019 mitgeteilt, dass es sich bei der Vergabe der Urkundennummern um einen offensichtlichen Schreibfehler gehandelt habe. Dementsprechend hat sie die Urkunden mit korrigierten Urkundenrollen erneut ausgefertigt.
Auf telefonische Rückfrage der erkennenden Richterin hat Frau Dr. B erklärt, dass sie zu dieser Bewertung gekommen sei, weil in der jetzigen Urkunde mit der Nr. XXX-1 auf Seite 2 ausgeführt werde, dass "mit Urkunde vom heutigen Tag" O das gesamte Grundstück an M verschenkt habe. Daher gehe sie, Frau Dr. B, davon aus, dass die Grundstücksschenkung von O an M zuvor beurkundet worden sei und damit richtigerweise die Nummer XXX-2 trägt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung von M. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 8. Mai 2019 Bezug genommen. Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins vom 11. März 2019.

Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 18. Juni 2019 der Einzelrichterin übertragen.

...


Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin.
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Eine freigebige Zuwendung der O an die Klägerin liegt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht vor.
1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
a) Eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (vgl. BFH, Urteil vom 30. Januar 2013, II R 6/12, BFHE 240, 178, BStBl II 2013, 930). Eine Bereicherung des Empfängers ist gegeben, wenn dieser über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann (vgl. BFH, Urteil vom 30. November 2009, II R 70/06, BFH/NV 2010, 900). Ob eine Bereicherung des Empfängers vorliegt und welche Personen als Zuwendender und als Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt sind, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage (vgl. BFH, Urteile vom 9. Dezember 2009, II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl II 2010, 363; vom 30. November 2009, II R 70/06, BFH/NV 2010, 900;).
b) Wird ein Vermögensgegenstand einer Person im Wege der Schenkung übertragen und wendet diese den Vermögensgegenstand freigebig einem Dritten zu, ist für die Bestimmung des jeweiligen Zuwendenden und des jeweiligen Bereicherten darauf abzustellen, ob die weitergebende Person eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Verwendung des geschenkten Gegenstands hat (vgl. BFH, Urteile vom 6. Mai 2015, II R 35/13, BFH/NV 2015, 1412; vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934; vom 10. März 2005 II R 54/03, BFHE 208, 447, BStBl II 2005, 412; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 16. Aufl., § 7 Rz 68a; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz 237).
Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor (BFH, Urteil vom 6. Mai 2015, II R 35/13, BFH/NV 2015, 1412). Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten kommt nicht in Betracht (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934).
Wendet der Bedachte den ihm zugewendeten Gegenstand ohne eine solche rechtliche Verpflichtung freigebig einem Dritten zu, scheidet die Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus. Vielmehr liegen eine Schenkung des Zuwendenden an den Bedachten und eine Schenkung des Bedachten an den Dritten vor (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934).
c) Ob ein Bedachter über einen zugewendeten Gegenstand frei verfügen kann oder verpflichtet ist, diesen einem Dritten zuzuwenden, ist unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien zu entscheiden (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934). Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934). Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten.
Für die Annahme einer Weitergabeverpflichtung des Bedachten reicht es jedoch nicht aus, dass der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand unmittelbar im Anschluss an die Schenkung an einen Dritten weiterschenkt (BFH, Beschluss vom 30. November 2011, II B 60/11, BFH/NV 2012, 580). Wird dagegen im Schenkungsvertrag zwischen dem Zuwendenden und dem Bedachten die Weiterschenkung an den Dritten vereinbart, kann der Bedachte über den Gegenstand nicht frei verfügen (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934).
Eine kurze Verweildauer des Geschenks beim Bedachten spricht für sich allein genommen nicht für eine Weitergabeverpflichtung (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934). Aus diesem Grund ist eine Weitergabeverpflichtung des zuerst Bedachten nicht schon deshalb anzunehmen, weil die Schenkung und die Weiterschenkung in zwei zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgenden notariellen Urkunden vereinbart wurden und der zuerst Bedachte den geschenkten Gegenstand vor der sich unmittelbar anschließenden Weiterschenkung nicht tatsächlich als Eigentümer nutzen konnte. Der zeitlichen Abfolge der Schenkungen kann allerdings im Rahmen der Gesamtwürdigung eine Indizwirkung zukommen (BFH, Urteile vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934; vom 13. Oktober 1993, II R 92/91, BFHE 172, 520, BStBl II 1994, 128).
Von einer Weitergabeverpflichtung des zuerst Bedachten kann auszugehen sein, wenn dieser noch vor Ausführung der freigebigen Zuwendung an ihn den Gegenstand an einen Dritten weiterschenkt (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934). In diesem Fall kann die Dispositionsmöglichkeit des zuerst Bedachten fehlen. Entscheidend sind jedoch auch hier die Umstände des Einzelfalls. Indiz für eine fehlende Dispositionsmöglichkeit des zuerst Bedachten kann insbesondere sein, dass die Schenkung und die Weiterschenkung in einer notariellen Urkunde vereinbart werden. Selbständige Schenkungen verschiedener Personen sind zwar nicht lediglich deshalb eine einheitliche Schenkung eines Zuwendenden, weil sie in einer Vertragsurkunde zusammengefasst sind. Die Zusammenfassung einer Schenkung und einer sich anschließenden Weiterschenkung eines Grundstücks in einer Urkunde führt aber zu einer zeitgleichen Vereinbarung von Schenkung und Weiterschenkung, so dass der zuerst Bedachte damit regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit in Bezug auf das weitergeschenkte Grundstück erlangen wird. Das gilt nur dann nicht, wenn sich aus dem Vertrag oder den Umständen eindeutig etwas anderes ergibt (BFH, Urteil vom 18. Juli 2013, II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934).

