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· Fachbeitrag · Betreuer

Gericht darf Betreuer bestellen, aber…

| Der BGH hat hohe Hürden gesetzt, wenn trotz Vorsorgevollmacht ein Betreuer bestellt werden soll. Der Bevollmächtigte kann jedoch durch störendes Verhalten von Dritten gehindert sein, für den Betroffenen zu handeln. Dies könne dann auch einen neuen, gerichtlich bestellten Betreuer rechtfertigen, entschied jetzt das LG Meiningen. |

 

Sachverhalt

Der Betroffene hatte am 3.11.14 eine Vorsorgevollmacht errichtet, in der er seine Tochter als Bevollmächtigte benannt hatte. Die Tochter hatte vorgetragen, dass sie von der jetzigen Ehefrau ihres Vaters (Vollmachtgeber) bei der Vollmachtsausübung massiv behindert werde. Auf den Antrag der Tochter hin hörte das zuständige AG die Beteiligten an, holte ein psychiatrisches Gutachten ein und bestellte dann mit Beschluss vom 14.12.17 einen Berufsbetreuer. Die Ehefrau legte hiergegen Beschwerde ein und erklärte, dass sie das Recht zur Betreuung ihres Mannes habe und seit 2015 hierum kämpfe. Das LG Meiningen hingegen sah die Einsetzung eines Betreuers unter diesen Umständen nicht als fehlerhaft an. Allerdings dürfe er nicht ermächtigt werden, die Vollmacht selbst zurückzunehmen. Hierfür gäbe es keinen Grund, ferner sei eine besondere Begründung erforderlich (5.3.18, 4 T 31/18; 4 T 32/18, Abruf-Nr. 200903).

 

 

Entscheidungsgründe

Unbestritten konnte der Vollmachtgeber seine Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen. Die seiner Tochter erteilte Vollmacht war umfassend und wirksam. Die Tochter war auch geeignet und fähig, die in der Vollmacht genannten Aufgaben auszuüben.

 

Bereits das nachweislich kontrollierende Verhalten der Beschwerdeführerin (Ehefrau des Vollmachtgebers), die sich über „ständige Einmischungen“ beklagte, die Besuche der Tochter als „aufdringlich“ beschrieb und persönliche Kontakte zum Betroffenen verweigerte, lasse keinen Zweifel daran: Die Tochter werde massiv behindert, ihre Aufgaben auszuführen. Die Beschwerdeführerin selbst kam bereits aufgrund ihres Verhaltens als Betreuer nicht in Frage. Da keine andere geeignete Person verfügbar war, war auch nicht zu beanstanden, einen Betreuer einzusetzen.

 

Soweit das AG im angefochtenen Beschluss auch den Aufgabenkreis „Rücknahme erteilter Vollmachten“ aufnahm, war dies zu korrigieren. Gemeint war hier wohl tatsächlich der „Widerruf“ erteilter Vollmachten. Hierfür bestand jedoch kein Bedürfnis. Soweit es hier um Vollmachten geht, die nach Februar 2015 (seit dieser Zeit war der Vollmachtgeber aufgrund Hirnblutung und hieraus folgendem Psychosyndroms geschäftsunfähig i. S. von § 104 BGB) angeblich erteilt worden sein sollen, waren diese nach den gutachterlichen Feststellungen wegen bestehender Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen ohnehin unwirksam. Daher verblieb nur die Vorsorgevollmacht für die Tochter vom 3.11.14. Um diese zu widerrufen, hätte jedoch ausführlicher begründet werden müssen. Eine solche Begründung war dem Beschluss weder zu entnehmen, noch anderweitig ersichtlich.

 

Relevanz für die Praxis

Gründe für einen gerichtlich bestellten Ersatzbetreuer können also nicht nur in der Person des Bevollmächtigten liegen, sondern auch in äußeren Einflüssen durch Dritte, die ihn bei seinen Aufgaben stören oder behindern (z. B. Ehepartner oder weitere Angehörige).

 

Liegt ein solcher Fall vor, sollten Sie Ihrem Mandanten raten, Einflussnahmen (z. B. Briefe, mündliche Drohungen, verweigerter Zutritt zur Wohnung des Betroffenen) schriftlich zu dokumentieren, idealerweise durch bestätigende Zeugen. Um eine Vorsorgevollmacht jedoch zu widerrufen, müssen schlüssige, genaue Gründe vorgetragen werden (vgl. Schema in SR 16, 217).

 

PRAXISTIPP | Ist eine bereits bestehende Betreuung zu verlängern und ist dabei auch über einen Betreuerwechsel zu entscheiden, dann richtet sich die Auswahl des Betreuers nicht nach § 1908b Abs. 3 BGB, sondern nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB, wie jüngst der BGH betont hat (14.2.18, XII ZB 507/17)

 

Weiterführende Hinweise

  • Betreuung trotz Vorsorgevollmacht: Das ist zu beachten, SR 16, 215
  • Privatschriftliche Vorsorgevollmacht genügt nicht, SR 16, 133
Quelle: Ausgabe 05 / 2018 | Seite 77 | ID 45223029