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· Fachbeitrag · Patientenrechtegesetz

Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen in medizinische Behandlungen

von RA Florian Wörtz, Stuttgart

| Das Patientenrechtegesetz normiert Aufklärungspflichten der Ärzte vor einem medizinischen Eingriff. Die neu geschaffenen §§ 630d und 630e BGB sorgen in der Praxis bei vielen Ärzten noch für Unsicherheit. Der Beitrag behandelt die Fragen der Einwilligungsfähigkeit und Aufklärungspflichten. |

1. Aufklärung und Einwilligung über die Behandlung

Der in § 630d BGB geregelten Einwilligung liegt der Grundsatz der Selbstbestimmung zugrunde. Ein Eingriff ist daher rechtswidrig, wenn er nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt ist. Eine wirksame Einwilligung kann wiederum nur erfolgen, wenn eine nach den in § 630e BGB aufgestellten Maßstäben erfolgte Aufklärung über den Eingriff und dessen wesentliche Umstände stattgefunden hat, sodass für die selbstbestimmte Entscheidung eine ausreichende Grundlage geschaffen wurde.

2. Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen in die Behandlung

Es stellt sich zunächst die Frage, ob der Patient noch in der Lage ist, eine selbstbestimmte Entscheidung überhaupt treffen zu können. Im Fall der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten ist die Einwilligung des hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung die Maßnahme gestattet oder untersagt (§ 630d Abs. 1 S. 2 BGB). Für Ärzte ergibt sich daher bereits aus dem Gesetz eine Handlungsreihenfolge:

Checkliste / Einwilligungsfähigkeit

  • 1. Liegt eine medizinische Maßnahme vor? Wenn (+), dann
  • 2. Ist Patient einwilligungsfähig? Wenn (-), dann
  • 3. Liegt eine Patientenverfügung des Patienten vor? Wenn (-), dann
  • 4. Einholung einer Einwilligung durch den Berechtigten
 

Eine Einwilligung ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn wegen einer Notlage die Einwilligung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden kann und diese dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht, § 630 d Abs. 1 S. 4 BGB. Diese Notlage besteht etwa bei bewusstlosen oder Notfallpatienten.

3. Der Begriff der Einwilligungsfähigkeit

Die Einwilligungsfähigkeit erfordert natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten hinsichtlich Art, Notwendigkeit, Bedeutung, Folgen und Risiken der medizinischen Maßnahme, siehe Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 630d Rn. 3. Die Einwilligung ist von ihrer Rechtsnatur her keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung (Palandt,a.a.O. Rn. 2). Sie enthält eine Entscheidung über ein höchstpersönliches Rechtsgut und erfordert daher nicht die Geschäftsfähigkeit, sondern die Einwilligungsfähigkeit (Palandt aaO). Bei jedem Patienten ist daher individuell zu prüfen, ob Einwilligungsfähigkeit vorliegt oder nicht. Konkret kommt es darauf an, ob der Patient noch in der Lage zu einer Einsichts- und Urteilsfähigkeit im Hinblick auf die Notwendigkeit und Umstände der medizinischen Maßnahme ist und diese mitteilen kann.

4. Das Vorliegen einer gesetzlichen Betreuung

Das Vorliegen einer Betreuung führt bei medizinischem Personal häufig zur falschen Annahme, dass zwingend vom Betreuer die Einwilligung einzuholen ist. In einer Art Übervorsicht und Unkenntnis der Gesetzeslage sind Ärzte teilweise dazu übergegangen, unabhängig von der Einwilligungsfähigkeit der Patienten bei Bestehen einer gesetzlichen Betreuung gleichzeitig oder anstelle der Einwilligung des Betroffenen die Einwilligung des gesetzlichen Betreuers einzuholen (siehe bdbaspekte 100/13, 12 f.). Dies ist jedoch falsch, weil das Bestehen einer gesetzlichen Betreuung allein noch keine Aussage über das Vorliegen der Einwilligungsfähigkeit enthält. Das Bestehen einer gesetzlichen Betreuung enthält nicht einmal eine Aussage in Bezug auf die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen (Jurgeleit RPfl 95, 282). Bei jeder medizinischen Maßnahme muss daher jeweils neu geprüft werden, ob diese Einwilligungsfähigkeit vorliegt. Das Bestehen einer gesetzlichen Betreuung ändert hieran nichts. Ein gesetzlicher Betreuer kann und soll diese selbstbestimmten Entscheidung nicht ersetzen, sofern der Betroffene seinen eigenen Willen in Bezug auf medizinische Maßnahmen noch selbst ausüben kann.

 

WICHTIG | Übertragen auf den Fall eines Patienten, für den eine gesetzliche Betreuung mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge besteht, bedeutet dies, dass dieser bei gegebener Einwilligungsfähigkeit selbst entscheiden darf, ob eine medizinische Maßnahme durchgeführt werden soll oder nicht.

5. Nichtvorliegen der Einwilligungsfähigkeit

Ist beim Betroffenen keine Einwilligungsfähigkeit gegeben und handelt es sich nicht um einen Notfall nach § 630 d Abs. 1 S. 4 BGB, ist - und nur dann - die Einwilligung des Berechtigten einzuholen. Als Berechtigte kommen in Betracht die Eltern bei Minderjährigen oder die gesetzlichen Betreuer und Generalbevollmächtigten, sofern deren Aufgabenbereich die Gesundheitsfürsorge umfasst. In Fällen, in denen der Patient zwar einerseits nicht mehr einsichtsfähig ist, aber andererseits keine gesetzliche Betreuung oder Generalvollmacht besteht, ist ein (gegebenenfalls Eil-)Antrag auf Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge beim Betreuungsgericht zu stellen. Besteht bereits eine gesetzliche Betreuung, umfasst diese aber nicht den Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge, ist eine Erweiterung der Aufgabenkreise um diesen Bereich zu beantragen.

 

Weiterführender Hinweis

  • Eingehend zum Patientenrechtegesetz, Wörtz, SB 14, 34)
Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 83 | ID 42656126