2) Nach diesen Grundsätzen ist eine der Schenkungsteuer unterliegende Zuwendung der O an die Klägerin ist nicht gegeben.
a) Zivilrechtlich liegen zwei Schenkungen zwischen verschiedenen Personen vor, und zwar eine unentgeltliche Zuwendung von Grundvermögen durch die Übergeberin O an ihre Tochter M und eine Zuwendung des hinteren Grundstücksteils durch M an ihre Tochter, die Klägerin. Dagegen fehlt es zivilrechtlich an einer Zuwendung der O an die Klägerin. Diese Beurteilung ist auch schenkungsteuerrechtlich zugrunde zu legen.
b) O hat den übertragenen Grundbesitz ausschließlich ihrer Tochter M und nicht anteilig ihrer Enkeltochter, der Klägerin, zugewendet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte eine Weitergabeverpflichtung der M nicht festgestellt werden. Der zwischen O und M geschlossene Überlassungsvertrag enthielt keine ausdrückliche Verpflichtung der M zur Weiterübertragung eines hinteren Grundstücksteils auf die Klägerin.
Ob die Verträge, wie von Frau Dr. B bestätigt, in der neu beurkundeten Reihenfolge abgeschlossen worden sind, kann letztendlich offenbleiben. Nach den Äußerungen von Frau Dr. B steht jedenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die ursprüngliche Urkundenreihenfolge bewusst gewählt worden ist, um durch eine vorweggenommene Beurkundung einer Schenkung des Teilstücks durch M an die Klägerin zu verhindern, dass M über die Verwendung des von O erhaltenen Grundbesitzes frei entscheiden kann.
Aufgrund der Bezugnahme in der Urkunde über die Schenkung des Teilgrundstücks von M an die Klägerin (URNr. ursprünglich XXX-1, neu: XXX-2) auf die vorangegangene Schenkung des gesamten Grundstücks von O an M ist aber davon auszugehen, dass die Schenkung der O an M bereits ausgeführt war, als M den ihr zugewendeten Grundbesitz zum Teil auf die Klägerin übertragen hat, so dass M zuvor ihre Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch hätte beantragen und damit den Eintritt der - dinglichen - Rechtsänderung hätte herbeiführen führen können (vgl. BFH, Urteil vom 27. April 2005 II R 52/02, BFHE 210, 507, BStBl II 2005, 892).

c) Das bloße Einverständnis der O mit der Weiterschenkung durch M reicht nicht aus, um eine Zuwendung der O an die Klägerin annehmen zu können. Ein aufgrund der familiären Verbundenheit vermutetes abgestimmtes Verhalten der Vertragsbeteiligten ist als solches ebenfalls nicht geeignet, die Schenkungen in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht abweichend von der Zivilrechtslage zu beurteilen. Dies gilt auch bei einem etwaigen Interesse von O und E, ihr Vermögen nicht nur ihrer Tochter M, sondern zum Teil auch der Klägerin zuzuwenden.
Auch aus dem gemeinschaftlichen Testament von O und E lässt sich keine derartige Weitergabeverpflichtung für M herleiten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der Formulierung "Eine abgetrennte Teilfläche von rund 700 m2 soll unserer Enkelin zum Bau eines Einfamilienhauses überlassen werden, wobei diese Teilfläche natürlich ihrer Mutter zugerechnet wird. (...)" um ein Vermächtnis zu Gunsten der Klägerin handelt, ergibt sich daraus keine Verpflichtung der M zur Schenkung an die Klägerin. Eine Vermächtnisanordnung begründet einerseits lediglich eine den oder die Erben treffende Schuld, die erst durch den Erbfall entsteht (§ 1967 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB-), andererseits vor dem Erbfall noch nicht einmal eine rechtlich gesicherte Anwartschaft des Vermächtnisnehmers (Otte in Staudinger, BGB, 2013, § 2176 Rn. 4).
Gegen eine Weitergabeverpflichtung spricht auch, dass sich O für sich und E ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem gesamten Grundstück vorbehielt und nicht nur an dem Hauptgrundstück, das später bei M verblieb. Sofern eine Weitergabeverpflichtung bzgl. des hinteren Grundstücksteils bestanden hätte, hätte es nahegelegen, von vornherein den Nießbrauch nicht auf diesen Grundstücksteil zu erstrecken. Auch die im Testament vorgesehene Anrechnung der Teilfläche auf den Erbteil der M spricht gegen eine Weitergabeverpflichtung, denn der Wille von O und E war somit auf eine Bereicherung der M in Bezug auf das gesamte Grundstück gerichtet.
Auch die Tatsache, dass M in ihrer Steuererklärung zunächst selbst erklärte, zur Weitergabe verpflichtet gewesen zu sein, führt zu keinem anderen Ergebnis. M bekundete in ihrer Zeugenbefragung, die Anlage zur Steuererklärung nicht zu kennen und nicht zu wissen, wer sie seinerzeit erstellt habe. Sie habe sich in ihrer Entscheidungsbefugnis stets für frei gehalten.
Das Gericht geht nach der Beweisaufnahme davon aus, dass es M in Zeitpunkt der Abgabe ihrer Steuererklärung darum ging, die eigene Steuerlast möglichst gering zu halten, während sie eine Steuerlast der Klägerin nicht im Blick hatte. Zwar war die Angabe von M in ihrer Steuererklärung, zur Weitergabe verpflichtet zu sein, unrichtig. M hat diese Angabe aber im Dezember 2008 und damit noch vor Erlass der an sie und die Klägerin gerichteten Schenkungsteuerbescheide berichtigt und erklärt, nicht zur Weitergabe verpflichtet gewesen zu sein. Daher wäre es die Sache des Beklagten gewesen, dafür Sorge zu tragen, die Steuerfestsetzung ggü. M vor Eintritt der Festsetzungsverjährung in der zutreffenden Höhe, nämlich unter Berücksichtigung des gesamten Grundvermögens, vorzunehmen. Dies hat der Beklagte versäumt; mittlerweile ist selbst die zehnjährige Festsetzungsfrist im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) abgelaufen. Der Beklagte hat M auch nicht zum Einspruchsverfahren der Klägerin hinzugezogen.
Von einem Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO kann insoweit ebenfalls nicht ausgegangen werden. Zum einen sind im Hinblick auf die zivilrechtlichen Rechtsfolgen regelmäßig beachtliche nichtsteuerliche Gründe für die Gestaltung vorhanden. Zum anderen steht es auch Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander so zu gestalten, dass sie für sie steuerlich möglichst günstig sind (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1992, V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis entsprechen §§ 151, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
2. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

RechtsgebietErbStGVorschriftenErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1